Arbeitsunfall – Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung


Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Es sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Unfallereignis).

Ein Arbeitsunfall erfordert, dass

  • der Versicherte zum Kreis der in der Unfallversicherung versicherten Personen gehört (Versicherungsschutztatbestand),
  • die Verrichtung der Tätigkeit des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang),
  • die versicherte Tätigkeit zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und
  • das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Länger andauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) sind keine Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls. Eine besondere Form des Arbeitsunfalls ist in der gesetzlichen Unfallversicherung der Wegeunfall.

Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitsunfällen besteht nicht. Das gilt auch, wenn der Gesundheitsschaden auf eine Spende von Organen, Geweben oder Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen zurückzuführen ist. Der Ausschluss ist beim Verletztengeld nicht nur auf die Höhe beschränkt. Vielmehr besteht auch kein Anspruch auf Krankengeld, das über den Anspruch auf Verletztengeld hinausgeht (Krankengeld-Spitzbetrag).

Gesundheitsschaden

Gesundheitsschäden sind sowohl regelwidrige Zustände des Körpers als auch des Geistes oder der Seele. Als Gesundheitsschaden gilt auch der Verlust eines Hilfsmittels.

Zeitlich begrenztes Ereignis

Das Ereignis muss zeitlich begrenzt sein. Es wird nur bejaht, wenn es eine Arbeitsschicht nicht überschritten hat. Bei länger einwirkenden Ereignissen kommt u. U. eine Berufskrankheit in Betracht.

Von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis

Das Ereignis muss von außen einwirken. Das Merkmal wird insgesamt weit ausgelegt. „Von außen“ bringt zum Ausdruck, dass innere Ursachen (z. B. epileptischer Anfall, Herzinfarkt, Schlaganfall) nicht als Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen sind. Allerdings kann die innere Ursache ihrerseits durch einen äußeren Vorgang hervorgerufen worden sein, wenn z. B. eine besondere körperliche Anstrengung den epileptischen Anfall oder ein Stresszustand den Herzinfarkt verursacht hat.

Versicherte Tätigkeit

Als versicherte Tätigkeit gilt eine den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründende Tätigkeit. Im Kern geht es dabei um die Entscheidung, ob das Handeln einer Person noch vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst wird. Unstrittig ist dies bei Beschäftigten, insbesondere für die unmittelbar im Arbeitsvertrag geschuldete Tätigkeit.

Dienstreise/-weg

Unfallversicherungsschutz besteht immer dann, wenn Versicherte Tätigkeiten nachgehen, die für den Antritt der dienstlich veranlassten Auswärtstätigkeit maßgeblich sind. Nicht versichert sind Tätigkeiten, die eindeutig der Privatsphäre zuzuordnen sind und denen man sich beliebig zuwenden kann (z. B. Besichtigungen oder Ausflüge). Arbeitnehmer stehen auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie auf Veranlassung des Arbeitgebers an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen. Erfolgt die Weiterbildung aus eigener Initiative und auf eigene Kosten, besteht ebenfalls Versicherungsschutz, wenn sie die beruflichen Chancen verbessert und nicht rein privaten Interessen dient. Der Versicherungsschutz erstreckt sich auf die Zeit des Seminars selbst sowie auf die An- und Abreise.

Betriebssport

Betriebssport ist eine versicherte Tätigkeit, wenn dadurch ein Ausgleich zur einseitigen beruflichen Belastung geschaffen werden soll. Dies setzt einen zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit und eine gewisse Regelmäßigkeit voraus. Erforderlich ist zusätzlich eine betriebsbezogene Organisation und ein im Wesentlichen auf den Betrieb bezogener Teilnehmerkreis. Bei der einzelnen Betätigung darf der Wettbewerbscharakter nicht im Vordergrund stehen, deshalb ist die Teilnahme von Betriebssportgemeinschaften am allgemeinen Wettkampfbetrieb nicht versichert.

Gemeinschaftsveranstaltungen

Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden:

  • Der Arbeitgeber will die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zur Förderung der Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander durchführen (Einvernehmen mit der Unternehmensleitung).
  • Er hat zu der Veranstaltung alle Betriebsangehörigen oder bei Gemeinschaftsveranstaltungen für organisatorisch abgegrenzte Abteilungen des Betriebs alle Angehörigen dieser Abteilung eingeladen oder einladen lassen.
  • Die persönliche Teilnahme der Unternehmensleitung ist nicht erforderlich.

Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen. Die Teilnahme muss vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein.

Es fehlt am Einvernehmen mit der Unternehmensleitung, wenn sich einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ein informelles Beisammensein anschließt, dass nicht mehr zum Programm der Veranstaltung gehört. Der Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit ist damit gelöst.

Es reicht nicht aus, nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme anzubieten oder zugänglich zu machen. Nur in Ausnahmefällen, in denen Beschäftigte von vornherein nicht teilnehmen können, muss die umfassende Teilnahmemöglichkeit nicht für alle Mitarbeiter bestehen. Gründe dafür können sein, dass etwa aus Gründen der Daseinsvorsorge der Betrieb aufrechterhalten werden muss oder wegen der Größe der Belegschaft aus organisatorisch-technischen Gründen eine gemeinsame Betriebsveranstaltung ausscheidet. In diesen Fällen sind aber alle Beschäftigten einzuladen, deren Teilnahme möglich ist.

Heimarbeitsplatz

Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung beschränkt sich auf Unfälle im Arbeitsraum. Unfälle im übrigen Bereich der Wohnung sind nicht versichert. Der Versicherungsschutz beginnt mit dem Durchschreiten der Eingangstür des Arbeitsraums und endet mit dessen Verlassen. Ereignet sich der Unfall in Räumen, die gleichzeitig privaten und beruflichen Zwecken dienen, spricht die Vermutung so lange gegen einen Arbeitsunfall, wie nicht belegt worden ist, dass der Unfall tatsächlich bei einer beruflichen Arbeit geschehen ist.

Befördern/Reparieren von Arbeitsgeräten

Arbeitnehmer üben eine versicherte Tätigkeit aus, wenn sie ein Arbeitsgerät oder eine Schutzausrüstung verwahren, befördern, instand halten und erneuern oder sich ein Arbeitsgerät oder eine Schutzausrüstung auf Veranlassung durch den Unternehmer erstmals beschaffen.

Ausschluss des Arbeitsunfalls

Gelegenheitsursache

Sind mehrere Ursachen für das Unfallereignis maßgebend (z. B. Sturz während der Arbeitszeit infolge eines Herzinfarkts), ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu entscheiden, ob ein Arbeitsunfall eingetreten ist. Wenn das versicherte Unfallereignis die wesentliche Bedingung für die Unfallfolgen ist und der Gelegenheitsursache keine überragende Bedeutung zukommt, dann handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Vergleichbar sind willentlich herbeigeführte Einwirkungen (z. B. Selbstverstümmelung) oder konkurrierende Ursachen, die der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnen sind (z. B. Drogenkonsum). Ein Arbeitsunfall ist dagegen ausgeschlossen, wenn die Gelegenheitsursache die wesentliche Ursache für das Unfallereignis war.

Eigenwirtschaftliche Tätigkeit

Wenn der Unfallverletzte zum Unfallzeitpunkt höchst persönliche Verrichtungen (wie z. B. Essen) oder eigenwirtschaftliche Verrichtungen (wie z. B. Einkaufen) ausgeführt hat, dann fehlt es am sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit; ein Arbeitsunfall ist ausgeschlossen. Eigenwirtschaftliche Tätigkeiten unterbrechen die versicherte Tätigkeit und damit auch den Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz lebt wieder auf, wenn anschließend die versicherte Tätigkeit wieder ausgeübt wird. Das gilt auch, wenn sich ein Unfall auf einem Abweg vom eigentlichen Weg zur Arbeit oder zur Wohnung ereignet.

Gemischte Tätigkeit

Gibt der Verletzte für sein Handeln sowohl versicherte als auch private Gründe an (gemischte Tätigkeit; gemischte Motivationslage), ist zur Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls darauf abzustellen, ob die Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die privaten Gründe des Handelns nicht vorgelegen hätten.

Eigenverschulden

Ein Eigenverschulden (Fahrlässigkeit und grobe Fahrlässigkeit) des Versicherten ist in der gesetzlichen Unfallversicherung bei der Annahme eines Versicherungsfalls ohne Bedeutung. Auch bei eigenem Verschulden liegt ein Wegeunfall vor, wenn die übrigen Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall erfüllt sind. War jedoch Trunkenheit, Rauschgift- oder Tablettenmissbrauch die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls, entfällt der Versicherungsschutz. Gleiches gilt in den Fällen, in denen das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt wurde.

Alkohol

Ein Arbeitsunfall ist dann nicht gegeben, wenn die alkoholische Beeinflussung für den Eintritt des Unfalls derart bedeutsam war, dass demgegenüber die betrieblichen Umstände in den Hintergrund gedrängt und bedeutungslos werden. Ein typischer Fall der alkoholbedingten Herabsetzung der Leistungsfähigkeit ist die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern, weil der Alkoholgenuss ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. Von absoluter Fahruntüchtigkeit ist bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ auszugehen.

Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,1 ‰ sind:

  • Fahrweise des Versicherten, z. B. überhöhte Geschwindigkeit,
  • Fahren in Schlangenlinien,
  • plötzliches Bremsen,
  • Missachten von Vorfahrtszeichen oder einer roten Ampel,
  • Überqueren einer großen Kreuzung ohne Reduzierung der Geschwindigkeit,
  • Benehmen bei Polizeikontrollen,
  • sonstiges Verhalten, das eine alkoholbedingte Enthemmung und Kritiklosigkeit erkennen lässt.

Drogen

Ähnlich wie beim Alkoholgenuss beseitigt die Einnahme von legalen oder illegalen Drogen den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls, wenn sie zu einer Lösung vom Betrieb geführt hat. Cannabiskonsum ist die wesentliche Ursache eines Unfalls, wenn ein THC-Wert von mindestens 1 ng/ml im Blut festgestellt wurde und weitere Beweisanzeichen die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten belegen. Derartige Beweisanzeichen sind Gangunsicherheiten, Müdigkeit, Apathie, Denk-, Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Wahrnehmungsstörungen, leichte Ablenkbarkeit.

Vollrausch

Vollrausch und Leistungsausfall liegen dann vor, wenn der Versicherte so hochgradig betrunken ist, dass er zum Unfallzeitpunkt bzw. in naher Zukunft das Wesentliche seiner eigentlichen Tätigkeit nicht oder nur grob fehlerhaft verrichten kann. Konkret ist die Situation des Leistungsausfalls gegeben. Es liegt dann der Zustand der Volltrunkenheit vor, der zu einer Lösung vom Versicherungsschutz führt, d. h., ein Arbeitsunfall kann unter keinen Umständen mehr angenommen werden. Die Lösung vom Versicherungsschutz tritt durch den Zustand der Volltrunkenheit ein, ohne dass es z. B. eines Verweises von der Arbeitsstelle durch einen Vorgesetzten bedürfte.

Beweislast des Versicherten

Der Unfallversicherungsträger hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislastverteilung geht die Unbeweisbarkeit eines anspruchsbegründenden Tatbestands zulasten des Versicherten.

Anzeigepflicht des Unternehmers

Unternehmer sind nach § 193 SGB VII verpflichtet, einen Arbeits- oder Wegeunfall dann anzuzeigen, wenn ein Beschäftigter getötet oder so schwer verletzt wird, dass er für mehr als 3 Tage arbeitsunfähig ist. Ein Exemplar ist an den zuständigen Unfallversicherungsträger zu senden. Ein Exemplar dient der Dokumentation im Unternehmen. Unterliegt das Unternehmen der allgemeinen Arbeitsschutzaufsicht, ist ein Exemplar an die für den Arbeitsschutz zuständige Landesbehörde zu senden. Der allgemeinen Arbeitsschutzaufsicht unterliegen z. B. landwirtschaftliche Betriebe, soweit sie Arbeitnehmer beschäftigen. Zu den zuständigen Landesbehörden zählen beispielsweise die Gewerbeaufsichtsämter und die Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz.

Der verunglückte Mitarbeiter hat das Recht auf eine Kopie der Unfallanzeige. Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmer darauf hinzuweisen.

Haftungsausschluss

Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursacht haben, sind zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Das gleiche Haftungsprivileg genießt der Unternehmer, in dessen Betrieb sich der Arbeitsunfall ereignet hat. Der Forderungsübergang nach § 116 SGB X ist jeweils ausgeschlossen. Damit können zivilrechtliche Ansprüche (z. B. Schmerzensgeld) durch den Geschädigten nur bei Vorsatz oder im Zusammenhang mit Wegeunfällen geltend gemacht werden.

Foto: ClipDealer

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