Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) – Kostenübernahme


Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) sind therapeutische Maßnahmen, deren diagnostischer und therapeutischer Nutzen sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht anerkannt sind. Die Anerkennung wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien ausgesprochen. Fehlt es daran, dürfen diese Leistungen in der ambulanten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung nicht zulasten der Krankenkassen erbracht werden. Ausnahmen sind durch die Rechtsprechung anerkannt.

Vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung

Leistungsumfang

Versicherte haben Anspruch auf Leistungen, die in Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Dabei hat die Krankenkasse das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten (vgl. §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 SGB V). Diese Prinzipien sind durch die Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ festgelegt.

NUB dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dazu in den Richtlinien eine Empfehlung abgegeben hat (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). NUB, die nicht empfohlen sind, können von Versicherten nicht beansprucht und dürfen von Krankenkassen nicht erbracht werden.

Die Richtlinien enthalten Aussagen über die

  • Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode (Sie informieren über deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung),
  • notwendige Qualifikation der Ärzte,
  • apparativen Anforderungen sowie
  • Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern und
  • erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.

Die Richtlinien enthalten

  • anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden
  • Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zulasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, und
  • Methoden, deren Bewertungsverfahren ausgesetzt ist.

Ausnahmen

Systemversagen

Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass vom Erlaubnisvorbehalt der Richtlinien abzuweichen ist, wenn ein Systemversagen festzustellen ist. Dann ergibt sich ein Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse.

Ein Systemversagen liegt vor, wenn die fehlende Anerkennung darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz der formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In solchen Fällen ist die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben.

Lebensbedrohliche Erkrankungen

Versicherte, die an einer

  • lebensbedrohlichen Erkrankung,
  • regelmäßig tödlichen Erkrankung oder
  • wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung

leiden, können Leistungen beanspruchen, die nicht als Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zugelassen sind (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V). Es muss eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen. Die Leistung ist vor dem Beginn der Behandlung zu beantragen; die Krankenkasse erklärt die Kostenübernahme (vgl. § 2 Abs. 1a Satz 2 SGB V).

Die durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien sind damit vom Gesetzgeber übernommen worden. Der Leistungsanspruch ist auf der neuen Rechtsgrundlage gerichtlich nachprüfbar. Ggf. ergibt sich ein Anspruch auf Kostenerstattung aufgrund einer unaufschiebbaren Leistung.

Der über den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende Leistungsanspruch orientiert sich an den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Die Grundrechte verpflichten die Krankenkassen in besonderen Fällen zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der Vorschriften des Krankenversicherungsrechts. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Leistungen über den gesetzlich geregelten Rahmen hinaus. Dies gilt insbesondere in den Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung.

Leistungsantrag

Begutachtungsanleitung NUB

Aufgrund von Leistungsanträgen für außervertragliche NUB sind eine Vielzahl von Rechtsgrundlagen zu beachten: Dazu gehören u. a.

  • die für die Krankenkassen geltenden Normen,
  • die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
  • die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
  • das Produkterecht (z. B. Medizinprodukterecht, Arzneimittelrecht,
  • Gewebegesetz) und
  • Rechtsäußerungen des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen.

Die Begutachtungsanleitung «Außervertragliche NUB» berücksichtigt diese Grundlagen und Rahmenbedingungen und gibt Empfehlungen zur Begutachtung von Leistungsanträgen auf NUB.

Verfahren

Die Krankenkassen sind verpflichtet, eine gutachtliche Stellung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu beantragten Leistungen einzuholen, wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist (vgl. § 275 Abs. 1 SGB V). Dabei sind insbesondere die Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Leistung zu prüfen. Die Begutachtung wird durch die Krankenkasse eingeleitet.

Die Krankenkasse trifft aufgrund des Gutachtens ihre Entscheidung. Im Falle eines Widerspruchs ist sie Adressat des Widerspruchs und leitet ein entsprechendes Verfahren ein.

Information der Aufsichtsbehörde

Im Falle eines festgestellten Systemversagens und einer positiven Entscheidung über die beantragte Leistung empfiehlt sich eine Mitteilung an die Aufsichtsbehörde. Außerdem ist der Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu informieren, damit dieser sein Antragsrecht gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss geltend machen kann.

Stationäre Krankenhausbehandlung

Die Entscheidung über die Qualität sowie die Wirksamkeit einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung trifft der Gemeinsame Bundesausschuss (vgl. § 137c SGB V). Die Vorschrift enthält keinen Erlaubnisvorbehalt. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, im klinischen Bereich neuartige Verfahren ohne vorherige Zulassung zu Lasten der Krankenversicherung anzuwenden, es sei denn, die Verfahren wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Richtlinie „Methoden Krankenhausbehandlung“ benennt die vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossenen NUB. Die Richtlinie ist für die Krankenkassen verbindlich.