Entgeltfortzahlung – Der Arbeitgeber kann die Leistung verweigern


544796_web_R_K_B_by_Gerd Altmann_pixelio.deDem Arbeitnehmer steht neben dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld zu. Dieser Anspruch ruht, soweit und solange der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leistet (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung berechtigt oder unberechtigt nicht, fehlt es am entsprechenden Ruhenstatbestand für das Krankengeld. Krankengeld ist in diesem Fall auszuzahlen.

Übergang des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung auf die Krankenkasse

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung geht in Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Krankenkasse über (vgl. § 115 Abs. 1 SGB X). Die Krankenkasse tritt in die Rechtsposition des Arbeitnehmers ein und hat die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt zu beachten. Der Anspruch muss durch die Krankenkasse insbesondere innerhalb tarifvertraglich geregelter Ausschlussfristen angemeldet bzw. klageweise geltend gemacht werden.

Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit

Der Arbeitgeber hat das Recht, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, solange

  • der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung schuldhaft nicht nachkommt, die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegenden ärztlichen Bescheinigungen vorzulegen,
  • der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt nicht wahrnimmt oder
  • bei einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit keine Folgebescheinigung vorlegt.

Der Arbeitgeber ist lediglich berechtigt, die Entgeltfortzahlung zeitweilig zu verweigern. Die Verletzung der Mitteilungspflichten des § 5 Abs. 2 Satz 1 EFZG kann je nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen, dass der Beweis für das Vorliegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als nicht erbracht anzusehen ist.

Teilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine im Ausland eingetretene Arbeitsunfähigkeit telefonisch mit und fragt der Arbeitgeber nicht nach der Urlaubsanschrift, kann er die Entgeltfortzahlung nicht mit der Begründung verweigern, ihm sei damit die Möglichkeit genommen worden, die Arbeitsunfähigkeit überprüfen zu lassen.

Schadenersatz durch Dritte

Der Arbeitgeber ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, solange der Arbeitnehmer ihm die zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlichen Angaben vorenthält.

Der Arbeitgeber ist außerdem berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern, wenn durch das Verhalten des Arbeitnehmers zwischen dem Eintritt des schädigenden Ereignisses und dem Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf den Arbeitgeber der Forderungsübergang verhindert wird (z. B. durch Abfindungsvergleich). Wird der Schadenersatzanspruch durch einen Abfindungsvergleich vermindert oder vernachlässigt der Arbeitnehmer dabei fahrlässig die Interessen des Arbeitgebers (z. B. wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss des Vergleichs damit hätte rechnen müssen, später wegen der Unfallfolgen erneut arbeitsunfähig zu werden), so steht dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht für den entsprechenden Entgeltanteil zu.

Mitwirkung der Krankenkasse

Hat der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung berechtigt verweigert, ist § 115 SGB X nicht anwendbar. Die Krankenkasse sollte allerdings in diesen Fällen darauf hinwirken, dass der Arbeitgeber die erforderlichen Informationen und Nachweise erhält, um den Grund für die Verweigerung der Entgeltfortzahlung zu beseitigen. Außerdem ist zu empfehlen, vorsorglich die Erstattungsforderung nach § 115 SGB X geltend zu machen, damit bei Übergang eines Entgeltfortzahlungsanspruchs dieser nicht aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Ausschlussfristen verloren geht.

Erfüllt der Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dessen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes nicht, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber in Höhe der erbrachten Sozialleistung auf den Sozialleistungsträger über (vgl. § 115 SGB X). Die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers hinsichtlich eines Verschuldens des Arbeitnehmers an der Arbeitsunfähigkeit bleibt durch den Anspruchsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X unverändert.

Dauer der Leistungsverweigerung

Zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht

Der Arbeitgeber ist nur so lange zur Verweigerung der Entgeltfortzahlung berechtigt, wie der Arbeitnehmer den ihm obliegenden Pflichten nicht nachkommt. Die Entgeltfortzahlung ist deshalb nachzuholen, wenn der Verweigerungsgrund nachträglich entfällt.

Kommt der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Beibringung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2, 3 EFZG) nicht nach, folgt hieraus allein kein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers, sondern nur ein Zurückbehaltungsrecht (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Es endet, wenn der Arbeitnehmer anderweitig bewiesen hat, arbeitsunfähig krank gewesen zu sein.

Endgültiges Leistungsverweigerungsrecht

Wenn der Arbeitnehmer den Übergang eines Schadenersatzanspruchs auf den Arbeitgeber verhindert, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung endgültig verweigern. Dies gilt sowohl für den laufenden Arbeitsunfähigkeitsfall als auch bei den Wiederholungserkrankungen, die Folge derselben Schädigung sind und in denen der Arbeitgeber wegen der Verhinderung des Forderungsübergangs keinen Ersatz erhalten kann.

Ein zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht kann sich auch in ein endgültiges verwandeln. Dieses kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr die in § 5 EFZG angesprochenen Pflichten erfüllen und seine Arbeitsunfähigkeit auch sonst nicht nachweisen kann. Erfüllt z. B. ein Arbeitnehmer die Anzeigepflicht für eine Arbeitsunfähigkeit im Ausland nicht, kann er diese nach seiner Rückkehr nach Deutschland nicht mehr rechtswirksam nachholen, da die gesetzliche Bestimmung von einer Unterrichtung aus dem Ausland ausgeht.

Ebenfalls verwandelt sich ein zeitweiliges in ein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht, wenn die erheblich verspätete Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Forderung auf Entgeltfortzahlung als Verstoß gegen Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB), also als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt.  Hier müssen aber schon besondere Umstände vorliegen, die eine verspätete Vorlage als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.

Hat der Arbeitnehmer die Verletzung der ihm nach §§ 5 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 2 EFZG auferlegten Anzeige- und Nachweispflichten nicht zu vertreten, ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern (vgl. § 7 Abs. 2 EFZG). Voraussetzung für eine berechtigte Verweigerung ist demnach, dass der Arbeitnehmer die ihm obliegenden Verpflichtungen vorsätzlich oder fahrlässig nicht erfüllt.

Bindungswirkung für den Erstattungsanspruch nach § 1 AAG

Liegen die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EFZG genannten Tatbestände vor, ist der Arbeitgeber zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern. Die Entscheidung des Arbeitgebers ist für die Krankenkasse hinsichtlich der Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen nach § 1 AAG bindend. Verzichtet der Arbeitgeber z. B. auf eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für nur wenige Tage und zahlt er das Arbeitsentgelt weiter, hat die Krankenkasse den Erstattungsanspruch nach § 1 AAG zu erfüllen.

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