Verwaltungsrat – Beschlüsse rechtmäßig fassen


571543_web_R_K_B_by_Gerd Altmann_pixelio.deDer Verwaltungsrat ist das Selbstverwaltungsorgan einer Krankenkasse (vgl. § 31 Abs. 3a Satz 1 SGB IV). Es ist ein Kollegialorgan, das durch Beschlüsse handelt. Der Verwaltungsrat ist dabei an die Beachtung des Gesetzes und des sonstigen für ihn maßgebenden Rechts gebunden (vgl. § 29 Abs. 3 SGB IV; juristische oder funktionale Selbstverwaltung).

Der Verwaltungsrat ist als instituts- und nicht personenbezogenes Organ der Krankenkassen „ständiges“ Organ des jeweiligen Versicherungsträgers und somit unabhängig vom personellen Wechsel der Organmitglieder. Dementsprechend haben auch die Akte der Willensbildung in Gestalt von Beschlüssen unabhängig von personellen Veränderungen Bestand.

Für die rechtmäßige Beschlussfassung ist neben gesetzlichen Regelungen die Geschäftsordnung des Verwaltungsrats von besonderer Bedeutung. Für rechtswidriges Handeln haften die Mitglieder des Verwaltungsrats gesamtschuldnerisch.

Geschäftsordnung

Der Verwaltungsrat gibt sich eine Geschäftsordnung (vgl. § 63 Abs. 1 SGB IV). Deren Aufgabe ist es, das Verfahren bei der Arbeit des Organs zu regeln. Eine Mitwirkung anderer Organe an der Geschäftsordnung entfällt; staatliche Genehmigungsvorbehalte existieren nicht. Zum Inhalt der Geschäftsordnung gehören u. a. Regeln über die

  • Einberufung von Organsitzungen,
  • Tagesordnung von Sitzungen,
  • Einladung der Organmitglieder und Beratungsunterlagen,
  • Vertretung von Organmitgliedern,
  • Leitung und Durchführung der Sitzungen,
  • Teilnahme organfremder Personen an Sitzungen,
  • Beratung,
  • Abstimmung und Beschlussfassung in Sitzungen oder im schriftlichen Verfahren und
  • Fertigung einer Niederschrift.

Da die Geschäftsordnung Organ interne Angelegenheiten regelt, entfaltet sie keine Außenwirkung. Die Bindungswirkung erfasst lediglich die Mitglieder des jeweiligen Organs für die Dauer der Zugehörigkeit.

Die Geschäftsordnung gehört nicht zum autonomen Recht. Allerdings handelt es sich wie bei parlamentarischen Geschäftsordnungen um rechtlich verbindliche Regeln, die im Rang dem Gesetz sowie der Satzung des Versicherungsträgers nachgehen. Ein Verstoß der Geschäftsordnung gegen höherrangiges Recht ist von der Aufsichtsbehörde zu beanstanden (vgl. § 89 Abs. 1 SGB IV).

Bei der Beschlussfassung sind Gesetz und sonstiges Recht einschließlich der Geschäftsordnung zu beachten. Ein bloßer Verstoß gegen die Geschäftsordnung führt nicht zur Unwirksamkeit von Beschlüssen. Die Geschäftsordnung enthält allerdings auch norminterpretierende Regelungen wie z. B. Aussagen zur ordnungsgemäßen Einladung der Organmitglieder zu Sitzungen. Ein Verstoß gegen entsprechende Vorschriften stellt einen Verstoß gegen gesetzliche Regelungen dar und führt zur Unwirksamkeit von Organbeschlüssen.

Da der Verwaltungsrat ein institutsbezogenes Organ ist und vom Wechsel der Mitglieder unabhängig besteht, gilt die Geschäftsordnung auch über die laufende Wahlperiode hinaus. Ähnlich wie im Bundestag gilt die Geschäftsordnung auch ohne Beschluss für den neu gewählten Verwaltungsrat weiter (gewissermaßen durch stillschweigende Übernahme). Dem Verwaltungsrat ist allerdings das Recht unbenommen, die Geschäftsordnung zu ändern.

Einberufung des Verwaltungsrats

Der Verwaltungsrat wird von seinem Vorsitzenden nach Bedarf einberufen (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Davon sind nur bestimmte Organsitzungen ausgenommen. Die erste Sitzung des neu gewählten Verwaltungsrats wird vom Vorsitzenden des Wahlausschusses einberufen (vgl. § 75 Abs. 2 Satz 1 SVWO). Die Aufsichtsbehörde kann verlangen, dass der Verwaltungsrat zu Sitzungen einberufen wird (vgl. § 89 Abs. 3 Satz 1 SGB IV) oder diese selbst anberaumen und die Verhandlungen leiten (vgl. § 89 Abs. 3 Satz 2 SGB IV).

Der Sitzungsbedarf ergibt sich aus dem Entscheidungsbedarf der Krankenkasse. Danach wird der Verwaltungsrat mindestens zweimal im Jahr zusammentreten, um den Haushaltsplan festzustellen (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) und aufgrund der Jahresrechnung über die Entlastung des Vorstands zu beschließen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Geschäftsordnung kann den Begriff „nach Bedarf“ definieren oder zeitliche Mindestabstände für die Organsitzungen vorsehen.

Die Kompetenzen der Vorsitzenden, Organsitzungen einzuberufen, werden durch ein Minderheitenvotum begrenzt. Der Verwaltungsrat muss einberufen werden, wenn 1/3 der Mitglieder es verlangt (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Damit ist für die Minderheit nicht die Befugnis verbunden, über Zeitpunkt, Versammlungsort oder Tagesordnung zu bestimmen. Die Einberufung durch den Vorsitzenden hat vielmehr „unverzüglich“ zu erfolgen, und der Sitzungstag muss innerhalb einer „angemessenen“ Frist liegen.

Öffentlichkeit der Sitzungen

Grundsatz

Die Sitzungen des Verwaltungsrats sind öffentlich (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Von diesem zwingenden Rechtssatz kann der Verwaltungsrat nur aufgrund gesetzlicher Regelungen abweichen. Öffentlichkeit ist herzustellen, indem für jeden die rechtliche Möglichkeit freien Zutritts geschaffen wird. Dazu muss durchgehend gewährleistet sein, dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten deutlich erkennbar gestattet ist. Ein Mitwirkungsrecht organfremder Personen an der Beratung oder der Beschlussfassung ergibt sich dadurch nicht.

Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, wenn sich der Verwaltungsrat mit personellen Angelegenheiten, Grundstücksgeschäften oder geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen befasst (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Für weitere Beratungspunkte kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 3 SGB IV).

Personelle Angelegenheiten der Krankenkasse betreffen eine bestimmte Person und deren Angelegenheiten. Es kann sich um ein Organmitglied, einen Beschäftigten oder den Bewerber um einen Arbeitsplatz handeln. Generelle Regelungen wie z. B. die Beschlussfassung über die Entschädigung der ehrenamtlich Tätigen (vgl. § 41 Abs. 4 Satz 1 SGB IV) sind keine personellen Angelegenheiten. Das gilt ebenso für die Wahl des hauptamtlichen Vorstands, wenn sich der Verwaltungsrat nicht gleichzeitig mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen befasst, die ein Mitglied des Vorstands betreffen.

Geheimhaltungsbedürftige Tatsachen dürfen nur in nicht-öffentlicher Sitzung verhandelt werden, es sei denn, eine Offenbarung ist zulässig. Zu den geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen gehören Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse (personenbezogene Daten), die als Sozialgeheimnis zu wahren sind und nicht unbefugt offenbart werden dürfen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Eine Offenbarung ist nur zulässig, wenn der Betroffene im Einzelfall eingewilligt hat oder soweit eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis vorliegt (vgl. §§ 67 ff. SGB X).

Der Verwaltungsrat kann für weitere, im Gesetz nicht genannte Beratungspunkte die Öffentlichkeit ausschließen. Dazu ist ein Beschluss aufgrund eines entsprechenden Punktes der Tagesordnung erforderlich. Der Beschluss wird in nicht-öffentlicher Sitzung gefasst und ist in öffentlicher Sitzung ohne Begründung bekannt zu geben (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 3 SGB IV). Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist in das Ermessen des Verwaltungsrats gestellt. Wegen der grundsätzlichen Öffentlichkeit der Sitzung darf der Ausschluss nur einzelne Beratungspunkte betreffen und keinesfalls im Ergebnis zu einer nicht öffentlichen Sitzung führen.

Teilnahme organfremder Personen

Ein Recht auf Teilnahme organfremder Personen am nicht öffentlichen Teil der Sitzung des Verwaltungsrats besteht nicht. Davon ist nur die Aufsichtsbehörde ausgenommen, die im Rahmen der Rechtsaufsicht (vgl. § 87 Abs. 1 SGB IV) verlangen kann, dass der Verwaltungsrat zu einer Sitzung einberufen wird oder Sitzungen selbst anberaumen und leiten kann (vgl. § 89 Abs. 3 SGB IV). Daraus ist die Befugnis abzuleiten, auch am nicht öffentlichen Teil einer Sitzung des Verwaltungsrats teilzunehmen.

Der Verwaltungsrat hat darüber hinaus das Recht, im Einzelfall aufgrund eines Beschlusses organfremde Personen auch zum nicht öffentlichen Teil einer Sitzung zuzulassen. Eine Selbstbindung durch generelle Regelungen in der Satzung oder der Geschäftsordnung ist nicht zulässig. Entsprechende Regelungen können allenfalls die Grundlage für die Beschlussfassung bilden.

Der Verwaltungsrat kann zu Tagesordnungspunkten, bei denen wesentliche Fragen der Gesundheit berührt werden, einen auf den jeweiligen Gebieten der Sozialmedizin und der Sozialversicherung fachlich einschlägig erfahrenen Arzt mit beratender Stimme hinzuziehen (vgl. § 63 Abs. 5 SGB IV). Die Hinzuziehung ist in das Ermessen des Verwaltungsrats gestellt und setzt einen Beschluss des Organs voraus. Der hinzugezogene Arzt hat beratende Stimme; an der Abstimmung ist er nicht beteiligt.. Er hat das Recht und die Pflicht sich zu allen aus seiner Sicht relevanten Gesichtspunkten zu äußern.

Beschlussfähigkeit des Verwaltungsrats

Der Verwaltungsrat ist beschlussfähig, wenn sämtliche Mitglieder ordnungsgemäß geladen sind und die Mehrheit der Mitglieder anwesend und stimmberechtigt ist (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht können Abweichendes bestimmen. Dem Sozialgesetzbuch sind keine abweichenden Bestimmungen zu entnehmen. Die Satzung der Krankenkasse könnte allerdings die Beschlussfähigkeit ergänzend regeln. Dabei darf sie nicht hinter den gesetzlichen Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zurückbleiben.

In die Geschäftsordnung des Verwaltungsrats dürfen vom Gesetz abweichende Regelungen zur Beschlussfähigkeit nicht aufgenommen werden, da es sich bei der Geschäftsordnung nicht um autonomes Recht des Versicherungsträgers handelt. Wenn Geschäftsordnungen dennoch Aussagen zur Beschlussfähigkeit treffen, handelt es sich um deklaratorische Regelungen, die der Gesetzeslage entsprechen müssen.

Es ist ausreichend, wenn die Beschlussfähigkeit zu Beginn einer Organsitzung festgestellt wird. Beschlussfähigkeit muss allerdings bei jedem einzelnen Beschluss gegeben sein. Veränderungen während der Organsitzung müssen also hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Beschlussfähigkeit geprüft und protokolliert werden.

Form- und fristgerechte Einladung

Die Einladung zu einer Organsitzung muss sowohl form- als auch fristgerecht erfolgen. Das Sozialgesetzbuch enthält dazu keine Regelungen. Deshalb sind sowohl die zu beachtende Form als auch die Frist in der Geschäftsordnung festzulegen. In aller Regel wird die Einladung schriftlich ausgesprochen. Eine Tagesordnung, ggf. ergänzt um Beratungsunterlagen, ist beizufügen. Ob und ggf. nach welchem Verfahren die Tagesordnung ergänzt werden kann, ist ebenfalls der Geschäftsordnung zu entnehmen.

Ein Mangel in der Ladung führt zur Beschlussunfähigkeit des Verwaltungsrats. Nach der herrschenden Rechtsauffassung gilt ein Mangel in der ordnungsgemäßen Ladung allerdings als geheilt, wenn der Mangel nicht spätestens bei Sitzungsbeginn beanstandet wird. Ob Organbeschlüsse, die trotz eines Mangels in der Ladung gefasst werden, wirksam sind, lässt sich dem Sozialgesetzbuch nicht entnehmen. Es ist deshalb zur Beurteilung auf andere Materialien zurückzugreifen.

Da das Sozialgesetzbuch die Beschlussfähigkeit der Selbstverwaltungsorgane der Krankenkassen von einer ordnungsgemäßen Ladung abhängig macht, hat ein Mangel in der Ladung die Beschlussunfähigkeit des Organs zur Folge. Trotzdem gefasste Beschlüsse sind, anders als beim Bundestag, unwirksam. Ein Mangel in der Ladung kann jedoch in entsprechender Anwendung der Vorschriften über das Verwaltungsverfahren nachträglich geheilt werden, wodurch er unbeachtlich wird. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Mangel in der Ladung bis zum Sitzungsbeginn nicht beanstandet wird.

Wenn der Mangel in der Ladung jedoch auf einem besonders schwerwiegenden Fehler beruht und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist, ist das Organ beschlussunfähig. Eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich. Trotzdem gefasste Beschlüsse sind unwirksam, weil eine wirksame Willensbildung nicht stattgefunden hat. Ihr Vollzug hätte Schadensersatzansprüche bzw. eine Amtsentbindung oder Amtsenthebung zur Folge.

Einladung sämtlicher Organmitglieder

Zu den Organsitzungen sind sämtliche Mitglieder oder im Vertretungsfall deren Stellvertreter einzuladen. Zu den zu ladenden Mitgliedern gehören auch Personen, die ihres Amtes entbunden oder enthoben sind, solange der entsprechende Beschluss noch nicht unanfechtbar ist. Das gilt ebenso für diejenigen, die bei bestimmten Tagesordnungspunkten von der Teilnahme an der Beratung und der Abstimmung ausgeschlossen sind.

Die Mitgliedschaft amtsentbundener oder amtsenthobener Organmitglieder endet erst, wenn ein entsprechender Beschluss gefasst wurde und dessen Unanfechtbarkeit eingetreten ist (vgl. § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV). Die Ausführung des Beschlusses ist ein Verwaltungsakt. Dessen Unanfechtbarkeit tritt frühestens mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ein, wenn ein Rechtsbehelf nicht oder nicht fristgerecht eingelegt wurde (vgl. § 77 SGG). Wird dagegen ein Rechtsbehelf eingelegt, tritt Unanfechtbarkeit mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist aufgrund des Widerspruchsbescheides oder mit Rechtskraft eines Urteils ein.

Amtsentbundene oder amtsenthobene Organmitglieder sind bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Beschlusses zu den Organsitzungen einzuladen. Sie haben ein Recht auf Teilnahme. Davon kann nur bei einer Amtsenthebung abgesehen werden, wenn der Verwaltungsrat die sofortige Vollziehung des Beschlusses angeordnet hat (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Damit ist das Organmitglied bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des Beschlusses gehindert, sein Amt auszuüben. Eine Einladung hat an den Stellvertreter zu ergehen.

Ein Widerspruch gegen die Amtsenthebung und die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Die aufschiebende Wirkung kann durch das Sozialgericht auf Antrag angeordnet werden (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).

Anwesenheit und Stimmberechtigung der Mehrheit der Organmitglieder

Die Beschlussfähigkeit eines Selbstverwaltungsorgans setzt Anwesenheit und Stimmberechtigung der Mehrheit der Mitglieder des Organs voraus (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die erforderliche Mehrheit richtet sich nach der satzungsmäßigen Mitgliederzahl des jeweiligen Organs, sodass bei hälftiger Parität beide im Organ vertretenen Gruppen repräsentiert sind. Eine Ausnahme gilt nur bei Betriebskrankenkassen, die sich nicht für das Wahlrecht geöffnet haben (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 6 SGB IV).

Ausschluss bei Interessenkonflikten

Ein Ausschluss von der Teilnahme an einer Organsitzung und damit von der Stimmberechtigung ist bei einem zu befürchtenden Interessenkonflikt möglich (vgl. § 63 Abs. 3a, 4 SGB IV). Hinsichtlich der Teilnahme der Mitglieder des hauptamtlichen Vorstands an Sitzungen des Verwaltungsrats ist § 63 Abs. 4 Satz 1 SGB IV auf diese sinngemäß anzuwenden.

Danach ist ein Organmitglied dann von der Beratung sowie der Abstimmung ausgeschlossen, wenn ein Beschluss ihm selbst, einer ihm nahestehenden Person (vgl. § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) oder einer von ihm vertretenen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.

Das Mitglied eines Selbstverwaltungsorgans darf bei der Beratung und Abstimmung nicht anwesend sein, wenn hierbei personenbezogene Daten eines Arbeitnehmers offengelegt werden, der ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist (vgl. § 63 Abs. 3a SGB IV).

Amtsenthebung

Hat der Verwaltungsrat die sofortige Vollziehung eines Beschlusses über die Amtsenthebung eines Organmitglieds angeordnet (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 SGB IV), kann das Amt nicht ausgeübt werden. Damit sind Anwesenheit und Stimmberechtigung ausgeschlossen. Entsprechende Organmitglieder dürfen bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit nicht berücksichtigt werden.

Anordnung der Beschlussfähigkeit

Ist der Verwaltungsrat hinsichtlich der gesamten Tagesordnung oder einzelner Tagesordnungspunkte beschlussunfähig, kann der Vorsitzende für die nächst Sitzung Beschlussfähigkeit anordnen (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Die Anordnung hat zur Folge, dass in der nächsten Sitzung des Selbstverwaltungsorgans über den Gegenstand der Abstimmung auch dann beschlossen werden kann, wenn erneut Beschlussunfähigkeit gegeben sein sollte. Auf die Anordnung der Beschlussfähigkeit ist in der Ladung zur nächsten Sitzung hinzuweisen.

Beschlussfassung

Die Beschlüsse werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Das Gesetz oder die Satzung der Krankenkasse können abweichende Bestimmungen enthalten, die aber nicht hinter der gesetzlichen Regelung über die erforderliche Mehrheit zurückbleiben dürfen. Jedes Organmitglied verfügt über eine Stimme. Davon ist nur der Arbeitgeber als Mitglied eines Selbstverwaltungsorgans einer Betriebskrankenkasse, die sich nicht für das Wahlrecht geöffnet hat, ausgenommen. Er verfügt in seiner Person über die gleiche Zahl der Stimmen wie die Vertreter der Versicherten, kann aber bei Abstimmungen nur so viel Stimmen abgeben, wie den anwesenden Vertretern der Versicherten zustehen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 2, 6 SGB IV).

Mehrheit der abgegebenen Stimmen

Bezugsgröße für die Feststellung der erforderlichen Mehrheit ist die Zahl der abgegebenen Stimmen. In diesem Zusammenhang sind die satzungsmäßige Mitgliederzahl des Verwaltungsrats oder die Zahl der anwesenden und stimmberechtigten Organmitglieder unerheblich. Wie im Bundestag gelten Stimmenthaltungen oder ungültige Stimmen nicht als abgegebene Stimmen. Bei der Feststellung der abgegebenen Stimmen werden somit nur die gültigen Ja- oder Neinstimmen gezählt. Ein Beschluss ist gefasst, wenn wenigstens eine Ja-Stimme mehr abgeben wurde als an Neinstimmen.

Stimmengleichheit

Aufgrund der paritätischen Besetzung der Selbstverwaltungsorgane oder aufgrund der Verteilung der Stimmen in den Selbstverwaltungsorganen von Betriebskrankenkassen kann es zur Stimmengleichheit kommen. In diesem Fall ist die Abstimmung nach erneuter Beratung zu wiederholen (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Bei erneuter Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt.

Abweichende Bestimmungen

Die erforderliche Mehrheit ist entweder nach § 64 Abs. 2 SGB IV oder aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen zu bestimmen. Das Gesetz sieht in verschiedenen Vorschriften von § 64 Abs. 2 SGB IV abweichende qualifizierte Mehrheiten vor. Dem Gesetzestext ist zu entnehmen, ob für die Beurteilung auf die Bezugsgröße der satzungsmäßigen Mitgliederzahl oder die abgegebenen Stimmen abzuheben ist.

Form der Beschlussfassung

Die Beschlüsse der Selbstverwaltungsorgane werden in Sitzungen unter Anwesenden gefasst. Abwesende können ihre Stimme nicht abgeben. In Ausnahmefällen kann auch außerhalb von Sitzungen schriftlich abgestimmt werden. Die schriftliche Abstimmung kann durch ein Minderheitenvotum verhindert werden. Eine Verbindung von Sitzungen und schriftlichen Abstimmungen ist nicht möglich.

Der Verwaltungsrat kann außerhalb von Sitzungen schriftlich abstimmen, soweit die Satzung es zulässt (vgl. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Ein Anwendungsermessen ergibt sich für den Verwaltungsrat nur in dem Rahmen, den die Satzung vorsieht. Eine schriftliche Abstimmung außerhalb dieses Rahmens ist ausgeschlossen. Wenn 1/5 der Mitglieder des Verwaltungsrats der schriftlichen Abstimmung widerspricht, ist über die Angelegenheit in der nächsten Sitzung zu beraten und abzustimmen (vgl. § 64 Abs. 3 Satz 3 SGB IV).

Ausführung von Beschlüssen

Die Ausführung der Beschlüsse des Verwaltungsrats obliegt dem Vorstand, ohne dass es eines besonderen Auftrags bedarf, wenn sie den Zuständigkeitsbereich des Vorstands betreffen und zur Verwaltung der Krankenkasse gehören. In allen übrigen Fällen muss der Verwaltungsrat selbst handeln, ggf. durch seine Vorsitzenden. Soll der Vorstand einen Beschluss des Verwaltungsrats ausführen, der nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, bedarf es dazu eines Auftrags (vgl. § 662 BGB).

Die Ausführung von Beschlüssen und die damit verbundene gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Krankenkasse obliegen dem gesamten Verwaltungsrat (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB IV). Das Vertretungsrecht des Verwaltungsrats betrifft ausschließlich die Vertretung der Interessen der Krankenkasse gegenüber dem Vorstand. Der Verwaltungsrat kann in der Satzung oder im Einzelfall durch einen Beschluss bestimmen, dass das Vertretungsrecht gemeinsam durch die Vorsitzenden des Verwaltungsrats ausgeübt wird (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB IV).

Rechtswidrige Beschlüsse

Willenserklärungen, die aufgrund rechtswidriger oder nichtiger Beschlüsse oder ohne Vertretungsmacht abgegeben werden, sind bis zur rechtmäßigen Genehmigung durch den Vertretenen unwirksam (vgl. § 177 Abs. 1 BGB). Dazu ist es erforderlich, eine gesetzmäßige Beschlusslage sowohl in der Sache als auch zur Ausführung des Beschlusses herzustellen. Fehlt es daran, ist die Willenserklärung nichtig (vgl. § 134 BGB). Schadenersatzansprüche richten sich an den Erklärenden, der als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat (vgl. § 179 BGB).

Der Vorsitzende des Verwaltungsrats ist verpflichtet, rechtswidrige Organbeschlüsse schriftlich und mit Begründung zu beanstanden sowie eine Frist zur Herstellung einer rechtmäßigen Beschlusslage zu setzen (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Der beanstandete Beschluss kann bis zur erneuten Beschlussfassung nicht ausgeführt werden, da von der Beanstandung eine aufschiebende Wirkung ausgeht (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Verbleibt das Selbstverwaltungsorgan bei seinem Beschluss, hat der Vorsitzende des Verwaltungsrats die Aufsichtsbehörde zu unterrichten (vgl. § 38 Abs. 2 Satz 1 SGB IV), die im Rahmen der Rechtsaufsicht mit den zur Verfügung stehenden Aufsichtsmitteln und Aufsichtsmaßnahmen (vgl. §§ 88, 89 SGB IV) reagieren kann. Die aufschiebende Wirkung der Beanstandung bleibt bis zur Entscheidung der Aufsichtsbehörde erhalten. Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn die Aufsichtsbehörde nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Unterrichtung tätig geworden ist.

Foto: Gerd Altmann  / pixelio.de

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