Gesetzliche Krankenversicherung – Gesundheitsfonds

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  • Beitrag zuletzt geändert am:1. Oktober 2022
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Der Gesundheitsfonds gehört zum Finanzierungsmodell der gesetzlichen Krankenversicherung. Er wird seit dem 1.1.2009 als Sondervermögen vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verwaltet, in das die Beiträge der Arbeitgeber, der anderen Sozialversicherungsträger und der Mitglieder der Krankenkassen gezahlt werden. In den Gesundheitsfonds fließen auch die Zuschüsse des Bundes aus Steuermitteln. Aus dem Fonds erhalten die Krankenkassen Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um eine Grundpauschale sowie alters- und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen sowie Zuweisungen für sonstige Ausgaben. Krankenkassen mit Zusatzbeitrag erhalten außerdem Beträge aus den Zusatzbeiträgen des Gesundheitsfonds, die sich nach dem Einkommensausgleich ergeben.

Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Das BAS verwaltet den Gesundheitsfonds als Sondervermögen (271 SGB V). Die Krankenkassen erhalten daraus Zuweisungen, um ihre Aufgaben zu erfüllen (§ 266 SGB V). Zusatzbeiträge fließen ebenfalls in den Gesundheitsfonds und werden nach einem Einkommensausgleich an die Krankenkassen gezahlt (§ 270a SGB V). Die Beiträge werden von den Krankenkassen eingezogen (§§ 28h ff. SGB IV). Die allgemeinen Festlegungen des BAS zur Berechnung der Zuweisungen ergehen als Allgemeinverfügungen (BSG, Urteil v. 20.5.2014, B 1 KR 16/14 R) und sind für die Krankenkassen verbindlich. Die Regelungen sind verfassungsmäßig (BVerfG, Beschluss v. 18.7.2005, 2 BvF 2/01) und verstoßen nicht gegen europäisches Recht (BVerfG, Beschluss v. 9.6.2004, 2 BvR 1248/03, 2 BvR 1249/03).

Finanzierung

Das BAS verwaltet als gemeinschaftliches Sondervermögen aller Krankenkassen die

  • von den Krankenkassen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag eingezogenen Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung nebst Zinsen und Säumniszuschlägen,
  • Beiträge aus Rentenzahlungen durch die Rentenversicherungsträger,
  • Beiträge bei geringfügigen Beschäftigungen zur Krankenversicherung,
  • Beitragszahlungen nach § 252 Abs. 2 SGB V (z. B. Beiträge der Künstlersozialkasse oder des Bundes für versicherungspflichtige Bezieher von Arbeitslosengeld II) sowie
  • Bundesmittel zur pauschalen Abgeltung für versicherungsfremde Leistungen.

Die Krankenkassen ziehen weiterhin den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die anderen Sozialversicherungsträger und für den Gesundheitsfonds ein. Sie haben in diesem Zusammenhang eine treuhänderische Stellung. Die Beiträge werden arbeitstäglich weitergeleitet. Die Krankenkassen haften für Treuebruch.

Zusatzbeiträge werden getrennt von den übrigen Einnahmen des Gesundheitsfonds verwaltet und ausschließlich für den Einkommensausgleich verwendet. Das BAS verwaltet die Beträge. Sie sind dem BAS entsprechend nachzuweisen.

Einkommensausgleich

Wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt, werden die unterschiedlichen beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Krankenkassen vollständig ausgeglichen und Wettbewerbsverzerrungen verhindert. Jede Krankenkasse erhält durch diesen Ausgleich die Einnahmen aus dem einkommensabhängigen Zusatzbeitrag, die sie erzielen würde, wenn die beitragspflichtigen Einnahmen ihrer Mitglieder dem Durchschnitt in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen würden.

Krankenkassen können eine Unterdeckung durch einen in seiner Höhe variablen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag ausgleichen. Die Krankenkasse berechnet die Höhe des von ihr benötigten Zusatzbeitrags auf der Grundlage der durchschnittlichen beitragspflichtigen Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Anders als bis zum 31.12.2014 führt die Krankenkasse sämtliche Beitragseinnahmen einschließlich des Zusatzbeitrags an den Gesundheitsfonds ab.

Die Krankenkassen, die einen Zusatzbeitrag erheben, erhalten vom BAS aus dem Gesundheitsfonds die Beträge aus den Zusatzbeiträgen ihrer Mitglieder in der Höhe, die sich nach dem Einkommensausgleich ergibt. Durch diesen Einkommensausgleich erhalten Krankenkassen mit unterdurchschnittlichen beitragspflichtigen Einnahmen einen höheren Betrag vom Gesundheitsfonds als sie abgeführt haben und umgekehrt. Das Verfahren wird parallel zur Ermittlung der Zuweisungen an die Krankenkassen durchgeführt.

Bundeszuschuss aus Steuermitteln

Der jährliche Bundeszuschuss wird aus Steuermitteln pauschal für sog. versicherungsfremde Leistungen an die GKV (zum Beispiel beitragsfreie Familienversicherung von Kindern und Ehegatten oder Leistun­gen für Mutterschaft und Schwangerschaft) gezahlt. Seit 2012 betrug der Bundeszuschuss 14 Milliarden Euro. Zur Konsolidierung des Bundeshaushalts wurde der Bundeszuschuss 2013 auf 11,5 Milliarden Euro, 2014 auf 10,5 Milliarden und 2015 auf 11,5 Milliarden Euro vorübergehend abgesenkt. Ab 2016 betrug der Bundeszuschuss wieder 14 Milliarden Euro und ist ab 2017 auf jährlich 14,5 Milliarden Euro festgeschrieben (Haushaltsbegleitgesetz 2014).

Liquiditätsreserve

Der Gesundheitsfonds hat eine Liquiditätsreserve vorzuhalten. Zuständig für deren Verwaltung ist das BAS. Die Zielvorgabe von mindestens 20 % (bis 31.12.2014) bzw. 25 % (ab 1.1.2015) einer durchschnittlichen Monatsausgabe des Gesundheitsfonds ist erreicht (Stand: 14.9.2022). Die Liquiditätsreserve deckt

  • unterjährige Schwankungen in den Einnahmen,
  • nicht vorhergesehene Einnahmeausfälle,
  • Aufwendungen für die Erhöhung der Zuweisungen,
  • Aufwendungen für den Einkommensausgleich.

Einnahmenüberschüsse sind bis zum 31.12.2014 der Liquiditätsreserve zuzuführen. Die Obergrenze sind 50 % einer Monatsausgabe (ab 1.1.2019).

Durch die Liquiditätsreserve sind die Zuweisungen an die Krankenkassen unabhängig von unterjährigen Einnahmeschwankungen und nicht im Rahmen der Schätzung nach § 241 SGB V vorhergesehenen konjunkturell bedingten Einnahmeausfällen im Laufe eines Haushaltsjahres. Damit bleiben die Zuweisungen konstant und für die Krankenkassen besser kalkulierbar.

Aus der Liquiditätsreserve werden auch die

  • Leistungsaushilfe bei Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse,
  • Aufwendungen für die Erhöhung der Zuweisungen nach § 272 Abs. 2 SGB V,
  • Aufwendungen für den Sozialausgleich nach § 242b SGB V und
  • Zahlungen für die Zusatzbeiträge nach § 251 Abs. 6 Satz 2 und 4 SGB V

finanziert.

Die Höhe der Liquiditätsreserve muss nach Ablauf eines Geschäftsjahres mindestens 20 % der durchschnittlich auf den Monat entfallenden Ausgaben des Gesundheitsfonds betragen (ab 1.1.2020). Damit wird das Bezugsjahr für die Bemessung einer durchschnittlichen Monatsausgabe des Gesundheitsfonds bestimmt, aus der sich die Höhe der Mindestreserve zum Ablauf eines Geschäftsjahres ergibt. Die durchschnittliche Monatsausgabe ergibt sich aus dem Zuweisungsvolumen an die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds in dem betreffenden Geschäftsjahr. Das Zuweisungsvolumen, das für die Zuweisungen nach den §§ 266, 268 und 270 SGB V zur Verfügung steht, entspricht den voraussichtlichen Einnahmen des Gesundheitsfonds auf Grundlage der Prognose, die das Bundesministerium für Gesundheit der Festlegung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes gemäß § 242a SGB V für das betreffende Geschäftsjahr zugrunde gelegt hat.

Die Liquiditätsreserve dient dazu, unterjährige Einnahmeschwankungen aufzufangen. Die Mindestreserve der liquiden Mittel des Gesundheitsfonds läge auf Basis der bislang geltenden Untergrenze von 25 % einer Monatsausgabe im Jahr 2020 bei rund 5,4 Mrd. EUR. Mittel in dieser Höhe werden zur Absicherung der unterjährigen Einnahmeschwankungen des Gesundheitsfonds nicht benötigt. Eine Mindestreserve in Höhe von 20 % der durchschnittlich auf den Monat entfallenden Ausgaben des Gesundheitsfonds ist ausreichend, um unterjährige Einnahmeschwankungen abzusichern. Mit dieser Maßnahme soll erreicht werden, dass ausreichend liquide Mittel im Gesundheitsfonds zur Verfügung stehen, um – neben den bereits bestehenden Auszahlungsverpflichtungen zugunsten des Krankenhausstrukturfonds sowie des Innovationsfonds – die aus diesem Gesetz resultierenden und vorgesehenen Entnahmen von insgesamt 3 Mrd. EUR zu finanzieren.

Die Obergrenze der Liquiditätsreserve beträgt 50 % der durchschnittlich auf den Monat entfallenden Ausgaben des Gesundheitsfonds (etwa 9,5 Mrd. EUR in 2018). Die Regelung vermeidet eine unnötige Anhäufung überschießender Finanzmittel im Gesundheitsfonds.[9] Finanzmittel werden an die Krankenkassen zur Senkung der Zusatzbeiträge weitergegeben und Anlageverluste des Gesundheitsfonds in Niedrigzinsphasen reduziert.

Die Regelung setzt voraus, dass die voraussichtliche Höhe der Liquiditätsreserve diesen Betrag abzüglich der gesetzlich vorgesehenen voraussichtlichen Entnahmen aus der Liquiditätsreserve für die Folgejahre überschreitet. Maßgeblich hierfür ist die Prognose des Schätzerkreises nach § 220 Abs. 2 SGB V im Folgejahr. Liegen die Voraussetzungen vor, sind die überschüssigen Mittel schrittweise jährlich bis zu einer Höhe entsprechend eines Finanzvolumens von 0,1 Beitragssatzpunkten der beitragspflichtigen Einnahmen in die Einnahmen des Gesundheitsfonds zu überführen. Somit steht mehr Geld für die Zuweisungen an die Krankenkassen zur Verfügung und dämpft die Höhe der zu erhebenden Zusatzbeiträge.

Das BMG erhält im Jahr 2021 190 Mio. EUR aus der Liquiditätsreserve. Der Bund hat angesichts der besonderen Lage im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Pandemie zentral Persönliche Schutzausrüstung (PSA), hier insbesondere Schutzmasken verschiedener Art (FFP2, FFP3 und Mund-Nasen-Schutz – MNS), Handschuhe, Schutzanzüge und -kittel, Schutzbrillen sowie Desinfektionsmittel beschafft. Das Material wurde an die Länder, an die Kassenärztlichen Vereinigungen und die KZBV verteilt. Mit der Zahlung aus der Liquiditätsreserve wird die Finanzierung des Materials sichergestellt und unabhängig davon auch das bisher vorgesehene Verfahren zum Ersatz dieser Aufwendungen vereinfacht. Hierfür wird im Jahr 2021 aus der Liquiditätsreserve pauschal ein Betrag von 190 Mio. EUR an das BMG gezahlt. Die Zahlung wird durch das BAS als Verwalter des Gesundheitsfonds geleistet. Für die Behandlung privat krankenversicherter Patientinnen und Patienten sind zusätzliche Hygienezuschläge für Ärzte und Zahnärzte je Arztbesuch abrechnungs- und erstattungsfähig, sodass vergleichbare Kosten für PSA und Desinfektionsmittel bereits vonseiten der privaten Krankenversicherer abgegolten sind. Ein angemessener Ersatz dieser Aufwendungen nach § 2 Abs. 2 der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV i. V. m. den Vereinbarungen der Bundesmantelvertragspartner zur Ausstattung mit vom Bund beschaffter Schutzausrüstung an das BMG ist dadurch nicht mehr nötig.

Zuweisungen aus dem Fonds

Die Beitragseinnahmen und die sonstigen Einnahmen der Krankenkassen fließen dem Gesundheitsfonds als gemeinschaftliches Sondervermögen der Krankenkassen zu. Der Gesundheitsfonds verteilt seine Mittel nach standardisiertem Bedarf ohne Rücksicht auf die Beitragsleistung der Versicherten einer Krankenkasse (externer Ausgleich). Bis 2014 blieben die Zusatzbeiträge bei der Krankenkasse. Nach dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG) fließen die Zusatzbeiträge ab 2015 ebenfalls an den Gesundheitsfonds.

§ 266 SGB V begründet einen obligatorischen, kassenartenübergreifenden und bundesweiten Risikostrukturausgleich. Davon ist nur die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte ausgenommen. Die Krankenkassen erhalten als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für

  • Mehr-, Erprobungs- und Ermessensleistungen,
  • strukturierte Behandlungsprogramme und
  • standardisierte Verwaltungsausgaben.

Die Norm ist verfassungsmäßig und verstößt nicht gegen europäisches Recht.

Das Verfahren zum Risikostrukturausgleich regelt die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV) v. 3.1.1994 (BGBl. I S. 55).

Beitragseinzug

Die Krankenkassen ziehen als Einzugsstelle die Gesamtsozialversicherungsbeiträge ein und leiten die Krankenversicherungsbeiträge an den Gesundheitsfonds weiter.

In dieser Funktion haftet die Krankenkasse bei verschuldeten Beitragsrückständen durch die Erhebung von Säumniszuschlägen. Damit werden der ordnungsgemäße Einzug und die Weiterleitung des Beitrags an den Gesundheitsfonds sichergestellt und Belastungen des Bundes als Liquiditätsgarant des Gesundheitsfonds vermieden. Hintergrund ist die Treuhänderstellung der Krankenkassen beim Einzug des Krankenversicherungsbeitrags gegenüber dem Gesundheitsfonds. Die Norm wird unabhängig vom entstandenen Schaden und von Verschulden angewendet.

Verwaltung

Das BAS verwaltet die zugeflossenen Mittel als gemeinschaftliches Sondervermögen aller Krankenkassen. Die Krankenkassen ziehen weiterhin den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die anderen Sozialversicherungsträger und für den Gesundheitsfonds ein. Sie haben in diesem Zusammenhang eine treuhänderische Stellung. Die Beiträge werden arbeitstäglich weitergeleitet. Die Krankenkassen haften für Treuebruch.

Die Mittel des Gesundheitsfonds sind so anzulegen, dass sie für den vorgesehenen Zweck verfügbar sind. Langfristige Anlageformen scheiden damit aus. Dazu ist auf die Regeln zur Anlage von Rücklagen zurückzugreifen. Die Mittel sind so anzulegen, dass ein angemessener Ertrag erzielt wird und insbesondere eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist und entsprechende Mittel zum Ausgleich von Einnahmen- und Ausgabenschwankungen bereitzuhalten sind bzw. liquide parat stehen. Kapitalerträge, die durch den Gesundheitsfonds erwirtschaftet werden, fließen dem Sondervermögen zu. Der Risikostrukturausgleich und der Zahlungsverkehr werden vom BAS durchgeführt. Dazu wird die Höhe der Zuweisungen ermittelt und den Krankenkassen zugewiesen. Ein entsprechender Bescheid ist ein Verwaltungsakt, der mit einer Klage angefochten werden kann. Der Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung.

Bild: Petra Bork  / pixelio.de