Corona – Entgeltfortzahlung während der Krise


Stefan Bayer, pixelio.de

Arbeitnehmer, deren Betrieb wegen eines Infektionsverdachts geschlossen wird, die unter Quarantäne gestellt sind oder deren Kinder die Kindertagesstätte oder die Schule nicht besuchen dürfen, können unterschiedliche Leistungen beanspruchen, um ihren Einkommensausfall auszugleichen.

Maßnahmen der Gesundheitsämter

Die Gesundheitsämter können verschiedene Schutzmaßnahmen ergreifen, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern (§§ 28 ff. IfSG). Dazu gehören die häusliche Quarantäne, berufliche Tätigkeitsverbote oder geschlossene Kindertageseinrichtungen oder Schulen. Betroffene Arbeitnehmer müssen nicht zwangsläufig krank und behandlungsbedürftig sein. Es reicht vielmehr bereits der Kontakt zu einer ansteckungsverdächtigen Person, der Verdacht auf eine Infektion oder das Ausscheiden von Krankheitserregern, ohne selbst krank zu sein (BSG, Urteil v. 28.9.2010, B 1 KR 5/10).

In der aktuellen Corona-Krise setzen die Gesundheitsämter auf die Absonderung (Quarantäne) von Krankheits- und Ansteckungsverdächtigen (§ 56 Abs 1 Satz 2 IfSG). Grundlage im konkreten Einzelfall ist ein Bescheid der zuständigen Behörde (Gesundheitsamt). Ein Arbeitnehmer ist während dieser Zeit nicht arbeitsunfähig und hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG.

Entgeltersatz

Verdachtsfälle/Quarantäne

Homeoffice

Wird ein Arbeitnehmer z. B. wegen des Kontakts zu einer krankheitsverdächtigen Person unter häusliche Quarantäne gestellt, kann er während dieser Zeit nicht seiner Arbeitspflicht im Betrieb nachkommen. Die Situation ist unproblematisch, wenn der Arbeitnehmer stattdessen auf einen häuslichen Arbeitsplatz (Homeoffice) ausweichen kann.

Anspruch auf Arbeitsentgelt

Fehlt es an einem Heimarbeitsplatz, richtet sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 616 BGB. Danach hat der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, wenn er unverschuldet keine Arbeit leisten kann. Davon ist zweifellos bei einer häuslichen Quarantäne auszugehen. Als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit wird in der Praxis ein Zeitraum von 3 Arbeitstagen bis zu 2 Wochen angenommen. Allerdings kann dieser Anspruch sowohl durch einen Arbeitsvertrag als auch durch einen Tarifvertrag ausgeschlossen werden, wovon im Arbeitsleben vielfach Gebrauch gemacht wird.

Auszubildende erhalten während dieser Zeit weiterhin für längstens 6 Wochen ihre Vergütung. Der Anspruch darauf kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG).

Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz

Hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt nach § 616 BGB, wird ihm eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 IfSG) gezahlt. Die Entschädigung richtet sich nach dem ausgefallenen Arbeitsentgelt und wird durch den Arbeitgeber für längstens 6 Wochen ausgezahlt. Der Arbeitgeber kann beim Gesundheitsamt einen Antrag stellen und sich die Entschädigung erstatten lassen.

Wenn ein Arbeitgeber seinen Betrieb oder Betriebsteile vorsorglich ohne eine behördliche Verfügung schließt, gerät er gegenüber seinen arbeitswilligen Arbeitnehmern in Annahmeverzug und hat während dieser Zeit das Arbeitsentgelt zu zahlen (§§ 293 ff. BGB).

Mutterschutz

Während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung zahlt die Krankenkasse Mutterschaftsgeld von höchstens 13 EUR kalendertäglich. Den Unterschied zum Netto-Arbeitsentgelt der letzten drei Kalendermonate gleicht der Arbeitgeber durch einen Zuschuss aus.

Das Arbeitsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten drei Kalendermonate ist auch bei einem betrieblichen oder ärztlichen Beschäftigungsverbot fortzuzahlen (Mutterschutzlohn).

Ein betriebliches Beschäftigungsverbot kann sich u. a. für schwangere Frauen ergeben, die Tätigkeiten mit Personenkontakt (wie im Gesundheitssektor) oder Tätigkeiten mit Publikumskontakt ausführen. Dabei sind Art und Häufigkeit der Kontakte zu berücksichtigen. Spätestens, wenn sich die Ausbreitung von COVID-19 zu einer regionalen Epidemie größeren Ausmaßes entwickelt, sollte unabhängig vom Auftreten einer Erkrankung oder eines Verdachtsfalls im Betrieb in Absprache mit dem Betriebsarzt ein bis zum Abklingen der epidemischen Welle dauerndes betriebliches Beschäftigungsverbot für alle schwangeren Frauen im Betrieb ausgesprochen werden.

Krankheitsfälle

Bestätigt sich der Infektionsverdacht, ist der Arbeitnehmer von da an arbeitsunfähig krank. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt richtet sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (§§ 3 ff. EFZG). Der Arbeitgeber zahlt für längstens 6 Wochen das ausgefallene Arbeitsentgelt. Davon ist uneingeschränkt auszugehen, wenn keine Quarantäne angeordnet wird (z. B. bei einer Krankenhausbehandlung), oder wenn die Quarantäne während der Arbeitsunfähigkeit angeordnet wird. Tritt die Arbeitsunfähigkeit dagegen während einer angeordneten Quarantäne ein (weil sich z.B. Symptome wie Fieber zeigen), wird die Entschädigung zunächst bis zum Ende der angeordneten Quarantäne weitergezahlt. Vorerkrankungszeiten sind nicht anzurechnen, ebenso wie die Zeit, in der eine Entschädigung nach dem IfSG geleistet wurde. Das fortgezahlte Arbeitsentgelt wird dem Arbeitgeber von der Krankenkasse erstattet, wenn er am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach dem U1-Verfahren teilnimmt (§§ 1 ff. AAG).

Zunächst ist davon auszugehen, dass es bei einer Viruserkrankung keine Vorerkrankungen gibt, die auf den Anspruch anzurechnen sind. Von einer Vorerkrankung kann allerdings ausgegangen werden, wenn eine Infektion nicht ausgeheilt wird und es zu einem Rückfall kommt.

Eine selbstverschuldete Krankheit entbindet den Arbeitgeber von der Pflicht, Entgeltfortzahlung zu leisten. Ein Selbstverschulden ist auch bei einer Virusinfektion nicht ausgeschlossen. Beweispflichtig ist der Arbeitgeber.

Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung tritt die Krankenkasse mit Krankengeld ein (§§ 44 ff. SGB V).

Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit

Die Arbeitsunfähigkeit ist dem Arbeitgeber anzuzeigen und nachzuweisen (§ 5 Abs. 1 EFZG). Anzuzeigen ist unverzüglich, auch vor dem ersten Arztbesuch. Dabei ist die voraussichtliche Dauer anzugeben. Ein Telefonat ist ausreichend. Spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit ist eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber kann die ärztliche Bescheinigung bereits vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an verlangen. Entgelt ist nicht zu zahlen, solange die ärztliche Bescheinigung nicht vorgelegt wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Wird die Bescheinigung verspätet eingereicht, ist das Entgelt nachzuzahlen. Die Regelungen zu Anzeige, Nachweis und Leistungsverweigerung gelten auch für eine fortgesetzte Arbeitsunfähigkeit.

Die Arbeitsunfähigkeit kann durch den Arzt auch nach einem telefonischen Kontakt für längstens 7 Tage bescheinigt werden. Das Verfahren ist auf die Fälle beschränkt, in denen bei den Versicherten eine Erkrankung der oberen Atemwege vorliegt, welche keine schwere Symptomatik vorweist.

Kinderbetreuung

Entgeltfortzahlung

Wird eine Kindertagesstätte oder eine Schule geschlossen, ist ein Kind ggf. im häuslichen Bereich zu betreuen. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt des Elternteils, das die Betreuung übernimmt, richtet sich nach § 616 BGB, falls der Anspruch nicht vertraglich ausgeschlossen ist. Auszubildende erhalten weiter für längstens 6 Wochen ihre Ausbildungsvergütung (§ 19 BBiG). Ansonsten ist der Arbeitnehmer darauf angewiesen, Überstunden abzubauen oder bezahlten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ansprüche auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsvergütung (einschließlich eines Arbeitszeitguthabens) sind vorrangig vor einer Entschädigung. Ein Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (Kinderpflegekrankengeld) besteht während dieser Zeit nicht, da das Kind nicht wegen einer Krankheit zu Hause betreut werden muss (§ 45 SGB V).

Entschädigung in der Zeit vom 30.3. bis 31.12.2020

Erwerbstätige Sorgeberechtigte haben einen Anspruch auf Entschädigung, wenn eine Kindertagesstätte oder eine Schule geschlossen wird, sie während dieser Zeit ihre Kinder selbst betreuen müssen und Arbeitsentgelt nicht gezahlt wird (§ 56 Abs. 1a Satz 1 IfSG).

Anspruchsberechtigt sind erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und deshalb auf Hilfe angewiesen sind. Sorgeberechtigt ist derjenige, dem die Personensorge für ein Kind zusteht (§ 1631 BGB). Steht das Kind in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und wurde in den Haushalt aufgenommen, steht den Pflegeeltern der Anspruch auf Entschädigung zu (§ 56 Abs. 1a Satz 4 IfSG).

Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können (§ 56 Abs. 1a Satz 2 IfSG).

Eine zumutbare Betreuungsmöglichkeit ist die sog. Notbetreuung in der Kindertagesstätte oder der Schule. Die Entschädigung ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn auf den anderen Elternteil, andere Familienmitglieder oder Verwandte zurückgegriffen werden kann. Personen, die einer Risikogruppe angehören, gelten nicht als zumutbare Betreuungsmöglichkeit (z. B. Großeltern). Während einer Kurzarbeit wird keine Entschädigung gezahlt.

Der Entschädigungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Kindertagesstätte oder Schule regelmäßig während der Schulferien geschlossen wäre (§ 56 Abs. 1a Satz 3 IfSG).

Die Entschädigung wird in Höhe von 67 % des Verdienstausfalls für längstens 6 Wochen gezahlt (§ 56 Abs. 2 Satz 4 IfSG). Der monatliche Höchstbetrag ist auf 2.016 EUR begrenzt.

Arbeitnehmer sind während der Entschädigungsleistung weiterhin sozialversichert (§ 57 Abs. 6 IfSG). Bemessungsgrundlage für die Beiträge sind 80 % des Arbeitsentgelts, von dem die Entschädigung berechnet wurde.

Die Entschädigung wird vom Arbeitgeber ausgezahlt und diesem von der zuständigen Behörde (z. B. Gesundheitsamt) erstattet (§ 56 Abs. 5 IfSG).