Krankengeld – Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse melden

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  • Beitrag zuletzt geändert am:2. April 2021
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Eine Arbeitsunfähigkeit ist der Krankenkasse innerhalb einer Woche nach ihrem Beginn zu melden. Ansonsten droht der Verlust der Leistung. Das gilt auch bei einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit für die Folgebescheinigungen des Arztes.

Arbeitsunfähigkeit wird erstmalig bescheinigt

Eine Arbeitsunfähigkeit ist der Krankenkasse durch den Versicherten zu melden (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Die Vorschrift ist nicht anzuwenden, wenn der Anspruch auf Krankengeld auf einer stationären Behandlung beruht.

Wird die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht innerhalb einer Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit gemeldet, ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Meldung der Krankenkasse nicht vorliegt. Die Meldefrist verlängert sich auf den nächstfolgenden Werktag, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag, einen Sonntagoder einen gesetzlichen Feiertagfällt (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X).

Beispiel

Beginn der Arbeitsunfähigkeit                        7. April 2019
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit                9. April 2019
Meldung der Arbeitsunfähigkeit                   18. April 2019

Die Arbeitsunfähigkeit hätte der Krankenkasse spätestens am 14. April 2019 gemeldet werden müssen. Diese Frist verlängert sich auf den 15. April 2019, weil der 14. April 2019 ein Sonntag ist. Da die Meldung verspätet bei der Krankenkasse abgegeben wurde, ruht der Anspruch auf Krankengeld bis zum 17. April 2019. Krankengeld kann frühestens vom 18. April 2019 an gezahlt werden.

Hinweis

Die Meldefrist ist nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu beurteilen. Ob Krankengeld tatsächlich gezahlt wird ist u. a. vom Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber abhängig.

Der Arzt stellt eine Folgebescheinigung aus

Auch bei fortgesetztem Krankengeldbezug ist es nicht mit einer einmaligen Krankmeldung bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit getan (BSG, Urteil vom 25.10.2018, B 3 KR 23/17 R mit weiteren Nachweisen). Anders als es der Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5  SGB V nahe zu legen scheint, muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat.

Beispiel

Ein versicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer ist seit dem 4. April 2019 arbeitsunfähig krank. Der behandelnde Arzt bescheinigt erstmalig Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. April 2019. In einer Folgebescheinigung wird Arbeitsunfähigkeit bis zum 2. Mai 2019 bescheinigt. Die fortgesetzte Arbeitsunfähigkeit ist der Krankenkasse bis zum 26. April 2019 zu melden.

Hinweis

Die Krankenkasse hat zunächst für den Bewilligungsabschnitt vom 4. bis zum 18. April 2019 über den Anspruch auf Krankengeld entschieden. Sie trifft aufgrund der Folgebescheinigung eine erneute Entscheidung über den Anspruch auf Krankengeld. Wenn die Arbeitsunfähigkeit über den 18. April 2019 nicht fortgesetzt wird, endet damit der Krankengeldanspruch, ohne dass es eines Aufhebungsbescheides darüber bedarf.

Die Krankenkasse prüft die Arbeitsunfähigkeit

Die Meldepflicht ist auf den jeweiligen konkreten Leistungsfall bezogen; sie soll gewährleisten, dass die Krankenkasse über das (Fort-)Bestehen der Arbeitsunfähigkeit informiert und in die Lage versetzt ist, vor der Entscheidung über den Krankengeldanspruch und gegebenenfalls auch während des nachfolgenden Leistungsbezugs den Gesundheitszustand des Versicherten durch den medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, um Zweifel an der ärztlichen Beurteilung zu beseitigen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung des Heilerfolges und zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl. § 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).

Ein Bedürfnis nach Überprüfung besteht aber nicht nur bei der erstmaligen, sondern auch bei jeder weiteren Bewilligung von Krankengeld. Dementsprechend muss die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse erneut gemeldet werden, wenn nach einer vorübergehenden leistungsfreien Zeit wieder Krankengeld gezahlt werden soll. Dasselbe hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden ist. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor dem Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will.

Dem Versicherten obliegt es, die Arbeitsunfähigkeit zu melden

Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Die Ausschlussregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist strikt anzuwenden. Sie soll die Krankenkasse davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs nachträglich aufklären zu müssen, und ihr die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können.

Die Meldung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann deswegen z. B. auch telefonisch abgegeben werden. Eine Meldung ist nicht erforderlich, wenn die ärztliche Bescheinigung der Krankenkasse fristgerecht zugeht.

Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im übrigen zweifelsfrei gegeben waren und dem Versicherten kein Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden konnte.

Beispiele

Der Versicherte trägt die Folgen der unterlassenen Meldung, wenn

  • eine rechtzeitig aufgegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem Postweg verloren geht,
  • die Meldung unterbleibt, weil der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen von dessen Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis hatte,
  • die Meldung nach einer Unterbrechung des Krankengeldbezugs unverschuldet unterlassen wurde,
  • das Meldeerfordernisses bei Beginn einer neuen Blockfrist nicht bekannt war,
  • die Meldung wegen des Antrags auf eine andere Sozialleistung unterlassen wurde.

Ausnahmen

Von der Ruhensregelung hat die Rechtsprechung aber trotz der strikten Handhabung Ausnahmen anerkannt. Das Ruhen darf dem Anspruch nicht entgegengehalten werden, wenn die Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte von der rechtzeitigen Abgabe der Meldung ausgehen durfte, diese ihren Adressaten aber wegen von der Kasse zu vertretender Organisationsmängel nicht erreicht hat.

Eine Obliegenheitsverletzung kann ebenfalls unter folgenden Voraussetzungen nicht vorgeworfen werden:

  1. Der Versicherte hat alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren.
  2. Er wurde daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (z. B. durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes oder des MDK).
  3. Er macht seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis des Fehlers geltend.

Der Arzt leitet die Bescheinigung an die Krankenkasse weiter

Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs ist nicht gerechtfertigt, wenn die verspätete oder unterbliebene Meldung dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen ist (z. B. durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung über das Ende der Arbeitsunfähigkeit).

Der Versicherte trägt allerdings auch dann das Risiko des rechtzeitigen Zugangs, wenn die vom Arzt ausgehändigte und für die Krankenkasse bestimmte Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit einen Vermerk nach § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG enthält. Die Vorschrift verpflichtet einen Arzt im Verhältnis zu einem Versicherten nicht außerhalb der für die Entgeltfortzahlung geltenden Regelungen zur Übersendung einer AU-Bescheinigung an die Krankenkasse. Eine verspätete Meldung ist nicht dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzurechnen.

Beispiel

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber

Der angegebenen Krankenkasse wird unverzüglich eine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über die Diagnose sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt.

An der früheren, entgegenstehenden Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 2.11.2007, B 1 KR 38/06 R). hält das Bundessozialgericht nicht fest.

Die ärztliche Bescheinigung wird der Arbeitsagentur vorgelegt

Der Versicherte und Bezieher von Arbeitslosengeld ist ebenfalls von seiner Obliegenheit entlastet, wenn die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich der Agentur für Arbeit vorgelegt wird. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Agentur für Arbeit nach dem Grundsatz vertrauensvoller enger Zusammenarbeit der Leistungsträger (vgl. § 86 SGB X) auch in Würdigung des Gebots aus § 2 Abs 2 SGB I die Krankenkasse über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit informiert.

Der Arzt stellt eine Fehldiagnose über das Ende der Arbeitsunfähigkeit

Wird der Versicherte im Falle einer Fehldiagnose des behandelnden Arztes irrtümlich gesund geschrieben, ist eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinzunehmen. Vielmehr kann ihre Unrichtigkeit (gegebenenfalls auch durch eine nachträgliche Beurteilung eines anderen ärztlichen Gutachters) nachgewiesen werden.

Die dem Versicherten vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen, erfüllt er, wenn er alles in seiner Macht stehende unternimmt, um die ärztliche Feststellung zu erhalten. Er hat dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Er kann aber den Arzt nicht zwingen, eine vollständige Befunderhebung durchzuführen und eine zutreffende Beurteilung abzugeben.

Unterbleibt die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Kassenarztes oder der sonstigen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung berufenen Personen oder Einrichtungen zuzuordnen sind, so darf sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken.

Die Arbeitsunfähigkeit ist der zuständigen Krankenkasse zu melden

Die Meldepflicht obliegt dem Versicherten gegenüber der Krankenkasse, die für das Krankengeld zuständig ist (BSG, Urteil vom 28. Oktober 1981, 3 RK 59/80). Der Versicherte ist also dafür verantwortlich, dass die Arbeitsunfähigkeit fristgerecht bei der zuständigen Krankenkasse gemeldet wird. Der Versicherte erfüllt seine Obliegenheit nicht, wenn er die Arbeitsunfähigkeit (z. B. irrtümlich) einer Krankenkasse meldet, die nicht für das Krankengeld zuständig ist.

Die Meldung ist kein Leistungsantrag

Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist eine Nebenpflicht (Obliegenheit) aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen der Krankenkasse und ihrem Versicherten. Die Meldung ist vom Sozialleistungsantragzu unterscheiden, da es sich nicht um einen Antrag, sondern um die Mitteilung einer Tatsache handelt. Die Meldung kann allenfalls zusätzlich als Antragaufgefasst werden.

§ 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I, wonach ein Leistungsantragwirksam auch bei einer anderen Stelle als dem zuständigen Sozialleistungsträger gestellt werden kann, ist deshalb auf die Meldepflicht des Versicherten nicht anwendbar. Das Gleiche gilt hinsichtlich des § 28 SGB X, dessen sachlicher Geltungsbereich den unterlassenen Sozialleistungsantragbei konkurrierenden Leistungsansprüchen erfasst (BSG,Urteil vom 22. 2. 1989, 8 RKn 8/88).

Beispiel

Eine Unternehmerin ist freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld. Sie ist seit dem 6. April 2019 arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit wurde am selben Tag festgestellt. Der Arzt händigt der Versicherten die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, die für die Krankenkasse bestimmt ist. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird versehentlich an die AOK weitergeleitet, bei der sie am 10. April 2019 eingeht. Nachdem festgestellt wird, dass die Bescheinigung für die IKK bestimmt ist, wird sie weitergeleitet und geht am 21. Mai 2019 dort ein.

Der Leistungsantrag wird am 10. April 2019 wirksam beim unzuständigen Leistungsträger (AOK) gestellt (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I). Die Arbeitsunfähigkeit wird am 21. Mai 2019 bei der IKK gemeldet (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V). Da die Arbeitsunfähigkeit nicht fristgerecht gemeldet wurde, ruht der Anspruch auf Krankengeld bis zum 20. Mai 2019.

Bild: Benjamin Thorn  / pixelio.de

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