Behandlungsfehler – Die Krankenkasse hilft


Ein Behandlungsfehler entsteht, wenn der Arzt im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit objektiv gebotene Maßnahmen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft unsachgemäß ausführt. Es wird diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die allgemein von einem ordentlichen, pflichtbewussten Arzt in der konkreten Situation zu erwarten ist. Folgt aus dem Behandlungsfehler ein Gesundheitsschaden, dann hat dieses sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen.

Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler ist eine nicht sorgfältige, fachgerechte oder zeitgerechte Behandlung des Patienten durch einen Arzt. Er betrifft alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit beim Notfall, Krankentransport, in der ärztlichen Praxis, bei Hausbesuchen oder im Krankenhaus. Der Fehler kann medizinischer oder organisatorischer Natur sein. Dazu gehören auch Fehler nachgeordneter oder zuarbeitender Personen oder eine fehlende, unrichtige, unverständliche oder unvollständige Aufklärung des Patienten über medizinische Eingriffe und ihre Risiken sowie Dokumentationsmängel.

Fahrlässigkeit/Vorsatz

Wenn nach einer Behandlung der Erfolg ärztlicher Maßnahmen ausbleibt, können die Ursachen in der Eigenart der Erkrankung oder in der Unzulänglichkeit ärztlicher Bemühungen liegen. Für den ärztlichen Behandlungsfehler sind nur die unzulänglichen Bemühungen bedeutsam. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn gegen die allgemein anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft verstoßen wird. Damit handelt der Arzt fahrlässig oder vorsätzlich.

Fallgruppen

Ärztliche Behandlungsfehler können u. a. in folgenden Fallgruppen auftreten:

  • Organisationsverschulden (z. B. im Krankenhaus durch den Krankenhausträger oder den verantwortlichen Chefarzt, die Mitarbeiter nicht ausreichend über Hygienemaßnahmen aufgeklärt haben),
  • Übernahmeverschulden (z. B. bei Studenten, in Ausbildung befindlichen Ärzten oder Assistenzärzten, die ohne ausreichende Fachkenntnisse eine ärztliche Behandlung ohne Aufsicht eines verantwortlichen Arztes durchführen),
  • Nichtbehandlung (z. B. durch vorsätzliches oder fahrlässiges Unterlassen medizinisch gebotener Behandlung, weil der Arzt eine kontraindizierte Medikation nicht erkennt),
  • abweichende Behandlung (z. B. Durchführung einer vom aktuellen ärztlichen Standard abweichenden Therapie),
  • Aufklärungsfehler (z. B. durch einen unterlassenen Hinweis auf fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse einer Außenseitermethode).

Schadenersatzanspruch

Der Patient hat einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens durch erforderliche Heilbehandlungskosten sowie auf Schmerzensgeld, wenn der ärztliche Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist (z. B. Lähmungserscheinungen im rechten Bein aufgrund einer Nervenschädigung durch einen fehlerhaften operativen Eingriff). Der Anspruch auf Schadensersatz geht auf leistungspflichtige Sozialversicherungsträger über, soweit diese aufgrund des Gesundheitsschadens Sozialleistungen zu erbringen haben.

Beweislast

Wenn durch die Behandlung ein Gesundheitsschaden eintritt, wird vermutet, dass der Arzt schuldhaft gehandelt und einen Fehler begangen hat. Der Arzt trägt die Beweislast dafür, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat.

Der Behandlungsfehler muss ursächlich für den eingetretenen Gesundheitsschaden sein. Den Beweis dafür hat der Patient anzutreten. Ausnahme: Der Arzt begeht einen groben Behandlungsfehler.

Zur Beweislast des Arztes gehört auch der Nachweis, dass der Patient in die Behandlung eingewilligt hat und über die Behandlung aufgeklärt wurde.

Hinweis

Wenn durch die Behandlung ein Gesundheitsschaden eintritt und der Patient dieses Risiko kannte, liegt kein Behandlungsfehler vor.

Erforderliche medizinische Maßnahmen und Ergebnisse sind in der Patientenakte aufzuzeichnen und aufzubewahren. Fehlen entsprechende Aufzeichnungen oder wurde die Patientenakte nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass die Maßnahmen nicht getroffen wurden.

Bei einem groben Behandlungsfehler wird vermutet, dass der Fehler für den Gesundheitsschaden ursächlich ist. Den Arzt trifft die Beweislast dafür, dass der Gesundheitsschaden nicht ursächlich auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Von einem groben Behandlungsfehler ist auszugehen, wenn

  • der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und
  • einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Um einen groben Behandlungsfehler handelt es sich z. B., wenn die gebotene medizinische Befunderhebung als Voraussetzung für eine fehlerfreie Behandlung unterbleibt.
Um seine Ansprüche durchzusetzen, hat der Patient einen Anspruch darauf, die Patientenakte einzusehen. Gegen Kostenerstattung kann der Patient Abschriften der Patientenakte verlangen.[7]

Verjährung

Der Schadensersatzanspruch verjährt nach drei Jahren und kann dann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Kenntnis ist beim Patienten vorhanden, wenn die ihm bekannten Tatsachen ausreichen, daraus auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arztes und die Ursächlichkeit für den Schaden zu schließen. Den Eintritt der Verjährung muss auch ein Sozialversicherungsträger gegen sich gelten lassen, wenn Schadensersatzansprüche auf ihn übergegangen sind.

Strafrecht

Strafrechtlich kann es sich beim Behandlungsfehler insbesondere um fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung handeln. Beweiserhebung und Beweiswürdigung liegen beim Strafgericht.

Unterstützung durch die Krankenkasse

Die Krankenkassen sollen Versicherte bei Behandlungsfehlern unterstützen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Behandlungsfehler bei der Inanspruchnahme einer Leistung der Krankenkasse eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Leistung von einem anderen Sozialleistungsträger erbracht worden ist. Die Krankenkasse unterstützt Versicherte bei Behandlungsfehlern aufgrund einer Ermessensentscheidung.

Den Krankenkassen steht nur ein eingeschränktes Ermessen zu. Der Versicherte ist bei Behandlungsfehlern zu unterstützen, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen.
Im Rahmen der Unterstützung führt die Krankenkasse weder den Prozess für den Versicherten noch beteiligt sie sich an den Kosten. Es spricht allerdings nichts dagegen, wenn die Krankenkasse in einem Verfahren, in dem sie übergegangene Schadensersatzansprüche geltend macht, auch die Interessen des Versicherten vertritt.

Die Krankenkasse ist berechtigt, Informationen zu geben, die Versicherten die Beweisführung beim Nachweis eines Behandlungsfehlers erleichtern. Zu diesen Informationen gehören u. a.

  • Diagnose und Therapie,
  • vorliegende Gutachten, z. B. des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse, und
  • Erkenntnisse aus der Verfolgung eigener Schadenersatzansprüche nach § 116 SGB X.

Die Unterstützung umfasst insbesondere

  • die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität,
  • die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern,
  • die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den MDK nach § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V sowie
  • eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen.

Die Aufzählung ist nicht abschließend und räumt der Krankenkasse Ermessen bei der Auswahl der unterstützenden Maßnahme ein. Mit einer abschließenden Gesamtbewertung unter Einbeziehung aller vorliegenden Unterlagen sowie des Ergebnisses einer Begutachtung durch den MDK können den Versicherten die für eine Rechtsverfolgung wichtigen Informationen zugänglich gemacht werden.

Schmerzensgeld

Die Unterstützung des Versicherten bei Behandlungsfehlern beschränkt sich auf die Schadenersatzansprüche, die nicht nach § 116 SGB X auf die Krankenkasse übergegangen sind (z. B. Schmerzensgeldforderungen nach § 253 BGB).

Durchsetzung von Ansprüchen

Um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, können Patienten zunächst außergerichtlich und kostenfrei die Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern anrufen. Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist freiwillig und kostenfrei. Die Schlichtungsstelle holt entsprechende Gutachten ein. Neben der Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle können Versicherte auch eine Schadensersatzklage bei einem Zivilgericht erheben. Diese ist auch bei einer negativen Entscheidung der Schlichtungsstelle möglich.

Das freiwillige Schlichtungsverfahren ist keine Voraussetzung für eine Klage auf Schadensersatz vor einem Zivilgericht.

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