Ein ärztlicher Behandlungsfehler (Kunstfehler) ist eine nicht sorgfältige, fachgerechte oder zeitgerechte Behandlung des Patienten durch einen Arzt oder Zahnarzt. Er betrifft alle Bereiche ärztlicher Tätigkeit beim Notfall, Krankentransport, in der ärztlichen Praxis, bei Hausbesuchen oder im Krankenhaus. Der Fehler kann medizinischer oder organisatorischer Natur sein.
Eine mögliche Ursache liegt in der Tätigkeit von Ärzten, die nicht ausreichend qualifiziert sind (Ärzte im Zwielicht). Politiker fordern ein „Bundesregister aller Risikoärzte„.
Ärztliche Behandlungsfehler sind auch Fehler nachgeordneter oder zuarbeitender Personen oder eine fehlende, unrichtige, unverständliche oder unvollständige Aufklärung des Patienten über medizinische Eingriffe und ihre Risiken sowie Dokumentationsmängel. Folgt aus dem Behandlungsfehler ein Gesundheitsschaden, dann hat dieses sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist zum 26.2.2013 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten in die einschlägigen Gesetze übertragen worden.
Beispiele
- Organisationsverschulden (z. B. fehlende Aufklärung der Mitarbeiter über Hygiene durch den Krankenhausträger oder verantwortlichen Chefarzt)
- Übernahmeverschulden (z. B. bei Studenten, in Ausbildung befindlichen Ärzten oder Assistenzärzten, die ohne ausreichende Fachkenntnisse eine ärztliche Behandlung ohne Aufsicht eines verantwortlichen Arzt durchführen)
- Nichtbehandlung (z. B. durch vorsätzliches oder fahrlässiges Unterlassen medizinisch gebotener Behandlung, weil der Arzt eine kontraindizierte Medikation nicht erkennt)
- abweichende Behandlung (z. B. Durchführung einer vom aktuellen ärztlichen Standard abweichenden Therapie)
- Aufklärungsfehler (z. B. durch einen unterlassenen Hinweis auf fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse einer Außenseitermethode)
Anspruch auf Schadensersatz
Der Patient hat einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens durch erforderliche Heilbehandlungskosten sowie auf Schmerzensgeld, wenn der ärztliche Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist (z. B. Lähmungserscheinungen im rechten Bein aufgrund einer Nervenschädigung durch einen fehlerhaften operativen Eingriff). Der Anspruch auf Schadensersatz geht auf leistungspflichtige Sozialversicherungsträger über, soweit diese aufgrund des Gesundheitsschadens Sozialleistungen zu erbringen haben (vgl. § 116 Abs. 1 SGB X).
Beweislast
Einfacher Behandlungsfehler
Wenn durch die Behandlung ein Gesundheitsschaden eintritt wird vermutet, dass der Arzt schuldhaft gehandelt und einen Fehler begangen hat (vgl. § 630h Abs. 1 BGB). Der Arzt trägt die Beweislast dafür, dass er nicht schuldhaft gehandelt hat.
Der Behandlungsfehler muss ursächlich für den eingetretenen Gesundheitsschaden sein. Den Beweis hat der Patient anzutreten. Ausnahme: Der Arzt begeht einen groben Behandlungsfehler.
Zur Beweislast des Arztes gehört auch der Nachweis, dass der Patient in die Behandlung eingewilligt hat und über die Behandlung aufgeklärt wurde (vgl. §§ 630d, 630e, 630h Abs. 2 BGB).
Wenn durch die Behandlung ein Gesundheitsschaden eintritt und der Patient dieses Risiko kannte, liegt kein Behandlungsfehler vor
Erforderliche medizinische Maßnahmen und Ergebnisse sind in der Patientenakte aufzuzeichnen und aufzubewahren (vgl. § 630f BGB). Fehlen entsprechende Aufzeichnungen oder wurde die Patientenakte nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass die Maßnahmen nicht getroffen wurden (vgl. § 630h Abs. 3 BGB).
Grober Behandlungsfehler
Bei einem groben Behandlungsfehler wird vermutet, dass der Fehler für den Gesundheitsschaden ursächlich ist (vgl. § 630h Abs. 5 BGB). Den Arzt trifft die Beweislast dafür, dass der Gesundheitsschaden nicht ursächlich auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist.
Von einem groben Behandlungsfehler ist auszugehen, wenn
- der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und
- einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Um einen groben Behandlungsfehler handelt es sich z. B., wenn die gebotene medizinische Befunderhebung als Voraussetzung für eine fehlerfreie Behandlung unterbleibt.
Einsicht in die Patientenakte
Um seine Ansprüche durchzusetzen hat der Patient einen Anspruch darauf, die Patientenakte einzusehen (vgl. § 630g Abs. 1 BGB). Gegen Kostenerstattung kann der Patient Abschriften der Patientenakte verlangen (vgl. § 630g Abs. 2 BGB).
Eine Abschrift kann auch in elektronischer Form verlangt werden.
Verjährung des Anspruchs
Der Schadensersatzanspruch verjährt nach 3 Jahren und kann dann nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. § 195 BGB). Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahrs, in dem
- der Anspruch entstanden ist und
- der Patient von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste
(vgl. § 199 Abs. 1 BGB).
Die Kenntnis ist beim Patienten vorhanden, wenn die ihm bekannten Tatsachen ausreichen, daraus auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arztes und die Ursächlichkeit für den Schaden zu schließen.
Den Eintritt der Verjährung muss auch ein Sozialversicherungsträger gegen sich gelten lassen, wenn Schadensersatzansprüche auf ihn übergegangen sind.
Strafrechtliche Folgen
Strafrechtlich kann es sich beim Behandlungsfehler insbesondere um fahrlässige Tötung (vgl. § 222 StGB) oder fahrlässige Körperverletzung (vgl. § 229 StGB) handeln. Beweiserhebung und Beweiswürdigung liegen beim Strafgericht.
Unterstützung durch die Krankenkasse
Die Krankenkasse sollen Versicherte bei Behandlungsfehlern unterstützen (vgl. § 66 SGB V). Voraussetzung ist jedoch, dass der Behandlungsfehler bei der Inanspruchnahme einer Leistung der Krankenkasse eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Leistung von einem anderen Sozialleistungsträger erbracht worden ist. Die Krankenkasse unterstützt Versicherte bei Behandlungsfehlern aufgrund einer Ermessensentscheidung (vgl. § 39 SGB I).
Den Krankenkassen steht nur ein eingeschränktes Ermessen zu. Der Versicherte ist bei Behandlungsfehlern zu unterstützen, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen.
Im Rahmen der Unterstützung führt die Krankenkasse weder den Prozess für den Versicherten noch beteiligt sie sich an den Kosten. Es spricht allerdings nichts dagegen, wenn die Krankenkasse in einem Verfahren, in dem sie übergegangene Schadensersatzansprüche geltend macht, auch die Interessen des Versicherten vertritt.
Die Krankenkasse ist berechtigt, Informationen zu geben, die Versicherten die Beweisführung beim Nachweis eines Behandlungsfehlers erleichtern. Zu diesen Informationen gehören u. a.
- Diagnose und Therapie,
- vorliegende Gutachten, z. B. des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse, und
- Erkenntnisse aus der Verfolgung eigener Schadenersatzansprüche nach § 116 SGB X.
Die Unterstützung des Versicherten bei Behandlungsfehlern beschränkt sich auf die Schadenersatzansprüche, die nicht nach § 116 SGB X auf die Krankenkasse übergegangen sind (z. B. Schmerzensgeldforderungen nach § 253 BGB).
Durchsetzung von Ansprüchen
Um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, können Patienten zunächst außergerichtlich und kostenfrei die Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern anrufen. Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist freiwillig und kostenfrei. Die Schlichtungsstelle holt entsprechende Gutachten ein.
Neben der Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle können Versicherte auch eine Schadensersatzklage bei einem Zivilgericht erheben. Diese ist auch bei einer negativen Entscheidung der Schlichtungsstelle möglich.
Das freiwillige Schlichtungsverfahren ist keine Voraussetzung für eine Klage auf Schadensersatz vor einem Zivilgericht.
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