Krankenkassen unterstehen (seit dem 1. Januar 2010) der Insolvenzordnung und sind damit insolvenzfähig (vgl. § 171b Abs. 1 SGB V). Die Insolvenzordnung wird durch spezialgesetzliche Regelungen modifiziert (vgl. § 171b Abs. 2 bis 7 SGB V).
Die Norm bestimmt im Wesentlichen die Insolvenzfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen und beseitigt die ungleiche Behandlung zwischen landes- und bundesunmittelbaren Krankenkassen (Abs. 1). Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift spielte das Insolvenzrecht faktisch keine Rolle, weil schon das im SGB V verankerte Instrument der Kassenschließung auf eine auf Dauer gesicherte
Leistungsfähigkeit abstellt. Dieses Kriterium ist aufgrund der daran geknüpften Voraussetzungen im Falle einer finanziellen Schieflage regelmäßig zeitlich früher erfüllt als die weitergehenden
Voraussetzungen für einen Insolvenzantrag. Gleichwohl bestand jedoch auch vor Inkrafttreten des § 171b eine rechtliche und tatsächliche Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen nach der InsO (vgl. BSG, Urteil v. 1.6.1978, 12 RK 16/77).
Soweit keine von der Insolvenzordnung ausdrücklich abweichenden Regelungen getroffen sind, ist die Anwendung des privatwirtschaftlichen Insolvenzrechts zwingend (Abs. 1 Satz 2). Die Anwendung der Insolvenzordnung als Regelung des Privatrechts macht bei dem hier vorliegenden Anwendungsfall der Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts besondere Abweichungen erforderlich, die in den Abs. 2 bis 7 geregelt sind. Dabei geht es insbesondere um die Ordnung eines abgestuften Verfahrens, bei dem zunächst finanzielle Hilfen und ergänzende Maßnahmen (§§ 265a, 265b), Kassenfusionen und Schließungsverfahren (§§ 155 ff.) die bevorzugten Instrumente zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens sind. Geregelt werden die Informationspflichten der Krankenkassen gegenüber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Aufsichtsbehörde. Weiterhin sind Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Spitzenverbands Bund und der Aufsichtsbehörden in § 171b definiert.
Von der Insolvenz einer Krankenkasse ist die Schließung einer Krankenkasse zu unterscheiden. Während sich die Insolvenz einer Krankenkasse grundsätzlich nach der Insolvenzordnung richtet,
gelten für die Schließung einer Krankenkasse ausschließlich die sozialrechtlichen Sonderregelungen im SGB V (insbesondere §§ 155, 164).
Die Norm gilt nicht für die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte, die die Krankenversicherung nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte durchführt und in Angelegenheiten der Krankenversicherung die Bezeichnung landwirtschaftliche Krankenkasse führt (§ 17 Satz 3 KVLG 1989). Die Ausnahme ist sachgerecht, da die landwirtschaftliche Krankenkasse nicht am Kassenwettbewerb und Gesundheitsfonds teilnimmt (BT-Drs. 16/9559 S. 19). Ebenfalls von der Insolvenzfähigkeit ausgenommen ist die Knappschaft als Bestandteil der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die knappschaftliche Krankenversicherung ist als unselbstständige Abteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in einen Verwaltungsverbund integriert und nicht als Krankenkasse in der Rechtsform einer selbstständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig. Die Insolvenzfähigkeit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See richtet sich nach § 11 Abs. 1 InsO.
Insolvenzfähigkeit
Bis zum Inkrafttreten der Vorschrift wurden landes- und bundesunmittelbare Krankenkassen in ihrer Insolvenzfähigkeit unterschiedlich behandelt. Dies resultierte aus der Regelung des § 12 Abs. 1
Nr. 2 InsO, nach der das jeweilige Landesrecht über die Insolvenzfähigkeit juristischer Personen entscheidet, soweit diese der Landesaufsicht unterstehen. Die Länder haben ihre landesunmittelbaren Krankenkassen entsprechend durch Landesrecht für insolvenzunfähig erklärt. Diese unterschiedliche Rechtslage war auch finanziell relevant, da die Insolvenzfähigkeit Umlagepflichten für das Insolvenzgeld nach dem SGB III und für die Insolvenzsicherung der Ansprüche der Beschäftigten auf eine zugesagte betriebliche Altersversorgung auslöst. Die Beseitigung dieses wettbewerbsverzerrenden Privilegs ist nach der Gesetzesbegründung primäres Ziel der Vorschrift. Durch die Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen werden gleiche Rahmenbedingungen hergestellt (BT-Drs. 16/9559 S. 15). Die Sonderregelung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird nicht mehr auf Krankenkassen angewendet.
Die Rangfolge der verschiedenen Instrumente (Fusion, Schließung, Insolvenz) ergibt sich zum Teil aus anderen Vorschriften. So regelt § 172 Abs. 2 die Verpflichtung des Spitzenverbandes
Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), dort vorliegende Informationen über wirtschaftliche Schwierigkeiten einer Krankenkasse der zuständigen Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Als finanzielle Hilfe kommt eine Unterstützung derselben Kassenart auf freiwilliger Ebene in Betracht (§ 265b SGB V). Weiterhin sind auf Antrag der Aufsichtsbehörde finanzielle Hilfen durch den Spitzenverband Bund möglich (§ 265a SGB V), wenn dadurch Vereinigungen von Krankenkassen ermöglicht oder erleichtert und diese Fusionen zur Abwendung von Haftungsrisiken für notwendig erachtet werden. Kann bei einer Krankenkasse nur durch die Vereinigung mit einer anderen Krankenkasse die Leistungsfähigkeit auf Dauer gesichert bzw. die Insolvenz vermieden werden, kann der GKV-Spitzenverband der Aufsichtsbehörde Vorschläge für Fusionspartner vorlegen. Zwangsfusionen durch Beschluss der Aufsichtsbehörde sind möglich, wenn eine „rettende“ freiwillige Vereinigung nicht zustande kommt (§ 172 Abs. 3 SGB V).
Für die Krankenkassen gilt das Insolvenzrecht, wenn über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Insolvenzordnung gehen als spezialgesetzliche Regelungen die Abs. 2 bis 7 vor.
Anzeige
Ein Insolvenzgrund ist unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) durch den Vorstand der Krankenkasse anzuzeigen (Abs. 1 Satz 1). Mit einer frühzeitigen Verpflichtung zur Anzeige der
Zahlungsunfähigkeit, drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bei der Aufsichtsbehörde ist die Aufsichtsbehörde rechtzeitig in der Lage, den Antrag auf Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens (Abs. 3) zu prüfen.
Die Krankenkasse ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Dies ist i. d. R. anzunehmen, wenn sie ihre Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) oder 10 % oder mehr ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als 3 Wochen nicht erfüllen kann (BGH, Beschluss v. 26.2.2013, II ZR 54/12).
Zahlungsunfähigkeit droht, wenn die Krankenkasse voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (Legaldefinition; vgl.
auch § 18 Abs. 2 InsO). Darüber ist eine Prognose zu erstellen. In Anbetracht dessen, dass die Krankenkassen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds in einem zweistufigen Verfahren mit
monatlichen Abschlägen und einem Jahresausgleich ausgezahlt bekommen, erscheint ein Prognosezeitraum auf der Grundlage der Abschlagszahlungen bis zum Erhalt der Schlusszahlung als denkbar (Krasney, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 171b Rz. 29 m. w. N.). Für diesen Zeitraum ist ein Finanzplan zu erstellen, in dem die bereits bestehenden und noch zu
begründenden Zahlungspflichten und die in dieser Zeit erwarteten Zahlungseingänge gegenüber zu stellen sind.
Die Krankenkasse ist überschuldet, wenn ihr Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung der Krankenkasse ist nach den Umständen überwiegend
wahrscheinlich (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Um die Überschuldung transparent zu machen, sind die Erstellung einer Überschuldungsbilanz und eine Fortführungsprognose erforderlich (zweistufiger Überschuldungsbegriff). Beide Tatbestandsmerkmale sind gleichwertig. Liegt eine positive Fortführungsprognose vor, scheidet die Überschuldung selbst bei einer negativen
Überschuldungsbilanz aus (Bremen, in: Graf-Schlicker, InsO, § 19 Rz. 12). Umgekehrt ist die Überschuldung ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse trotz positiver Fortführungsprognose
rechnerisch nicht überschuldet ist. Verbindlichkeiten sind nicht zu berücksichtigen, für die der GKV-Spitzenverband nach § 171d Abs. 1 SGB V haftet. Dies betrifft die bis 31.12.2009 aufgelaufenen Altersversorgungsverpflichtungen. Ungedeckte Versorgungsverpflichtungen sollen nicht zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung der Krankenkassen führen (BT-Drs. 16/9559 S. 20).
Verpflichtung des Vorstands
Die Verpflichtung zur Anzeige trifft den Vorstand. Anders als nach dem Recht der Insolvenzordnung hat er nicht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, sondern den Sachverhalt der zuständigen Aufsichtsbehörde unverzüglich anzuzeigen. Der Vorstand muss damit ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) handeln. Die Anzeige ist spätestens 3 Wochen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzugeben (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO). Inhaltlich ist die Aufsichtsbehörde an die Einschätzungen und Wertungen der Anzeige nicht gebunden (BT-Drs. 16/9559 S. 20), kann also auch zu abweichenden Beurteilungen kommen.
Besteht der Vorstand aus mehreren Organwaltern, ist jede Person unabhängig vom jeweiligen Zuständigkeitsbereich von der Anzeigepflicht betroffen. Der Antrag eines Vorstandsmitglieds wirkt
auch für die Vorstandskollegen, die dann von ihrer Anzeigepflicht befreit sind.
Über die Anzeige ist dem Verwaltungsrat zu berichten (§ 35a Abs. 2 SGB IV). Der Vorstand kommt seiner Berichtspflicht unaufgefordert nach. Ein Verstoß dagegen ist eine Amtspflichtverletzung.
Daraus können sich sowohl Schadenersatzansprüche als auch eine Amtsentbindung oder Amtsenthebung (§ 59 Abs. 2, 3 SGB IV) ergeben.
Das Unterlassen der Anzeige ist als Vergehen strafbar und kann mit Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe belegt sein (§ 307a Abs. 1), auch wenn bloße Fahrlässigkeit vorliegt. Strafbar ist bereits die fehlerhafte oder eine unterlassene Anzeige drohender Zahlungsunfähigkeit.
Der Anzeige sind aussagefähige Unterlagen beizufügen. Daraus muss sich der angezeigte Insolvenzgrund schlüssig und nachvollziehbar ergeben. Vorzulegen sind somit insbesondere die
Liquiditätsbilanz (Zahlungsunfähigkeit und drohende Zahlungsunfähigkeit) und die Überschuldungsbilanz mit der erforderlichen negativen Fortführungsprognose (Überschuldung).
Haftung für Altersversorgungs- und Altersteilzeitverpflichtungen
Solange der GKV-Spitzenverband für die Altersversorgungs- und Altersteilzeitverpflichtungen haftet (§ 171d Abs. 1 SGB V), werden diese nicht in die Überschuldungsbilanz (§ 19 InsO) eingestellt (Abs. 2 Satz 2). Ungedeckte Versorgungsverpflichtungen führen damit nicht zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung (BT-Drs. 16/9559 S. 20).
Insolvenzantrag
Der Insolvenzantrag kann ähnlich wie für das Kreditwesen im Kreditwesengesetz (§ 46b KWG) geregelt nicht vom Vorstand gestellt werden (Abs. 3 Satz 1). Auch Gläubiger der Krankenkasse sind dazu nicht berechtigt. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Funktionsfähigkeit des GKV-Systems gefährdet werden könnte, wenn auch die Gläubiger einer Krankenkasse etwa aufgrund unzutreffender Informationen über die wirtschaftliche Lage einer Krankenkasse einen Insolvenzantrag stellen könnten. Dies könnte etwa dazu führen, dass die Erbringung der
erforderlichen Leistungen im Krankheitsfall nicht mehr sichergestellt wäre (BT-Drs. 16/9559 S. 20). Nur die für die betroffene Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde ist abweichend von der
Insolvenzordnung berechtigt, den Insolvenzantrag zu stellen. Dazu greift sie auf die Informationen zurück, die sie vom Vorstand der Kasse erhalten hat.
Liegen sowohl die Voraussetzungen für eine sozialrechtliche Schließung der Kasse (§ 146a Satz 1, § 153 Satz 1 Nr. 3, § 163 Satz 1 Nr. 3, § 170 Satz 1 SGB V) als auch die für einen Insolvenzantrag vor, soll die Aufsichtsbehörde vorrangig die Kasse schließen (Abs. 3 Satz 2). Im Regelfall hat sie daher die Krankenkasse zu schließen, es sei denn, dass im Einzelfall sachliche Gründe für die Stellung eines Insolvenzantrags sprechen (BT-Drs. 16/9559 S. 20). Nicht erläutert wird, welche sachlichen Gründe dies sein könnten. An das Vorliegen solcher Gründe sind jedenfalls strenge Anforderungen zu stellen, denn ein Schließungsverfahren ist immer vorrangig zu betreiben. Im Vergleich zu einem Insolvenzverfahren entstehen bei einer Kassenschließung weniger verfahrensbedingte Folgekosten (Gerichtskosten, Insolvenzverwalter etc.). Der Antrag auf Insolvenzeröffnung soll nur als letztes Mittel in Betracht kommen. Neben dem Schließungsverfahren besteht für die Aufsichtsbehörde als weiteres Instrument auch die Anordnung einer Zwangsfusion (§ 172 Abs. 3 SGB V).
Eine Krankenkasse ist zu schließen, wenn ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr auf Dauer gesichert ist. Abweichend von der überholten Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 17.7.1985, 1 RR 8/84) ist die
Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse nicht mehr auf Dauer gesichert, wenn sie zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben einen Zusatzbeitrag erheben müsste, der zur Zeit der Beitragserhebung auf dem Markt nicht durchsetzbar ist (Krasney in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 171b Rz. 43 m. w. N.). Kurzfristige Liquiditätsprobleme erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
Für einen Insolvenzantrag hat die Aufsichtsbehörde 3 Monate Zeit (Abs. 3 Satz 3). Die Frist beginnt nach Eingang der Anzeige durch den Kassenvorstand. Der Gesetzentwurf begründet die vergleichsweise lang laufende Antragsfrist mit der Gefahr der Benachteiligung der Gläubiger bei einer späteren Antragstellung, da deren Ansprüche nach den Regeln des Insolvenzverfahrens nur nach der Quote befriedigt werden (vgl. § 195 InsO), während bei der Schließung aufgrund der bestehenden Haftungskaskade nach § 155 alle bestehenden Verbindlichkeiten der geschlossenen Krankenkassen voll befriedigt werden (BT-Drs. 16/9559 S. 20). Im Ergebnis führt der Fristablauf zu einem Anwendungsvorrang des Schließungsrechts. Ungeachtet dessen verläuft die nach der InsO im Wirtschaftsrecht gesetzte Frist mit 3 Wochen deutlich kürzer (§ 15a InsO).
Die spätere Antragstellung auf Insolvenzeröffnung ist solange ausgeschlossen, wie der Insolvenzgrund aus der Anzeige des Vorstands fortbesteht. Damit wird klargestellt, dass spätere
Insolvenzanträge aufgrund neu eingetretener Insolvenzgründe durch die 3-Monats-Frist nicht ausgeschlossen werden (BT-Drs. 16/9559 S. 20).
Bei der Frage des Insolvenzantrages handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die auch mit der Nichtbeantragung des Insolvenzverfahrens enden kann. Eine Amtshaftung kommt für den Fall der schuldhaften Untätigkeit in der 3-Monats-Frist in Betracht.
Die Regelungen des § 155 Abs. 2 Satz 5 bis 7 SGB V, die für den Fall der Schließung einer Krankenkasse getroffen sind, gelten bei einem Insolvenzantrag durch die Aufsichtsbehörde entsprechend (Abs. 3 Satz 4). Der Abwicklungsvorstand hat die Mitglieder der Kasse und die zur Meldung verpflichteten Stellen (u. a. Arbeitgeber) über die Formalitäten des Kassenwahlrechts zu informieren. Diese Verpflichtung wird bereits durch die Stellung des Insolvenzantrages ausgelöst. Das ergibt sich zweifelsfrei aus § 175 Abs. 3a Satz 1 SGB V, der bei Insolvenz einer Krankenkasse die Frist zur Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung mit 6 Wochen nach Stellung des Insolvenzantrags definiert. Es ist also nicht etwa in analoger Anwendung des § 155 SGB V ein Beschluss über die Eröffnung oder Ablehnung des Insolvenzverfahrens abzuwarten.
Unterrichtungs-, Anhörungs und Auskunftspflicht
Die Aufsichtsbehörde ist verpflichtet, den GKV-Spitzenverband unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) sowohl über die eingegangene Anzeige eines Kassenvorstandes über Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (vgl. Abs. 2 Satz 1) als auch über die Antragstellung auf Insolvenzeröffnung (vgl. Abs. 3 Satz 1) zu unterrichten (Abs. 4 Satz 1). Ein Beteiligungsrecht des GKV-Spitzenverbandes ist damit nicht verbunden. Der GKV-Spitzenverband soll sich auf die Haftungsfolgen einstellen können (BT-Drs. 16/9559 S. 20). Zudem ist der GKV-Spitzenverband verpflichtet, wiederum unverzüglich die Krankenkassen derselben Kassenart oder deren Landesverbände zu unterrichten, wenn er in einem der beiden angeführten Sachverhalte von der Aufsichtsbehörde informiert wird (Abs. 4 Satz 2).
Das Insolvenzgericht ist verpflichtet, die Aufsichtsbehörde vor der Bestellung des Insolvenzverwalters zu hören (Abs. 4 Satz 3). Das Anhörungsrecht gewährt dabei kein Mitspracherecht.
Weiterhin ist das Insolvenzgericht verpflichtet, den Eröffnungsbeschluss der Aufsichtsbehörde gesondert zuzustellen (Abs. 4 Satz 4). Diese Regelung erfolgt vor dem Hintergrund, dass nach der InsO der Eröffnungsbeschluss dem Schuldner, den Gläubigern und den Schuldnern des Schuldners zugestellt wird. Da das Recht zur Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hier abweichend jedoch allein der Aufsichtsbehörde zukommt, rechtfertigt dies eine entsprechende Information im Falle der Verfahrenseröffnung.
Aufsichtsbehörde und GKV-Spitzenverband können jederzeit Auskünfte zum Stand des Verfahrens vom Insolvenzgericht und vom Insolvenzverwalter verlangen (Abs. 4 Satz 5). Ein berechtigtes Interesse ist dafür nicht erforderlich. Neben dieser spezialgesetzlichen Regelung dürfte darüber hinaus auch das Recht auf Akteneinsicht aus Art. 35 GG i. V. m. §§ 3 bis 7 SGB X ableitbar sein, wenn sie der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben des Spitzenverbandes Bund bzw. der Aufsichtsbehörde dient.
Zeitpunkt und Folgen der Schließung
Die Kasse ist mit dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder dem Tag der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist, geschlossen. Das Ergebnis ist der Verlust der Eigenschaft einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 SGB V). Die „gesetzliche Krankenkasse“ existiert nicht mehr.
Die Abwicklung der Geschäfte der Krankenkasse bei Insolvenzeröffnung erfolgt im Weiteren dann nach der Insolvenzordnung. Damit geht die Verfügungsgewalt über das Vermögen der Kasse auf den Insolvenzverwalter über. Die Vorschriften des SGB zur Schließung einer Krankenkasse sind nicht anwendbar. Ungeachtet dessen wird zumeist aufgrund der vorrangigen vorherigen Optionen
(Fusionen, finanzielle Hilfen, Schließungsverfahren) kaum Raum für ein Sanierungskonzept bleiben, so dass auch dem Insolvenzverwalter wenig Spielraum zur Umgehung einer Liquidation bleiben wird.
Vermögen einer Krankenkasse
Die Norm definiert die dem Insolvenzverfahren zur Verfügung stehende Insolvenzmasse. Zum Vermögen gehören insoweit die Betriebsmittel, die Rücklage und das Verwaltungsvermögen (Abs. 6 Satz 1). Die Beitragsforderungen gehören nicht zum Vermögen der Kasse, weil sie dem Gesundheitsfonds als Sondervermögen zufließen (Abs. 6 Satz 2). Damit wird § 260 Abs. 2 Satz 3 SGB V außer Kraft gesetzt, nach dem bei Feststellung der Betriebsmittel auch die Forderungen zu berücksichtigen sind. Seit Einrichtung des Gesundheitsfonds ziehen die Krankenkassen die Krankenversicherungsbeiträge nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern für den Gesundheitsfonds ein. Sie stehen damit nicht der einzelnen Krankenkasse, sondern der GKV insgesamt zu. Dagegen gehört der kassenindividuelle Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V zum Vermögen der jeweiligen Krankenkasse (BT-Drs. 16/9559 S. 20).
Wertguthaben aus Altersteilzeitvereinbarungen
Für die bis zum 31.12.2009 entstandenen Wertguthaben aus Altersteilzeitvereinbarungen sind die Verpflichtungen nach § 8a des Altersteilzeitgesetzes vollständig spätestens ab dem 1.1.2015 zu
erfüllen. Das Altersteilzeitgesetz verpflichtet Arbeitgeber, Wertguthaben ab einer bestimmten Größenordnung gegen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Krankenkassen, die vor dem
1.1.2010 nicht insolvenzfähig waren, wurden von dieser Verpflichtung nicht erfasst. Um diese Kassen mit der Einbeziehung in die Insolvenzfähigkeit nicht finanziell zu überfordern, stellt die Vorschrift eine Übergangsregelung her. Damit ist ein zeitlich gestreckter Aufbau bis zum 31.12.2014 möglich.
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