Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung besteht grundsätzlich unabhängig von der Ursache der Krankheit. Der Anspruch ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die Krankheit selbst verschuldet ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG).
Bei der Beurteilung des Verschuldens sind die von der Rechtsprechung zu vergleichbaren arbeitsrechtlichen Vorschriften entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen. Danach liegt ein Verschulden vor, wenn ein grober Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten gegeben ist und das Abwälzen dessen Folgen auf den Arbeitgeber unbillig wäre.
Wann ist eine Krankheit selbst verschuldet?
Selbst verschuldet in diesem Sinne ist eine Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer die Sorgfalt verletzt hat, die ein verständiger Mensch normalerweise im eigenen Interesse anzuwenden pflegt, er sich also die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit durch unverständiges, leichtfertiges oder gegen die guten Sitten im Rechtssinne verstoßendes Verhalten zugezogen hat. Selbstverschulden liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer den Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit hinauszögert oder verhindert.
Beispiele
- Ein Arbeitnehmer, der als Kraftfahrer die vorgeschriebenen Sicherheitsgurte nicht anlegt, handelt schuldhaft, soweit die bei einem Unfall erlittenen Verletzungen auf das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes zurückzuführen sind.
- Eine suchtbedingte Erkrankung als Folge eines Drogen- oder Nikotinkonsums ist keine selbst verschuldete Krankheit.
- Hat sich ein an Alkoholismus erkrankter Arbeitnehmer einer stationären Entwöhnungsmaßnahme unterzogen, bei der er eingehend über die Gefahren des Alkohols für sich und seine Gesundheit aufgeklärt worden ist und ist es ihm anschließend gelungen, für eine längere Zeit abstinent zu bleiben, liegt Selbstverschulden vor, wenn sich der Arbeitnehmer wiederum dem Alkohol zuwendet und damit erneut arbeitsunfähig krank wird.
- Ein Arbeitnehmer, der im Zustand der Trunkenheit einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem er verletzt wird, hat die Krankheit selbst verschuldet.
- Eine Krankheit, die auf einer schuldhaften Beteiligung an einer tätlichen Auseinandersetzung beruht, die der Arbeitnehmer begonnen oder provoziert hat, ist selbst verschuldet.
Ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn eine Nebentätigkeit ausgeübt wird?
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung kann auch ausgeschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer sich die Arbeitsunfähigkeit bei der Ausübung einer verbotenen oder besonders gefährlichen oder seine Kräfte übersteigenden Nebentätigkeit zugezogen hat. Dieses gilt ebenfalls, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Unfall bei einer besonders risikohaften Tätigkeit in der eigenen gewinnorientierten Landwirtschaft eingetreten ist.
Tarifvertragliche Regelungen, die Entgeltfortzahlungsansprüche generell für den Fall ausschließen, dass sich der Arbeitnehmer einen Unfall bei einer nicht genehmigten Nebentätigkeit zugezogen hat, sind nichtig.
Zahlt der Arbeitgeber bei Sportunfällen?
Schuldhaft handelt,
- wer sich in einer seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise sportlich betätigt,
- in besonders grober Weise und leichtsinnig gegen anerkannte Regeln der jeweiligen Sportart verstößt oder
- eine besonders gefährliche Sportart betreibt.
Dem Arbeitnehmer ist nur dann ein Verschulden gegen sich selbst anzulasten, wenn er durch den Sport in nicht mehr sozialadäquater Weise und in einem erheblichen Umfang Verletzungsrisiken auf sich nimmt.
Keine gefährlichen Sportarten sind
- Amateurboxen,
- Drachenfliegen,
- Moto-Cross-Rennen oder
- Fußball im Amateurverein.
Was ist als Organspender zu beachten?
Einem Organspender stand nach der bisherigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte für die Zeit, in der er aufgrund der Organspende seine Arbeitspflicht nicht wahrnehmen konnte, kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu. Im Zuge der Reform des Transplantationsgesetzes steht dem Spender von Organen oder Geweben, die nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgt, während der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen zu (vgl. § 3a EFZG).
Der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Krankheit selbstverschuldet ist
Die Darlegungs- und Beweislast zum Verschulden des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber. Dieser hat einen Anspruch darauf, dass der Arbeitnehmer an der Aufklärung der Krankheitsursachen mitwirkt und die erforderlichen Auskünfte erteilt.
Im Ausnahmefall muss sich der Arbeitnehmer entlasten
Es kommt zur Beweislastumkehr, wenn Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung von vornherein auf ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers schließen lassen (z. B. bei einer Beteiligung an einer tätlichen Auseinandersetzung oder einem Verkehrsunfall infolge Trunkenheit). In diesen Fällen greift der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Arbeitnehmers. Dann hat der Arbeitnehmer zu beweisen, dass ihn an der Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Dieser hat die Behauptung des Arbeitgebers zu widerlegen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sein Verhalten nicht als schuldhaft anzusehen ist.
Ohne Entgeltfortzahlung besteht ein Anspruch auf Krankengeld
Wenn der Arbeitgeber zu Recht oder zu Unrecht die Fortzahlung des Entgelts während einer Arbeitsunfähigkeit verweigert, dann hat der bei einer Krankenkasse versicherte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Krankengeld (vgl. §§ 44 ff. SGB V). Die Krankenkasse kann das Krankengeld für die Dauer einer Krankheit allerdings ganz oder teilweise versagen oder zurückfordern, wenn sich der Versicherte die Krankheit
- vorsätzlich oder
- bei einem von ihm begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen
zugezogen hat (vgl. § 52 Abs. 1 SGB V). Die Krankenkasse hat zunächst Ermessen dahin gehend auszuüben, ob sie die Vorschrift anwenden will. Wenn sie sich dazu entschlossen hat, ist eine weitere Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob das Krankengeld ganz oder teilweise versagt oder zurückgefordert werden soll. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu berücksichtigen. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes hat die Krankenkasse den Sachverhalt zu ermitteln (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Das Gleiche gilt, wenn sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme (z. B. eine ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing) zugezogen haben (vgl. § 52 Abs. 2 SGB V). Das Krankengeld wird für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise versagt oder zurückgefordert. Die Krankenkasse übt kein Ermessen hinsichtlich der Anwendung der Rechtsnorm aus, sondern wird von Amts wegen tätig. Ermessen ist lediglich hinsichtlich der Entscheidung eingeräumt, ob das Krankengeld ganz oder teilweise versagt oder zurückgefordert wird. Dabei kann in Anlehnung an § 54 Abs. 4 SGB I das Krankengeld oberhalb der Pfändungsfreigrenze versagt bzw. zurückgefordert werden.
Die Krankenkasse fordert das Krankengeld vom Arbeitgeber zurück
Dem Arbeitnehmer steht neben dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld zu. Dieser Anspruch ruht, soweit und solange der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leistet (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung berechtigt oder unberechtigt nicht, fehlt es am entsprechenden Ruhenstatbestand für das Krankengeld. Krankengeld ist in diesem Fall auszuzahlen.
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung geht in Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Krankenkasse über (vgl. § 115 Abs. 1 SGB X). Die Krankenkasse tritt in die Rechtsposition des Arbeitnehmers ein und hat die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitsentgelt zu beachten. Der Anspruch muss insbesondere innerhalb tarifvertraglich geregelter Ausschlussfristen angemeldet bzw. klageweise geltend gemacht werden.
Der Arbetgeber verweigert die lohnfortzahlung für den Unfall, der bei einem vor der Firma, von der Gewerkschaf organisiertem Streik passierte. Es gibt seinerseits weder schriftliche, noch mündliche Stellungsnahme.