Gegen den Verwaltungsakt, mit dem der Versicherte aufgefordert wird, einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu stellen, kann dieser einen Widerspruch einlegen. Damit wird ein Vorverfahren eingeleitet, dessen Durchführung die Voraussetzung für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht ist. Während des Widerspruchsverfahrens ist weiterhin Krankengeld zu zahlen. Allerdings verlängert sich nicht die von der Krankenkasse gesetzte Frist.
Auslegung einer Willenserklärung
Bei der Auslegung einer Willenserklärung als Widerspruch ist der wirkliche Wille des Betroffenen zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (vgl. § 133 BGB). Eine ausdrückliche Bezeichnung als Widerspruch ist nicht erforderlich. Es ist vielmehr ausreichend, wenn hinreichend erkennbar zum Ausdruck kommt, dass der Verwaltungsakt beanstandet wird und er deshalb nochmals überprüft werden soll.
Der Widerspruch muss keine Begründung oder einen bestimmten Antrag enthalten. Er kann sich gegen einzelne selbstständige und teilbare Regelungen richten; er richtet sich im Zweifel gegen alle Verfügungssätze des Bescheides.
Form des Widerspruchs
Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Krankenkasse einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. § 84 Abs. 1 SGG). Die Schriftform wird durch ein den Widerspruch darstellendes Schriftstück gewahrt; eine Unterschrift ist nicht erforderlich. Es muss gewährleistet sein, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten in den Verkehr gelangt ist. Der Widerspruch kann außerdem telegrafisch, fernschriftlich oder durch Telebrief, Telekopie oder Computerfax eingelegt werden. Ein Telefonanruf ist nicht ausreichend.
Der Widerspruch kann durch den Betroffenen oder seinen Bevollmächtigten auch mündlich erklärt werden. Dazu ist die Krankenkasse persönlich aufzusuchen; der Widerspruch ist dort in einer Niederschrift aufzunehmen. Der aufnehmende Bedienstete hat die Niederschrift zu unterschreiben; eine Unterschrift des Betroffenen ist nicht erforderlich. Die Krankenkasse darf die Aufnahme der Niederschrift während der Dienststunden nicht ablehnen. Der Widerspruch kann nicht fernmündlich zur Niederschrift erklärt werden.
Frist des Widerspruchs
Der Widerspruch ist binnen eines Monats nach der Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzureichen (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Widerspruchsfrist beträgt drei Monate, wenn der Verwaltungsakt im Ausland bekannt gegeben wurde (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts richtet sich nach § 37 SGB X; der Verlauf der gesetzlichen Frist ist nach § 26 SGB X zu bestimmen (vgl. Bsp. 100). Da es sich um eine gesetzliche Frist handelt, sind die für behördliche Fristen geltenden Regelungen (vgl. § 26 Abs. 2 und Abs. 5 SGB X) sowie die Fristverlängerung durch die Krankenkasse (vgl. § 26 Abs. 7 SGB X) ausgeschlossen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Für den Lauf der Rechtsbehelfsfrist ist es Voraussetzung, dass der Beteiligte eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hat (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. § 66 SGG). Ist die Belehrung unterblieben oder unvollständig oder unrichtig erteilt worden, kann der Rechtsbehelf innerhalb eines Jahres seit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig eingelegt werden (vgl. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen muss eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung nicht nur richtig und vollständig sein. Sie darf auch nicht durch weitere Informationen überfrachtet werden, durch Umfang, Kompliziertheit, Hervorhebung des Unwichtigen u. ä. Verwirrung stiften oder gar den Eindruck erwecken, die Rechtsverfolgung sei schwieriger, als dies in Wahrheit der Fall ist. Bei derartigen Unklarheiten kann eine Gesamtwertung ergeben, dass die Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung als unrichtig anzusehen, möglicherweise für fristbezogene Irrtümer ursächlich und daher zum Ingangsetzen der Monatsfrist ungeeignet gewesen ist.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Wurde die Widerspruchsfrist versäumt, ist durch die Krankenkasse die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu prüfen (vgl. § 67 SGG). Die Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn der Widerspruchsführer ohne Verschulden verhindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Das Fristversäumnis gilt u. a. dann als nicht verschuldet, wenn die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden ist, weil einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung fehlt oder die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben ist (vgl. § 41 Abs. 3 SGB X).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen eines Monats nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Ist dieses geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Die Krankenkasse hat somit aufgrund eines verspätet eingelegten Widerspruchs die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung zu prüfen, ohne dass es eines ausdrücklichen Antrags auf Wiedereinsetzung bedarf.
Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung der Wiedereinsetzung ist ein Verwaltungsakt. Dabei kann die Entscheidung über die Wiedereinsetzung mit der Entscheidung über den Widerspruch verbunden werden.
Adressat des Widerspruchs
Der Widerspruch ist Frist wahrend bei der Krankenkasse zu stellen, die den Verwaltungsakt erlassen hat, oder bei anderen Behörden einzureichen (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Widerspruch ist eingereicht, wenn er so in den Macht- oder Willensbereich der Krankenkasse gelangt ist, dass sie unter gewöhnlichen Verhältnissen von ihm Kenntnis erlangen konnte. Es ist unerheblich, ob der Widerspruch während der Dienstzeit der Krankenkasse eingegangen ist oder ob ein Behördenvertreter ihn zur Kenntnis genommen hat.
Der Widerspruch kann Frist wahrend bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde eingereicht werden (vgl. § 84 Abs. 2 SGG). Wird der Widerspruch bei einer anderen als der zuständigen Behörde eingereicht, hat diese den Widerspruch unverzüglich an die Krankenkasse weiterzuleiten.
Verfahrensrechtliche Wirkung des Widerspruchs
Durch den Widerspruch wird die Krankenkasse zunächst verpflichtet, ein Rechtsbehelfsverfahren einzuleiten. Dieses Verfahren schließt sich als Verwaltungsverfahren besonderer Art an das Ausgangsverfahren an und verfolgt das Ziel, die Ausgangsentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu untersuchen und ggf. durch eine neue Entscheidung zu ersetzen. Da es sich beim Widerspruchsverfahren um ein Verwaltungsverfahren handelt sind die Vorschriften des SGB X entsprechend anzuwenden (vgl. § 62 SGB X).
Aufschiebende Wirkung
Der Widerspruch zur Einleitung des Vorverfahrens nach dem Sozialgesetzbuch hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt; vgl. § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Sie erstreckt sich auf alle Verwaltungsakte. Dazu gehören auch solche mit rechtsgestaltender und feststellender Wirkung sowie Verwaltungsakte mit Drittwirkung (vgl. § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG). Die aufschiebende Wirkung tritt mit Einlegung des Widerspruchs rückwirkend auf den Zeitpunkt ein, zu dem der angegriffene Bescheid erlassen wurde. Das gilt auch für den unzulässigen oder unbegründeten Widerspruch, da die entsprechende Feststellung erst während des Vorverfahrens getroffen wird.
Die für den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gesetzte Frist wird durch die aufschiebende Wirkung nicht verlängert (BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 1 KR 31/13 R).
Die aufschiebende Wirkung entfällt rückwirkend, wenn der Widerspruchsbescheid und damit der bestätigte oder modifizierte Ausgangsbescheid seine Unanfechtbarkeit erlangt. Der angefochtene Verwaltungsakt ist damit als von Anfang an wirksam anzusehen.
Bis dahin ist der Versicherte nicht in seinem Dispositionsrecht eingeschränkt und Krankengeld ist ggf. auch über das Ende der Frist von zehn Wochen hinaus zu zahlen. Allerdings verlängert sich nicht die von der Krankenkasse gesetzte Frist. Darüber hinaus gezahltes Krankengeld ist der Krankenkasse zu erstatten, wenn dem Widerspruch (und ggf. einer sich anschließenden Klage) nicht stattgegeben wird. Das Risiko, die durch den belastenden Verwaltungsakt angedrohten nachteiligen Rechtsfolgen tragen zu müssen, wird dem unterlegenen Beteiligten durch die aufschiebende Wirkung nicht genommen
Aufschiebende Wirkung tritt dann nicht ein, wenn der Widerspruchsführer von dem Rechtsbehelf in ersichtlich missbräuchlicher Weise und nur deshalb Gebrauch gemacht hat, um in den Genuss der aufschiebenden Wirkung zu gelangen. Gleiches gilt, wenn der Widerspruch verspätet eingelegt wird und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offensichtlich nicht möglich ist.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs beeinträchtigt nicht seine Wirksamkeit, sondern setzt die Vollziehbarkeit der Entscheidung aus. Damit
- sind alle weiteren Vollstreckungsmaßnahmen unzulässig,
- kann sich nicht auf die rechtsgestaltende Wirkung des Verwaltungsakts berufen werden,
- sind laufende Leistungen weiter zu erbringen,
- kann der Verfügung des Verwaltungsakts entgegen stehendes Verhalten nicht als Ordnungswidrigkeit festgestellt und mit einer Geldbuße geahndet werden.
Anordnung der Vollziehung
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfällt in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist (vgl. § 86a Abs. 2 SGG). Entfällt die aufschiebende Wirkung, weil die sofortige Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts im öffentlichen Interessen liegt, hat die Krankenkasse oder ihre Widerspruchsstelle die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anzuordnen. Bei dieser Entscheidung sind die verschiedenen Interessen abzuwägen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dazu bedarf es einer schlüssigen, konkreten und substanziierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus der Sicht der Krankenkasse gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Beteiligten am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten habe. Dabei können im Einzelfall auch fiskalische Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht nur materiell rechtfertigen, sondern auch zur Begründung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung herangezogen werden.
Vorläufiger Rechtsschutz
Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- in den Fällen aufschiebender Wirkung die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
- in den Fällen, in denen ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder
- in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung durch den Sozialversicherungsträger oder dessen Widerspruchsstelle ganz oder teilweise ausgesetzt wurde, diese ganz oder teilweise wiederherstellen
(vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG). Das Gericht wird einen entsprechenden Antrag regelmäßig unverzüglich nach dessen Eingang prüfen und darüber entscheiden. Eine umfassende Prüfung der Erfolgsaussichten sind in diesem Rahmen nicht möglich. Es erscheint deshalb ausreichend, den Antrag summarisch zu prüfen und so eine Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits zu treffen. Parallel dazu hat eine Interessenabwägung zwischen Vollziehungsinteresse und Verhinderungsinteresse stattzufinden. Ist der Verwaltungsakt bereits vollzogen, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG).
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3 Antworten zu “Aufforderung zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe – Rechtsschutz”
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