Kinderpflegekrankengeld – Anspruch, Höhe, Dauer

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  • Beitrags-Kategorie:Fachliteratur
  • Beitrag zuletzt geändert am:11. September 2021
  • Lesedauer:22 min Lesezeit

Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse haben Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld, wenn sie nach ärztlicher Feststellung zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben. Eine andere im Haushalt lebende Person kann das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen. Das Kind hat das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet oder ist behindert und auf Hilfe angewiesen.

Anspruchsvoraussetzungen

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn

  • es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie wegen Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben,
  • eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld besteht,
  • eine andere im Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
  • das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe
    angewiesen ist.

Hinweis

Übertragung des Anspruchs

Der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld kann auf den anderen Ehegatten/Lebenspartner übertragen werden. Die Übertragung ist möglich, wenn beide Elternteile gesetzlich krankenversichert sind, beide Elternteile einen Anspruch auf Krankengeld haben, der andere Elternteil das erkrankte Kind aus beruflichen Gründen nicht betreuen kann oder der andere Elternteil seinen Anspruch bereits ausgeschöpft hat. Der Arbeitgeber muss mit der erneuten Freistellung einverstanden sein.

Arbeitnehmer

Der Anspruch steht Mitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse zu, die mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert sind. Die Art des Versicherungsverhältnisses (z. B. aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder einer freiwilligen Mitgliedschaft) ist unerheblich. § 44 Abs. 2 SGB V (Ausschluss des Anspruchs auf Krankengeld) ist zu beachten. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der versicherte Arbeitnehmer bestimmte Rentenleistungen bezieht (z. B. Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Vollrente wegen Alters; § 50 Abs. 1 SGB V). Bezieher von Kurzarbeitergeld haben einen Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld, weil die Arbeit aus anderen als den in § 96 SGB III genannten Gründen ausfällt. Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ist deswegen ausgeschlossen.

Hinweis

Kurzarbeit „Null“

Beginnt die Betreuung des Kindes während der Kurzarbeit „Null“ (100 %ige Kurzarbeit), besteht kein Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld. Wird die Betreuung des Kindes bereits vor der Kurzarbeit „Null“ notwendig, ist für den gesamten Freistellungszeitraum Kinderpflegekrankengeld zu zahlen. Kurzarbeitergeld wird erst nach dem Freistellungszeitraum für die Kinderbetreuung gezahlt.

Unständig oder kurzzeitig Beschäftigte

Unständig oder kurzzeitig Beschäftigte ohne einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für
mindestens 6 Wochen können eine Wahlerklärung abgeben, um den gesetzlichen Anspruch auf
Krankengeld zu erhalten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Das schließt den Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld ein.

Hauptberuflich selbstständig Tätige

Hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige haben einen Anspruch auf Krankengeld, wenn sie eine Wahlerklärung abgegeben haben (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Der gesetzliche Krankengeldanspruch schließt den Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld ein. Es ist vom Beginn des Pflegezeitraums an zu zahlen. Für Versicherte, die eine Wahlerklärung abgegeben haben, entsteht der Anspruch grundsätzlich von der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 4 SGB V). Diese Regelung ist auf das Kinderpflegekrankengeld nicht anzuwenden.

Hinweis

Kein Anspruch auf Krankengeld

Wenn aus dem Arbeitseinkommen keine positiven Einkünfte bezogen werden, scheidet ein
Krankengeldanspruch aus (BSG, Urteil v. 7.12.2004, B 1 KR 17/04 R).

Versicherungsverhältnis des Kindes

Das erkrankte Kind des Arbeitnehmers muss bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sein. Dabei kann es sich um eine Versicherung aufgrund einer Familienversicherung nach § 10 SGB V, der Beantragung einer Waisenrente nach § 189 SGB V, des Bezugs einer Waisenrente nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, einer freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V oder einer obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V handeln.

Hinweis

Gesetzliche Krankenversicherung

Kinderpflegekrankengeld kann nicht beansprucht werden, wenn das Kind nicht gesetzlich
krankenversichert ist (BSG, Urteil v. 31.3.1998, B 1 KR 9/96 R).

Kinder

Versicherte haben einen Anspruch auf Krankengeld, wenn sie in einem Kindschaftsverhältnis zum betreuten Kind stehen. Zu den Kindern in diesem Sinne gehören leibliche oder adoptierte (angenommene) Kinder des Versicherten. Außerdem sind

  • Stiefkinder,
  • Enkel,
  • Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I) und
  • Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind,

zu berücksichtigen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 4 SGB V).

Hinweis

Stiefkinder und Enkel

Stiefkinder oder Enkel des Arbeitnehmers werden nur berücksichtigt, wenn diese im Haushalt des
Versicherten leben oder von ihm überwiegend unterhalten werden (GR v. 6.12.2017-III, Abschn. 4.4). Stiefkinder sind auch die Kinder des Lebenspartners eines Mitglieds.

Ärztliches Zeugnis

Über die Notwendigkeit, das Kind wegen seiner Erkrankung zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen und deswegen der Arbeit fernzubleiben, ist ein ärztliches Zeugnis auszustellen und der Krankenkasse vorzulegen. Das ärztliche Zeugnis ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. In der Praxis wird der zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten vereinbarte Vordruck genutzt (Muster 21). Das ärztliche Zeugnis enthält mindestens Angaben über die Krankheit, einen möglichen Unfall und die Notwendigkeit und die Dauer, das Kind deswegen zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen. In der Praxis werden die zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten vereinbarten Vordrucke verwendet.

Die Pflegebedürftigkeit eines Kindes kann auch im Rahmen einer Videosprechstunde festgestellt
werden. Obwohl es dafür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, kann sich der Arzt an den
Voraussetzungen orientieren, die bei einer Arbeitsunfähigkeit zu beachten sind (§ 4 Abs. 5 AUR). Die Pflegebedürftigkeit wird in einer Videosprechstunde im berufsrechtlich zulässigen Rahmen und unter Wahrung des ärztlichen Sorgfaltsmaßstabs festgestellt. Die Nutzung des digitalen Mediums muss ärztlich vertretbar sein und die Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation müssen ärztlichen Standards entsprechen.

Hinweis

Leistungsantrag

Das Kinderpflegekrankengeld ist zu beantragen. Dazu kann der zwischen Krankenkassen und
Vertragsärzten vereinbarte Vordruck (Rückseite) genutzt oder ein formloser Antrag gestellt werden.
Die Krankenkasse kann die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld durch den
Medizinischen Dienst (MD) prüfen lassen (§ 275 Abs. 1 SGB V).

Beaufsichtigung, Betreuung, Pflege

Krankengeld wird gezahlt, wenn der Versicherte ein in seinem Haushalt lebendes erkranktes Kind beaufsichtigt, betreut oder pflegt und deswegen der Arbeit fernbleibt. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn im Haushalt des versicherten Arbeitnehmers andere Personen leben, die die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege übernehmen können. Der Versicherte gibt darüber eine entsprechende Erklärung gegenüber seiner Krankenkasse ab.

Hinweis

Kita- oder Schulschließung

Kinderpflegekrankengeld wird in der Zeit vom 5.1. bis zum 31.12.2021 auch gezahlt, wenn das Kind nicht krank ist, sondern zu Hause betreut wird, weil aus Gründen des Infektionsschutzes

  • Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten (z. B. aufgrund einer Absonderung) untersagt wird, von der zuständigen Behörde Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden,
  • die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben wird,
  • der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird,
  • das Kind aufgrund einer behördlichen Empfehlung die Einrichtung nicht besucht (§ 45 Abs. 2a SGB V).

Anspruchsberechtigt sind auch Eltern, die im Homeoffice arbeiten. Der Betreuungsfall muss in der Zeit ab 5.1.2021 eingetreten sein. Ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 Abs. 1a IfSG) besteht während dieser Zeit nicht (§ 45 Abs. 2b SGB V).

Andere im Haushalt lebende Person

Eine andere Person kann die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege übernehmen, wenn diese mit
dem Arbeitnehmer in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, nicht selbst berufstätig und pflegefähig ist.
Es muss sich dabei nicht um den Ehe- oder Lebenspartner des Arbeitnehmers oder eine mit dem Kind
verwandte oder verschwägerte Person handeln. Der Arbeitnehmer muss sich nicht auf eine andere
Person verweisen lassen, die außerhalb des Haushalts lebt.

Altersgrenze

Vollendung des 12. Lebensjahres

Der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld besteht für Kinder, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Wenn das 12. Lebensjahr während des Bezugs von Kinderpflegekrankengeld vollendet wird, endet der Anspruch mit diesem Zeitpunkt. Krankengeld wird bis zum Tag vor dem 12. Geburtstag gezahlt (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 2 Satz 2 und § 188 Abs. 2 BGB).

Beispiel

Erreichen der Altersgrenze

Ein Arbeitnehmer bezieht seit dem 27.3.2021 Krankengeld wegen der Pflege seines erkrankten Kindes. Das Kind ist am 30.3.2009 geboren und vollendet mit Ablauf des 29.3.2021 (24:00 Uhr) das 12. Lebensjahr. Das Krankengeld wird bis zum 29.3.2021 gezahlt, obwohl das Kind weiterhin krank und pflegebedürftig ist.

Behinderte Kinder

Für Kinder, die behindert und auf Hilfe angewiesen sind, gilt keine Altersgrenze. Kinder sind behindert, die

  • körperliche,
  • geistige,
  • seelische oder
  • Sinnesbeeinträchtigungen

haben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und sie an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hindern (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IX). Sie sind auf Hilfe angewiesen, wenn sie dauerhaft und regelmäßig über das altersübliche Maß hinausgehende Hilfe bei einzelnen Verrichtungen des täglichen Lebens benötigen.

Hinweis

Behinderung

  • Unkonzentriertheit, Nervosität, Labilität sowie ein Rückstand der geistigen Entwicklung
    stellen für sich allein keine Behinderung dar (BSG, Urteil v. 31.1.1979, 11 RA 19/78).
  • Behinderungen können angeboren oder erworben sein. Dem Gesetz lässt sich nicht
    entnehmen, ob der Anspruch auf Krankengeld davon abhängig ist, dass die Behinderung
    zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten ist. Deswegen ist der in der Praxis
    vertretenen Auffassung nicht zuzustimmen, die Behinderung müsse innerhalb der
    Altersgrenzen des § 10 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB V eingetreten sein. Entscheidend ist
    vielmehr, dass das behinderte Kind bei einer Krankenkasse versichert ist und mit dem
    Arbeitnehmer im selben Haushalt lebt.

Berechnung, Höhe, Zahlung

Berechnung und Höhe

Das Krankengeld wird nach dem während der Freistellung ausgefallenen Nettoarbeitsentgelt berechnet. Ähnlich wird auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall berechnet. Das Nettoarbeitsentgelt wird aus dem Bruttoarbeitsentgelt ermittelt, soweit davon Beiträge zur Krankenversicherung berechnet wurden.

Bruttoarbeitsentgelt wird somit nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung berücksichtigt (2021: 4.837,50 EUR/mtl.; 2020: 4.687,50 EUR/mtl.). Das Nettoarbeitsentgelt ist wegen der Begrenzung ggf. fiktiv zu ermitteln.

Das Brutto-Krankengeld beträgt 90 % des Nettoarbeitsentgelts. Einmalzahlungen werden berücksichtigt, wenn sie in den letzten 12 Kalendermonaten vor der Freistellung gezahlt und davon Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet wurden. Das Brutto-Krankengeld beträgt dann unabhängig von der Höhe der Einmalzahlung 100 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts.

Das kalendertägliche Krankengeld darf 70 % der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung nicht übersteigen (2021: 112,88 EUR; 2020: 109,38 EUR).

Hinweis

Arbeitseinkommen

Bei hauptberuflich selbstständig Tätigen beträgt das Kinderpflegekrankengeld 70 % des kalendertäglichen Arbeitseinkommens, von dem zuletzt vor dem Bezug des Kinderpflegekrankengeldes der Krankenversicherungsbeitrag berechnet wurde.

Zahlung

Das Kinderpflegekrankengeld ist von dem Tag an zu zahlen, an dem die Voraussetzungen vorliegen. Während des Anspruchszeitraums wird das Krankengeld kalendertäglich gezahlt. Ein Kalendermonat wird mit 30 Tagen berücksichtigt.

Dauer

Gemeinsam erziehende Elternteile

Der Zahlungszeitraum umfasst in jedem Kalenderjahr für jedes Kind höchstens 10 Arbeitstage. Der Anspruch ist bei mehreren Kindern auf 25 Arbeitstage im Kalenderjahr begrenzt. Der Anspruch steht jedem Elternteil zu.

Hinweis

Corona-Pandemie

  • Wegen der andauernden Pandemie ist die gesetzlich geregelte Anspruchsdauer nicht ausreichend. Sie ist deswegen ab 1.1.2020 für jedes Kind auf höchstens 15 Arbeitstage (insgesamt nicht mehr als 35 Arbeitstage) und für alleinerziehende Versicherte auf längstens 30 Arbeitstage (insgesamt nicht mehr als 70 Arbeitstage) erweitert worden (§ 45 Abs. 2a SGB V). Die Regelung ist bis zum 31.12.2020 befristet.
  • Für die Zeit vom 5.1. bis zum 31.12.2021 wird die Anspruchsdauer erneut verlängert (§ 45 Abs. 2a SGB V). Der Betreuungsfall muss dafür in der Zeit ab 5.1.2021 eingetreten sein. Kinderpflegekrankengeld kann für längstens 30 bzw. bei mehreren Kindern für 65 Arbeitstage bezogen werden. Für alleinerziehende Versicherte ist der Anspruch auf 60 bzw. 130 Arbeitstage verlängert worden.

Alleinerziehende Elternteile

Bei alleinerziehenden Versicherten beträgt die Höchstanspruchsdauer je Kind im Kalenderjahr 20 Arbeitstage bzw. für mehrere Kinder insgesamt 50 Arbeitstage. Eine verlängerte Anspruchsdauer ergibt sich für das Kalenderjahr 2021. Alleinerziehend ist ein Elternteil, dem das alleinige Personensorgerecht für das mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebende Kind zusteht.

Hinweis

Gemeinsames Personensorgerecht

Erhalten die Eltern im Fall des nicht nur vorübergehenden Getrenntlebens das gemeinsame Personensorgerecht aufrecht, hat jeder Elternteil einen Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld. Dieser ist begrenzt auf maximal 10 Arbeitstage bzw. für mehrere Kinder auf insgesamt 25 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres. Das nicht nur vorübergehende Getrenntleben muss nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften bestimmt worden sein.

Alleinerziehend kann darüber hinaus auch ein Elternteil sein, dem nicht das alleinige Personensorgerecht zusteht. Als alleinerziehend i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB V gelten daher auch Versicherte, die als erziehender Elternteil faktisch alleinstehend sind. Für den erweiterten Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld von 20 Arbeitstagen ist nicht das alleinige Sorgerecht entscheidend. Vielmehr ist auf das tatsächliche Alleinstehen bei der Erziehung abzustellen. Dies liegt z. B. vor, wenn das Kind grundsätzlich im gemeinsamen Haushalt mit einem Elternteil lebt und sich nur alle 2 Wochen am Wochenende beim anderen Elternteil aufhält. Bei dem Begriff „alleinerziehend“ ist nur noch auf Elternteile abzustellen, die

  • faktisch alleinstehend sind,
  • mit dem Kind in einem Haushalt zusammenleben und
  • mindestens gemeinsam mit einem anderen das Sorgerecht für das Kind haben (Ausnahme: Stief-, Enkel- sowie Pflegekinder).

Hinweis

Faktisch alleinerziehend

  • Alleinerziehend kann auch ein Elternteil sein, dem kein alleiniges Personensorgerecht
    zusteht.
  • Ein Elternteil kann faktisch alleinerziehend sein, wenn das andere Elternteil für einen längeren Zeitraum nicht im gemeinsamen Haushalt lebt (z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt, eine Leistung zur Rehabilitation, eine berufliche Tätigkeit in weiter Entfernung vom Wohnort oder im Ausland).

Ist der betroffene Elternteil als faktisch bei der Erziehung alleinstehend zu betrachten, wird ihm der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld für 20 Arbeitstage eingeräumt. Bei der Entscheidung über die Dauer des Anspruchs auf Kinderpflegekrankengeld sollten die Wünsche der getrennt lebenden und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern berücksichtigt werden. Den Eltern kommt insofern – wie im Fall des Zusammenlebens – ein Wahlrecht mit der Besonderheit zu, dass sich der individuell zustehende Anspruch verdoppeln kann. Für den anderen Elternteil ist der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld in solchen Fällen ausgeschlossen. Eine entsprechende Erklärung der Eltern gegenüber der Krankenkasse wird als ausreichend angesehen. Der Arbeitgeber muss damit einverstanden sein und den verlängerten Freistellungsanspruch zugestehen.

Hinweis

Nachweis

Sind die Elternteile bei verschiedenen Krankenkassen versichert, sollte durch eine Bescheinigung
der Krankenkasse des nicht betreuenden Elternteils nachgewiesen werden, ob und ggf. in welchem
Umfang bereits Kinderpflegekrankengeld für diesen Elternteil gewährt wurde.

Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Die Ansprüche auf das Kinderpflegekrankengeld sind so zu beurteilen, als stünde beiden Elternteilen das Personensorgerecht gemeinsam zu, wenn

  • der allein personensorgeberechtigte Elternteil in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt und
  • das erkrankte Kind auch in einem Kindschaftsverhältnis zu dem nichtehelichen Lebenspartner steht.

Soweit das erkrankte Kind in keinem Kindschaftsverhältnis zu dem nichtehelichen Lebenspartner steht, ist nur der allein personensorgeberechtigte Elternteil anspruchsberechtigt. Das Kinderpflegekrankengeld ist ausgeschlossen, soweit

  • nichteheliche Partner oder andere Personen im Haushalt des allein personensorgeberechtigten Elternteils leben und
  • in der Lage sind, das Kind im Krankheitsfall zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen.

Hinweis

Elternteil längere Zeit nicht im gemeinsamen Haushalt

Ist ein Elternteil an der Ausübung des Sorgerechts dadurch gehindert, dass er für einen längeren Zeitraum nicht im gemeinsamen Haushalt lebt (z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt), wird empfohlen, dem anderen Elternteil den verlängerten Anspruch eines Alleinerziehenden einzuräumen. Hierzu reicht eine Erklärung des Versicherten aus.

Voraussetzung für die Übertragung des Anspruchs auf Kinderpflegekrankengeld ist, dass der Arbeitgeber den Freistellungsanspruch nach § 45 Abs. 3 SGB V nochmals gegen sich gelten lässt, den sein Arbeitnehmer bereits ausgeschöpft hat.

Übertragung des Anspruchs auf den anderen Elternteil

Im Interesse einer familienorientierten Handhabung des § 45 SGB V ist eine Übertragung von Ansprüchen möglich. Wenn der Anspruch eines Elternteils auf Kinderpflegekrankengeld und Freistellung von der Arbeit bereits erschöpft ist, soll er nochmals freigestellt werden, wenn der andere Elternteil, dessen Anspruch noch nicht erschöpft ist, die Betreuung des erkrankten Kindes nicht übernehmen kann. Die Krankenkassen sollen in diesem Fall eine eventuelle Verständigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber akzeptieren.

Anspruch, Berechnung, Höchstbezugsdauer

Der Arbeitgeber lässt den Freistellungsanspruch nochmals gegen sich gelten, den sein Arbeitnehmer nach § 45 Abs. 3 SGB V bereits ausgeschöpft hat. Die Krankenkasse des Arbeitnehmers, dessen Arbeitgeber einer weiteren Freistellung zustimmt, berechnet und zahlt das Krankengeld an ihren Versicherten auf der Grundlage seines Arbeitsentgelts aus. Außerdem führt sie die damit in Zusammenhang stehenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ab (einschließlich Meldeverfahren). Die Krankenkasse des anderen Elternteils bestätigt zuvor der auszahlenden Krankenkasse den Grundanspruch und die Dauer des Anspruchs auf Kinderpflegekrankengeld.

Erstattung

Die Krankenkassen akzeptieren gegenseitig die Berechnung, Höhe und Auszahlung des Kinderpflegekrankengeldes. Die Aufwendungen der das Kinderpflegekrankengeld auszahlenden Krankenkasse werden dieser von der Krankenkasse in tatsächlicher Höhe ersetzt, deren Versicherter die Betreuung des erkrankten Kindes nicht wahrnehmen konnte. Dabei werden auch die abgeführten Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung berücksichtigt. Auf den Nachweis zahlungsbegründender Unterlagen wird verzichtet. Verwaltungskosten werden gegenseitig nicht erstattet.

Klärung von Zweifelsfragen

Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Berechnung und Zahlung des Kinderpflegekrankengeldes müssen zwischen den beteiligten Krankenkassen geklärt werden.

Hinweis

Übertragung eines Anspruchs

Die in der Praxis empfohlene Verfahrensweise setzt Freiwilligkeit und eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Krankenkassen, Elternteilen und Arbeitgebern voraus.

Schwerstkranke Kinder

Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, sofern das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert ist und nach ärztlichem Zeugnis an einer Erkrankung leidet,

  • die fortschreitend progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
  • bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativ-medizinische Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
  • die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.

Der Anspruch besteht nur für ein Elternteil. Ein Betreuungswechsel auf Wunsch der Eltern wird in der Praxis akzeptiert. Die medizinischen Voraussetzungen sind ggf. durch den Medizinischen Dienst zu prüfen (§ 275 Abs. 1 SGB V).

Hinweis

Besonderheiten des Leistungsanspruchs

  • Der Anspruch besteht, soweit und solange die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
  • Der Anspruch besteht ohne zeitliche Befristung.
  • Der GKV-Spitzenverband empfiehlt wegen der besonderen psychischen Belastung der
    Eltern, die Leistung auch über die Vollendung des 12. Lebensjahres hinaus zu zahlen.
  • Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen, wenn eine andere im Haushalt lebende Person das Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen könnte.
  • Der Anspruch endet mit dem Tod des Kindes.
  • Das Kinderpflegekrankengeld wird in entsprechender Anwendung des § 47 SGB V für Kalendertage berechnet und gezahlt.
  • Der Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld besteht auch, wenn das schwerstkranke Kind
    • stationär in einem Kinderhospiz versorgt wird,
    • ambulante Leistungen eines Hospizdienstes erhält oder
    • sich in einer palliativ-medizinischen Behandlung in einem Krankenhaus befindet.

Ruhen des Anspruchs

Der Anspruch auf Krankengeld besteht auch neben einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Allerdings kommt es nicht zur Auszahlung durch die Krankenkasse für die Dauer der Entgeltfortzahlung, da der Anspruch auf Krankengeld ruht. Ein Zuschuss des Arbeitgebers zum Krankengeld ist unschädlich für die Auszahlung, wenn der Zuschuss zusammen mit dem Krankengeld das Netto-Arbeitsentgelt nicht um mehr als 50 EUR im Monat überschreitet (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Beispiel

Ruhen des Krankengeldes wegen Entgeltfortzahlung

Ein Arbeitnehmer bleibt in der Zeit vom 27.3. bis zum 23.4.2021 wegen der Pflege seines erkrankten Kindes der Arbeit fern. Vertraglich ist in diesem Fall die Entgeltfortzahlung für 5 Arbeitstage vorgesehen. Der Arbeitnehmer arbeitet von montags bis freitags. Gegen die Krankenkasse besteht ein Anspruch auf Krankengeld für 10 Arbeitstage.

Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 27.3. bis zum 9.4.2021. Dieses ruht während der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zum 2.4.2021 und wird für die Zeit vom 3.4. bis zum 9.4.2021 gezahlt.

Während des Anspruchs auf Krankengeld hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung
von der Arbeitsleistung. Für die restliche Zeit der Pflege des erkrankten Kindes ist der
Arbeitnehmer auf andere Lösungen angewiesen (z. B. bezahlter oder unbezahlter Urlaub).

Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Arbeitgeber

Die Krankenkasse prüft im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Krankengeld auch, ob sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber ergibt. Wenn der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung berechtigt oder unberechtigt verweigert, zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung geht auf die Krankenkasse über, wenn der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung zu Unrecht verweigert (§ 115 SGB X). Die Krankenkasse kann den übergegangenen Anspruch durch eine Klage vor dem Arbeitsgericht geltend machen.

Leistungsbezieher nach dem SGB III

Bezieher von Arbeitslosengeld II haben keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Bezieher von Leistungen nach dem SGB III haben einen Anspruch auf Leistungsfortzahlung für den Fall einer nach ärztlichem Zeugnis erforderlichen Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege eines erkrankten Kindes (§ 146 Abs. 2 SGB III). Die Voraussetzungen hierfür sind identisch mit denen für das Kinderpflegekrankengeld. Für die Zeit der Leistungsfortzahlung ruht der Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V).

Arbeitsunfall

Ist ein Arbeitsunfall (hauptsächlich Schul- oder Kindergartenunfälle) die Ursache für die Pflege des erkrankten Kindes, zahlt die gesetzliche Unfallversicherung Verletztengeld (§ 45 Abs. 4 SGB VII). Es gelten dieselben Voraussetzungen wie in der Krankenversicherung. Der Anspruch gegen die Krankenkasse ist
ausgeschlossen (§ 11 Abs. 5 SGB V).

Abweichend davon beträgt das Verletztengeld 100 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus dem in der Unfallversicherung beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Das Arbeitsentgelt wird bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes des jeweiligen Unfallversicherungsträgers berücksichtigt. Wird das Verletztengeld aus Arbeitseinkommen berechnet, beträgt dieses 80 % des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens. Das Arbeitseinkommen wird ebenfalls höchstens bis zum 450. Teil des Höchstjahresarbeitsverdienstes berücksichtigt.

Bei einem schwerstkranken Kind wird das Verletztengeld wie das Krankengeld berechnet (§ 47 SGB V). Dabei sind die höheren Bemessungsgrenzen der Unfallversicherung zu beachten (§ 47 SGB VII).

Hinweis

Auszahlung der Leistung

Die Krankenkassen zahlen das Verletztengeld für die gesetzliche Unfallversicherung aus.

Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber

Versicherte Arbeitnehmer belegen ihren Anspruch auf Kinderpflegekrankengeld gegenüber der Krankenkasse mit einer ärztlichen Bescheinigung. Sie erklären zusätzlich, dass im Haushalt keine andere Person lebt, die die Pflege des Kindes übernehmen kann. Die Freistellung ist beim Arbeitgeber zu beantragen. Eine Kopie der ärztlichen Bescheinigung ist für den Arbeitgeber vorgesehen.

Hinweis

Kita- oder Schulschließung

Die Bescheinigung für die Krankenkasse über die Schließung wird von der Kita oder der Schule ausgestellt. Einen Mustervordruck stellt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Internet zur Verfügung.

Bild: rudolf ortner  / pixelio.de