Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes (Kinderpflege-Krankengeld) erhalten Versicherte,
- wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten, im selben Haushalt lebenden und selbst versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben,
- eine andere im Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
- das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Der Arbeitnehmer hat während dieser Zeit einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Gleichzeitig kann auch ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestehen.
Versicherte Kinder
Der Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld ist auf die Fälle beschränkt, in denen das erkrankte Kind, z. B. aufgrund
- einer Familienversicherung nach § 10 SGB V,
- der Beantragung einer Waisenrente nach § 189 Abs. 1 SGB V,
- des Bezuges einer Waisenrente nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V,
- einer freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V
selbst gesetzlich krankenversichert ist. Als Kinder im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB V gelten auch die in § 10 Abs. 4 SGB V genannten Kinder (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auf das Kinderpflegekrankengeld finden die allgemeinen krankengeldrechtlichen Vorschriften Anwendung. Dazu gehören auch der Ausschluss des Anspruchs (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V), die Erklärungen über das Wahlrecht zum Anspruch auf Krankengeld (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB V) und die Bestimmungen der Satzung über die Wahltarife (vgl. § 53 Abs. 6 SGB V).
Altersgrenze
Der Anspruch ist auf Kinder beschränkt, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ist das Kind jedoch behindert und auf Hilfe angewiesen, besteht der Anspruch ohne Rücksicht auf das Lebensalter des Kindes. Wenn der Anspruch auf die Vollendung des zwölften Lebensjahrs begrenzt ist, dann endet der Anspruch auch während des laufenden Bezugs zu diesem Zeitpunkt.
Behindert und auf Hilfe angewiesen sind Kinder, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Behinderungen können angeboren oder erworben sein. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, ob der Anspruch auf Krankengeld davon abhängig ist, dass die Behinderung zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten ist. Deswegen ist der in der Praxis vertretenen Auffassung nicht zuzustimmen, die Behinderung müsse innerhalb der Altersgrenzen des § 10 Abs. 2 Nr. 1 – 3 SGB V eingetreten sein. Entscheidend ist vielmehr, dass das behinderte Kind bei einer Krankenkasse versichert ist und mit dem Arbeitnehmer im selben Haushalt lebt.
Dauer
Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage. Der Anspruch auf Krankengeld für dasselbe Kind kann von jedem versicherten Elternteil unter Berücksichtigung der neuen Höchstanspruchsdauer für bis zu 10 Arbeitstage geltend gemacht werden. Soweit in der Familie mehrere versicherte Kinder leben, bestehen die Ansprüche in einem Kalenderjahr entsprechend mehrfach. Insgesamt ist der Anspruch für einen Versicherten innerhalb eines Kalenderjahrs allerdings auf 25 Arbeitstage begrenzt.
Alleinerziehende Versicherte
Bei alleinerziehenden Versicherten wird die Höchstanspruchsdauer je Kind im Kalenderjahr auf 20 Arbeitstage bzw. für mehrere Kinder insgesamt auf 50 Arbeitstage festgelegt. Es ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob der antragstellende Elternteil als alleinerziehend angesehen werden kann. Als alleinerziehend im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB V gelten auch Versicherte, die als erziehender Elternteil faktisch alleinstehend sind. Für den erweiterten Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld von 20 Arbeitstagen ist dann nicht auf die alleinige Innehabung des Sorgerechts, sondern auf das tatsächliche Alleinstehen bei der Erziehung abzustellen (z. B. wenn das Kind grundsätzlich im gemeinsamen Haushalt mit einem Elternteil lebt und sich nur alle zwei Wochen am Wochenende beim anderen Elternteil aufhält. . In diesen Fällen ist bei dem Begriff alleinerziehend nur noch abzustellen auf Elternteile, die
- faktisch alleinstehend sind,
- mit dem Kind in einem Haushalt zusammenleben und
- allein oder gemeinsam mit einem anderen das Sorgerecht für das Kind haben (Ausnahme: Stief-, Enkel- sowie Pflegekinder).
Alleinerziehend kann somit auch ein Elternteil sein, dem kein alleiniges Personensorgerecht zusteht. Sofern der betroffene Elternteil als faktisch bei der Erziehung alleinstehend zu betrachten ist, ist ihm der Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld für 20 Arbeitstage einzuräumen.
Bei einem Statuswechsel von einem gemeinsamen zu einem alleinigen Personensorgerecht oder umgekehrt darf die Höchstanspruchsdauer für das Kinderpflege-Krankengeld nach § 45 Abs. 2 SGB V von maximal 20 Arbeitstagen je Kind (bzw. 50 Arbeitstage) nicht überschritten werden.
Berechnung und Höhe
Das Krankengeld wird seit seit dem 1.1.2015 nach dem während der Freistellung ausgefallenen Nettoarbeitsentgelt berechnet (ähnlich wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Das Nettoarbeitsentgelt wird aus dem Bruttoarbeitsentgelt ermittelt, soweit davon Beiträge zur Krankenversicherung berechnet wurden.
- Das Brutto-Krankengeld beträgt 90 % des Nettoarbeitsentgelts.
- Einmalzahlungen werden berücksichtigt, wenn sie in den letzten 12 Kalendermonaten vor der Freistellung gezahlt wurden. Das Brutto-Krankengeld beträgt dann unabhängig von der Höhe der Einmalzahlung 100 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts.
- Das kalendertägliche Krankengeld darf 70 % der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung nicht übersteigen.
Das Kinderpflege-Krankengeld ist von dem Tag an zu zahlen, an dem die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Wartetage sind nicht vorgesehen.
Schwerstkranke Kinder
Ein unbefristeter Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld besteht für Kinder, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind und an einer Erkrankung leiden,
- die progredient – d. h. fortschreitend und sich unaufhaltsam verschlimmernd- verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
- bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativ-medizinische – also schmerz- und Beschwerde lindernde – Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
- die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.
Der Anspruch besteht für ein Elternteil unabhängig davon, ob eine andere im Haushalt lebende Person die Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege des schwerstkranken Kindes übernehmen kann (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Der Anspruch ist nicht zeitlich befristet.
Der Anspruch besteht, soweit und solange die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. In der Praxis wird empfohlen, das Krankengeld zu zahlen, wenn das Kind voraussichtlich eine Lebenserwartung von bis zu sechs Monaten hat. Der Anspruch endet mit dem Tod des Kindes.
Das Krankengeld wird wie das Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 47 SGB V) für Kalendertage berechnet und gezahlt.
Freistellung von der Arbeitsleistung
Versicherte Arbeitnehmer haben für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Ob der Arbeitgeber für diese Zeit das Entgelt fortzahlt richtet sich nach der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses.
Den Freistellungsanspruch haben alle Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Anspruch auf Krankengeld bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind (vgl. § 45 Abs. 5 SGB V). Die Vorschrift erfasst auch Arbeitnehmer, die bei einem Unternehmen der privaten Versicherungswirtschaft krankenversichert sind.
Bezahlte Freistellung
Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts, soweit sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert sind (vgl. § 616 Satz 1 BGB). Als verhältnismäßig nicht erheblich ist ein Zeitraum von bis zu 5 Arbeitstagen anzusehen.
Ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund ist die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes. Der Anspruch kann vertraglich (z. B. durch einen Tarifvertrag oder einen Arbeitsvertrag) ausgeschlossen werden. Eine tarifvertragliche Regelungen über eine bezahlte Freistellung verdrängt die Ansprüche aus § 616 Satz 1 BGB.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber können alternativ zur ausgeschlossenen Entgeltfortzahlung einen Zuschuss zum Krankengeld vereinbaren. Dieser ist für den Krankengeldanspruch unschädlich, wenn er zusammen mit dem Krankengeld das Netto-Arbeitsentgelt um nicht mehr als 50 EUR monatlich überschreitet.
Auszubildende haben bei der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes ebenfalls einen Anspruch auf bezahlte Freistellung (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BBiG. Dieser Anspruch ist vorrangig vor dem Anspruch nach § 616 Satz 1 BGB und vertraglich nicht ausschließbar (vgl. § 25 BBiG).
Unbezahlte Freistellung
Versicherte Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung für die Zeit, in der ein Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld besteht (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Das gilt auch für die Pflege schwerstkranker Kinder (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 3 SGB V).
Der Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers kann weder durch tarifvertragliche noch durch einzelvertragliche Regelungen ausgeschlossen werden (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB V). Eine unberechtigte Freistellung kann mit einem späteren Freistellungsanspruch verrechnet werden (vgl. § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB V).
Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber
Versicherte Arbeitnehmer belegen ihren Anspruch auf Kinderpflege-Krankengeld gegenüber der Krankenkasse mit einer ärztlichen Bescheinigung. Sie erklären zusätzlich, dass im Haushalt keine andere Person lebt, die die Pflege des Kindes übernehmen kann. Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung wird durch eine Bescheinigung der Krankenkasse über die Krankengeldzahlung nachgewiesen.
Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld
Der Anspruch auf Krankengeld besteht auch neben einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Allerdings kommt es nicht zur Auszahlung durch die Krankenkasse für die Dauer der Entgeltfortzahlung (der Anspruch auf Krankengeld ruht; vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Ein Zuschuss des Arbeitgebers zum Krankengeld ist unschädlich für die Auszahlung, wenn der Zuschuss zusammen mit dem Krankengeld das Netto-Arbeitsentgelt nicht um mehr als 50 EUR im Monat überschreitet (vgl. § 23c Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegenüber dem Arbeitgeber
Die Krankenkasse prüft im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Krankengeld auch, ob sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber ergibt. Wenn der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung berechtigt oder unberechtigt verweigert, zahlt die Krankenkasse Krankengeld.
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung geht auf die Krankenkasse über, wenn der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung zu Unrecht verweigert (vgl. § 115 SGB X). Die Krankenkasse kann den übergegangenen Anspruch durch eine Klage vor dem Arbeitsgericht geltend machen.
Foto: Salih Ucar / pixelio.de
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