Die Sonderrechtsnachfolge beim Tod eines Sozialleistungsberechtigten (vgl. § 56 SGB I) schließt die Erbfolge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts aus. Die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Erbfolge sind nur anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für eine Sonderrechtsnachfolge nicht gegeben sind.
Die Norm erfasst Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (vgl. § 11 SGB I), sobald deren materiell-rechtliche Voraussetzungen vorliegen (vgl. §§ 40, 41 SGB I). Ein Antrag gehört nur dann zu diesen Voraussetzungen, wenn die einschlägige Rechtsnorm eine entsprechende Regelung enthält oder der Antrag für den Beginn der Leistung maßgebend ist.
Hinweis
Der Antrag auf den Anspruch auf Krankengeld nach § 19 SGB IV ist keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Fälligkeit einer Sozialleistung, da er lediglich eine verfahrenseinleitende Wirkung hat.
Beispiel
Ein versicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer erleidet am 24. März 2011 einen Arbeitsunfall. Wegen dessen Folgen ist der Arbeitnehmer vom selben Tag an arbeitsunfähig. Damit sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld vom 24. März 2011 an erfüllt, und der Anspruch ist fällig. Auf einen Antrag des Verletzten kommt es dafür nicht an.
Laufende Geldleistungen
Die Sonderrechtsnachfolge betrifft nur laufende Geldleistungen (z. B. Rente oder Krankengeld). Dabei handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig (z. B. monatlich) in Geld gezahlt werden. Einmalige Leistungen oder Dienst- und Sachleistungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
Verfahrensrechtliche Stellung
Ein Sonderrechtsnachfolger tritt auch verfahrensrechtlich die Rechtsnachfolge an (BSG, Urteil vom 7.12.2004, B 1 KR 6/03 R mit weiteren Nachweisen). Daher kann der Rechtsnachfolger im Rahmen der allgemeinen Grenzen des Verwaltungsverfahrensrechts gestellte Anträge zurücknehmen. Er besitzt dieselbe Dispositionsbefugnis wie der Verstorbene selbst. Dem Sonderrechtsnachfolger stehen alle verfahrensmäßigen Mittel zu, Sozialleistungsansprüche zu verwirklichen oder über sie zu verfügen. Dazu gehört auch ein Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).
Persönliche Voraussetzungen
Die fälligen Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen nacheinander
- dem Ehegatten,
- dem Lebenspartner,
- den Kindern,
- den Eltern oder
- dem Haushaltsführer
zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Berechtigt ist der jeweilige Inhaber des besseren Ranges, der die nachfolgenden Personen ausschließt. Mehrere Personen der gleichen Rangstufe sind zu gleichen Teilen berechtigt.
Beispiele
- Als Kinder gelten auch Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen sind, Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind), Geschwister des Berechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen worden sind.
- Als Eltern gelten auch sonstige Verwandte der geraden aufsteigenden Linie (z. B. Großeltern), Stiefeltern,. Pflegeeltern (Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben).
- Haushaltsführer ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der anstelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist.
Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge
Die Sonderrechtsnachfolge ist ausgeschlossen, wenn eine von einem Antrag abhängige Leistung nicht beantragt und ein Verwaltungsverfahren über den Sozialleistungsanspruch nicht eingeleitet wurde oder wenn der Sozialleistungsanspruch bestandskräftig abgelehnt wurde (vgl. § 59 Satz 2 SGB I) und ein Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg eingelegt werden kann (z. B. nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist).
Auf die Sonderrechtsnachfolge kann verzichtet werden (v gl. § 57 SGB I).
Vererbung
Fällige Ansprüche auf Geldleistungen werden nach den Vorschriften des BGB vererbt, wenn ein Sonderrechtsnachfolgen nicht vorhanden ist (vgl. § 58 Satz 1 SGB I). Die Erbfolge tritt bei allen Geldleistungen ein und ist nicht auf laufende Geldleistungen beschränkt.
Sonderrechtsnachfolge oder Vererbung bei einem Anspruch auf Kostenerstattung
Der Anspruch auf Kostenerstattung für selbstbeschaffte Sachleistungen (vgl. § 13 Abs. 3 SGB V; ebenso wie die Kostenerstattung bei Systemversagen) richtet sich auf eine laufende Geldleistung (BSG, Beschluss vom 8.11.2011, B 1 KR 6/11 R). Damit ist zunächst die Sonderrechtsnachfolge gegeben. Der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25.8.2009, B 3 KR 25/08 R) schließt in diesen Fällen aber die Sonderrechtsnachfolge aus und richtet die Erbfolge nach den Vorschriften des BGB. Bei dem 3. Senat des Bundessozialgerichts wird deswegen angefragt, ob er an seiner im Urteil vom 25. August 2009 – B 3 KR 25/08 R – vertretenen Rechtsauffassung festhält, dass bei Kostenerstattungsansprüchen nach § 13 Abs. 3 SGB V eine Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I nicht stattfindet, weil keine „laufende Geldleistung“ betroffen ist.