Die Entgeltersatzleistungen Kranken-, Versorgungskranken-, Verletzten- und Übergangsgeld werden jeweils 1 Jahr nach dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst. Bezieher dieser Entgeltersatzleistungen, die für einen längeren Zeitraum erkrankt sind, werden so an der Entwicklung der Arbeitsentgelte beteiligt. Eine Entgeltersatzleistung wird nur angepasst, wenn der Anpassungsfaktor größer als 1,0000 ist. Eine Absenkung (z. B. bei einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung) ist ausgeschlossen. Das BMAS gibt jeweils zum 30.6. eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor im Bundesanzeiger bekannt. Der Anpassungsfaktor gilt für die folgenden 12 Monate. Ein zum Jahresbeginn verändertes Höchstregelentgelt führt nicht zu einer Anpassung der Entgeltersatzleistung.
Rechtsgrundlagen
Die gesetzliche Grundlage für die Anpassung der Entgeltersatzleistungen enthält § 70 SGB IX. Das BSG hat über die Berechnungsgrundlage der Anpassung entschieden (BSG, Urteil v. 31.10.2012, B 13 R 10/12 R). Hinweise für die Praxis enthält das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Kranken- und Unfallversicherung (GR v. 3.12.2020) sowie das Gemeinsame Rundschreiben der Rentenversicherungsträger (GR v. 1.7.2019).
Anpassung von Amts wegen
Entgeltersatzleistungen werden regelmäßig an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst. Bei einer negativen Entwicklung der Entgelte werden die Entgeltersatzleistungen nicht angeglichen; die Leistung wird aber auch nicht abgesenkt. Die Entgeltersatzleistung wird durch den Sozialleistungsträger von Amts wegen angepasst. Ein Antrag ist nicht erforderlich.
Anpassungszeitpunkt
Eine Entgeltersatzleistung wird nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraums angepasst (individueller Anpassungszeitpunkt). Entscheidend ist der letzte Kalendertag des Bemessungszeitraums, unabhängig von dessen Dauer. Das gilt auch, wenn sich eine Entgeltersatzleistung an eine andere anschließt und zur Berechnung auf denselben Bemessungszeitraum zurückgegriffen wird.
Das Krankengeld für selbstständig Tätige wird aus dem Arbeitseinkommen berechnet, das unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. der medizinischen Rehabilitationsleistung für die Bemessung des Krankenversichertenbeitrags maßgebend war (§ 47 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 2 SGB V). Bemessungszeitraum ist also der Kalendertag vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Selbstständig Tätige Die Spitzenverbände der Kranken- und Unfallversicherung empfehlen im GR v. 3.12.2020 ein abweichendes Vorgehen. Für die Anpassung des Krankengelds ist als Ende des Bemessungszeitraums das Ende des Kalendermonats vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen. Bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen, die zusätzlich Arbeitsentgelt aus einer nicht versicherungspflichtigen, aber der Beitragsberechnung nach § 240 SGB V unterliegenden Beschäftigung erzielen, ist insoweit einheitlich auf den nach § 47 Abs. 2 SGB V maßgeblichen Bemessungszeitraum abzustellen. |
Beispiel – Anpassungszeitpunkt Bemessungszeitraum für das Krankengeld ist der Kalendermonat August 2021. Das Krankengeld wird am 1.9.2022 angepasst. Bemessungszeitraum für das Verletztengeld ist das Kalenderjahr 2021. Das Verletztengeld wird am 1.1.2023 angepasst. Übergangsgeld wird seit dem 5.1.2022 gezahlt. Bemessungszeitraum ist der Kalendermonat November 2021. Im Anschluss an das Übergangsgeld wird Krankengeld bezogen. Bemessungszeitraum für das Krankengeld ist ebenfalls der Kalendermonat November 2021. Das Krankengeld wird am 1.12.2022 angepasst. |
Berechnungsgrundlage
Übergangsgeld
Berechnungsgrundlage für die Anpassung des Übergangsgeldes sind 80 % des Regelentgelts, höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des § 67 SGB IX ermittelte Nettoarbeitsentgelt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf dieser Basis wird das gestaffelte Übergangsgeld nach der Anpassung neu berechnet (§ 66 Abs. 1 Satz 3 SGB IX).
Kranken-, Versorgungskranken- oder Verletztengeld
Berechnungsgrundlage für die Anpassung des Kranken-, Versorgungskranken- oder Verletztengeldes ist der jeweilige Zahlbetrag der Entgeltersatzleistung (z. B. Bruttokrankengeld vor dem Abzug der Beitragsanteile des Versicherten).
Das gestaffelte Übergangsgeld wird ausgehend von einer Berechnungsgrundlage ermittelt. Eine solche Staffelung der Leistungshöhe gibt es nicht für Kranken-, Versorgungskranken- oder Verletztengeld. Die Zahlbeträge dieser Entgeltersatzleistungen und die Berechnungsgrundlage für deren Anpassung sind somit identisch. Im Ergebnis kann daher der Zahlbetrag der ggf. kumulierten Entgeltersatzleistung angepasst werden.
Wenn eine Entgeltersatzleistung angepasst wird, ist auch die Berechnungsgrundlage für die Beiträge anzupassen. Abweichend von der Anpassung der Entgeltersatzleistungen wird immer die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge angepasst.
Anpassungsfaktor
Die Entgeltersatzleistung wird um den Anpassungsfaktor erhöht, der zuletzt vor dem individuellen Anpassungszeitpunkt veröffentlicht wurde.
Bemessungszeitraum | Anpassungszeitpunkt | Anpassungsfaktor |
Juli 2019 | 1.8.2020 | 1,0304 (1.7.2020 |
August 2020 | 1.9.2021 | 1,0000 (1.7.2021) |
September 2021 | 1.10.2022 | 1,0348 (1.7.2022) |
Oktober 2021 | 1.11.2022 | 1,0348 (1.7.2022) |
Der Anpassungsfaktor wird errechnet, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden. Das BMAS gibt jeweils zum 30.6. eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor im Bundesanzeiger bekannt. Er gilt vom 1.7. an für 12 Kalendermonate bis zum 30.6. des Folgejahres.
Bemessungszeitraum | Juli 2021 |
Regelentgelt | 70 EUR |
Zahlbetrag des Krankengeldes (Bruttokrankengeld) | 49 EUR |
Anpassungszeitpunkt | 1.8.2022 |
Anpassungsfaktor (1.7.2022) | 1,0348 |
unverändertes Krankengeld | 50,71 EUR |
Berechnungsgrundlage für die Beiträge sind 80 % des Regelentgelts (56 EUR). Der entsprechende Wert ist ebenfalls zum 1.8.2022 anzupassen. | 57,95 EUR |
Entgeltersatzleistungen werden nur dann angepasst, wenn der Anpassungsfaktor größer als 1,0000 ist. Damit wird vermieden, dass Entgeltersatzleistungen abgesenkt werden, wenn sich die Arbeitsentgelte negativ entwickeln. Im entsprechenden Fall wird die Entgeltersatzleistung allerdings auch nicht erhöht.
Wegen der wirtschaftlichen Entwicklung wurde zum 1.7.2010 ein Anpassungsfaktor von 0,9958 errechnet. Dieser Faktor hätte dazu geführt, dass Entgeltersatzleistungen bei einem individuellen Anpassungszeitpunkt in der Zeit vom 1.7.2010 bis zum 30.6.2011 abgesenkt worden wären. Der Gesetzgeber hat deshalb mit Wirkung ab 1.7.2010 eine Schutzklausel geschaffen, die eine Absenkung von Entgeltersatzleistungen verhindert (§ 70 Abs. 3 SGB IX).
Höchstbetrag nach der Anpassung
Das angepasste Krankengeld darf 70 % des zum Anpassungszeitpunkt maßgeblichen Höchstregelentgelts nicht überschreiten (§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 SGB V). Versorgungskrankengeld und Verletztengeld dürfen nach der Anpassung 80 % des Höchstregelentgelts nicht überschreiten (§ 16 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Berechnungsgrundlage für das gestaffelte Übergangsgeld darf 80 % des Höchstregelentgelts nicht überschreiten (§ 47 Abs. 4 SGB IX).
Bemessungszeitraum | Juli 2021 |
Anpassungszeitpunkt | 1.8.2022 |
Anpassungsfaktor (1.7.2022) | 1,0348 |
Zahlbetrag des Krankengeldes vor der Erhöhung | 105,88 EUR |
Zahlbetrag des erhöhten Krankengeldes | 109,56 EUR |
Höchstregelentgelt zum Zeitpunkt der Erhöhung (2022) | 161,25 EUR |
70 % des Höchstregelentgelts (2022) | 112,88 EUR |
Zahlbetrag des erhöhten Krankengeldes nach Vergleich mit 70 % des Höchstregelentgelts (2022) | 109,56 EUR |
In § 70 SGB IX fehlt eine Regelung, die die angepasste Entgeltersatzleistung begrenzt. Dabei handelt es sich vermutlich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. Die Begrenzung auf die jeweilige Leistungsbemessungsgrenze zum individuellen Anpassungszeitpunkt lässt sich allerdings aus der erkennbaren gesetzgeberischen Absicht im Zusammenhang mit der Anpassung von Entgeltersatzleistungen ableiten.
Bezieher von Leistungen nach dem SGB II/SGB III
Im Anschluss an Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB III gezahlte Entgeltersatzleistungen werden nicht angepasst. Es fehlt an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.
Bezieher von Arbeitslosengeld II haben keinen Anspruch auf Krankengeld (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Andere Entgeltersatzleistungen können dagegen beansprucht werden.
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