BVerfG, Beschluss vom 28.9.2010, 1 BvR 1660/08, WzS 12/2010
Beitragspflichtige Einnahmen in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner: Wenn eine Versorgungsleistung sowohl auf betrieblicher Altersversorgung mit dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer als auch auf privater Vorsorge mit dem Bezugsberechtigten als Versicherungsnehmer beruht, dann ist nur der Anteil aus der betrieblichen Altersversorgung als beitragspflichtige Einnahme zu bewerten.
Bei versicherungspflichtig Beschäftigten sowie versicherungspflichtigen Rentnern werden bei der Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
• der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
• der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) und
• das Arbeitseinkommen
als beitragspflichtige Einnahmen berücksichtigt (vgl. § 226 Abs. 1 Satz 1, § 237 Satz 1 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
BSG, Urteil vom 29.4.2010, B 9 VS 1/09 R, WzS 11/2010
Soziale Entschädigung: Einen Anspruch auf Versorgungskrankengeld haben auch Unternehmer in der Aufbauphase, die vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit keinen Gewinn erzielt haben. Versorgungskrankengeld wird versorgungsberechtigten Personen aus Anlass einer Arbeitsunfähigkeit oder eines gleichgestellten Tatbestands auf Grund eines Antrags gewährt (vgl. §§ 16 ff. BVG). Anspruchsberechtigt sind u. a. Soldaten nach der Beendigung des Wehrdienstes, wenn sie eine Wehrdienstbeschädigung erlitten haben (Urteil vom 30.9.2009, B 9 VS 3/09 R).
BSG, Urteil vom 6.5.2010, B 14 AS 12/09 R, WzS 10/2010
Bekanntgabe eines Verwaltungsakts und Zugangsfiktion: Ein Verwaltungsakt ist den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bekannt zu geben. Der Verwaltungsakt wird mit der Bekanntgabe wirksam. Damit ist der Verwaltungsakt als staatlicher Hoheitsakt existent; er kann einerseits angefochten werden (äußere Wirksamkeit) und löst andererseits bestimmte Rechtswirkungen aus (innere Wirksamkeit). Für den Sozialversicherungsträger ist der Verwaltungsakt nunmehr bindend und kann nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. Der Verwaltungsakt entfaltet eine Tatbestandswirkung, die von anderen inländischen Behörden und Gerichten zu beachten ist. Schließlich beginnt mit der Bekanntgabe der Lauf von Rechtsbehelfsfristen.
BGH, Urteil vom 19.5.2009, IX ZR 37, WzS 9/2010
Pfändung von Geldleistungen: Einmalige oder laufende Geldleistungen können gepfändet werden. Dazu ist ein Vollstreckungstitel erforderlich, auf dessen Grundlage ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu erwirken ist. Bestimmte Geldleistungen wie z. B. Erziehungsgeld oder solche, die einen behinderungsbedingten Mehraufwand ausgleichen, sind beschränkt pfändbar. Ansprüche auf Dienst- oder Sachleistungen sind unpfändbar.
BVerfG, Beschluss vom 6.12.2005, 1 BvR 347/98, WzS 8/2010
Kostenerstattung durch die Krankenkasse: Eine Kostenerstattung anstelle einer Sach- oder Dienstleistung ist nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen möglich. Ergänzend dazu erkennt die Rechtsprechung Ausnahmen an. Dazu gehören lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankungen, für die schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen, oder das Systemversagen. Von einem Systemversagen ist auszugehen, wenn neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden nicht oder nicht rechtzeitig zugelassen werden.
BSG, Urteil vom 17.2.2010, B 1 KR 10/09 R, WzS 7/2010
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB): NUB dürfen in der ambulanten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nicht erbracht werden. Es handelt sich dabei um NUB, deren diagnostischer und therapeutischer Nutzen sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht anerkannt sind. Die Anerkennung wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien ausgesprochen. Fehlt es daran, haben Versicherte keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen; die Krankenkasse darf diese Leistung nicht erbringen (Erlaubnisvorbehalt). Ausnahmen von diesem Erlaubnisvorbehalt sind durch die Rechtsprechung bei einem Systemmangel oder Systemversagen oder bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung anerkannt. Im Rahmen einer Krankenhausbehandlung können NUB angewendet werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss dem nicht in einer Richtlinie widerspricht (Verbotsvorbehalt).
Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 198/09, WzS 6/2010
Stufenweise Wiedereingliederung: Die Anforderungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gelten für alle Arbeitnehmer. Sie sind nicht auf behinderte Menschen beschränkt. Gegenstand des BEM kann die stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers sein. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein BEM durchzuführen und die Wiedereingliederung zu prüfen. Während der Wiedereingliederung besteht kein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Ein Anspruch auf Entgeltersatzleistungen kann sich gegen die Krankenkasse oder den Rentenversicherungsträger richten.
BSG, Urteil vom 8.7.2009, B 11 AL 30/08 R, WzS 4/2010
Abzweigung von Geldleistungen: Eine Abzweigung von laufenden Geldleistungen ist möglich, wenn der Sozialleistungsberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Dabei sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Sachverhalte zu berücksichtigen, in denen der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig im Sinne zivilrechtlicher Vorschriften ist.
BSG, Urteil vom 22.9.2009, B 2 U 4/08 R, WzS 3/2010
Arbeitsunfall: Betriebsfeste, Betriebsausflüge oder ähnliche betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen sind der versicherten Beschäftigung unter bestimmten Voraussetzungen zuzurechnen. Teilnehmer dieser Veranstaltungen üben eine versicherte Tätigkeit aus und genießen den Schutz der Unfallversicherung.
BSG, Urteil vom 4.6.2009, B 12 KR 26/07 R, WzS 2/2010
Vorversicherungszeit in der Krankenversicherung der Rentner: Die erforderliche Vorversicherungszeit wird ausgehend von einer Rahmenfrist ermittelt. Diese endet immer mit dem Datum des Rentenantrags. Das gilt auch in den Fällen, in denen über das Antragsdatum hinaus anrechenbare Versicherungszeiten vorliegen und ein späteres Antragsdatum dazu beigeträgen hätte, die Vorversicherungszeit zu erfüllen.
BSG, Urteil vom 30.6.2009, B 1 KR 21/08 R, WzS 1/2010
Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 105 SGB X: Der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger macht seinen Erstattungsanspruch wirksam geltend, indem er seinen Rechtssicherungswillen verdeutlicht, die maßgeblichen Umstände sowie die Diagnose und den Zeitraum mitteilt, für den die Sozialleistungen erbracht worden sind.