BSG, Urteil vom 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R

Beiträge: Der GKV-Spitzenverband hat “Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler)” erlassen. Die Krankenkassen ermitteln nach diesen Richtlinien u. a. die Beiträge für Personen, die aufgrund eines Rentenantrags versichert sind oder ihren Lebensunterhalt durch Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe bestreiten. Die Rechtsgrundlage für den GKV-Spitzenverband ergibt sich aus § 240 SGB V.

Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Richtlinien bestehen nicht. Die durch § 240 SGB V angeordnete untergesetzliche Recht­setzung ist im Rahmen der “funktionalen Selbstverwaltung” hinreichend demokratisch legitimiert.

BAG, Urteil vom 11. Dezember 2012, 9 AZR 227/11

Arbeitszeugnis: Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er

  • dem Arbeitnehmer für die geleisteten Dienste dankt,
  • dessen Ausscheiden bedauert oder
  • ihm für die Zukunft alles Gute wünscht.

Das einfache Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2 GewO). Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO). Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers gehören nicht zum notwendigen Inhalt. Ist der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, kann er nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen.

BAG, Urteil vom 15.11.2012, 6 AZR 339/11

Kündigung: Der Arbeitgeber darf einen Stellenbewerber nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Er verstößt damit gegen das Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Verneint der Bewerber eine entsprechende Frage wahrheitswidrig, ist der Arbeitgeber deswegen nicht berechtigt, das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis zu kündigen.

BAG, Urteil vom 14.11. 2012, 5 AZR 886/11

Entgelfortzahlung – Nachweis bei kurzzeitiger Erkrankung: Der Arbeitgeber kann auch bei einer kurzzeitigen Erkrankung von bis zu drei Tagen einen Nachweis durch eine ärztliche Bescheinigung verlangen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG). Er kann außerdem die Frist für die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung gegenüber der gesetzlichen Regelfrist abkürzen.

Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers

  • eine frühere Vorlage zu verlangen und
  • zu entscheiden, ob generell, abteilungsbezogen oder im Einzelfall von § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG abgewichen werden soll.

In der Sache selbst enthält sich das Gesetz damit einer abschließenden Regelung. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG räumt dem Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern ein einseitiges Bestimmungsrecht ein. Eine vertragliche Regelung ist nicht erforderlich.

Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, sein Recht auszuüben. Dazu ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Das Recht des Arbeitgebers kann durch eine ausdrückliche Regelung in einem Tarifvertrag ausgeschlossen werden.

§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG begründet einen Anspruch des Arbeitgebers (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Dieser Anspruch kann in einem Einzelfall ausgeübt, arbeitsvertraglich vereinbart oder durch Tarifvertrag geltend gemacht werden.

BSG, Urteile vom 26.6.2007, B 1 KR 2/07 R, 2.11.2007, B 1 KR 38/06 R, 10.5.2012, B 1 KR 19/11 R, 10.5.2012, B 1 KR 20/11 R

Krankengeld – Entscheidung über Beginn und Ende des Anspruchs: Die Krankenkasse entscheidet über den Anspruch auf Krankengeld durch einen Verwaltungsakt. Dieser ist befristet auf die Zeit, für die die Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt wurde. Die ärztliche Bescheinigung ist eine gutachterliche Stellungnahme. Die Krankenkasse kann davon abweichen und die Zahlung früher einstellen.

BAG, Urteil vom 2.3.2006 – 2 AZR 53/05 -, WzS 7/2012

Entgeltfortzahlung – selbst verschuldete Krankheit: Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung besteht grundsätzlich unabhängig von der Ursache der Krankheit. Der Anspruch ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die Krankheit selbst verschuldet ist (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Bei der Beurteilung des Verschuldens sind die von der Rechtsprechung zu vergleichbaren arbeitsrechtlichen Vorschriften entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen. Danach liegt ein Verschulden vor, wenn ein grober Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten gegeben ist und das Abwälzen dessen Folgen auf den Arbeitgeber unbillig wäre.

BSG, Urteil vom 15. 3. 2012, – B 3 KR 2/11 R –, WzS 6/2012

Krankenbehandlung – Versorgung mit Hilfsmitteln: Versicherte haben einen Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Das Hilfsmittel muss wirtschaftlich sein; es ist nicht erforderlich, dass es im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt ist. Der Anspruch auf die Hilfsmittelversorgung ist vom medizinischen Nutzen, der Funktionstauglichkeit und der subjektiven Erforderlichkeit des Hilfsmittels abhängig.

BSG, Urteil vom 31.1.2012, – B 2 U 12/11 R -, WzS 5/2012

Verwaltungsakt – Wirksamkeit gegenüber Beteiligten: Ein Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er Rechte oder Pflichten eines anderen Rechtssubjektes begründet, aufhebt, inhaltlich ändert oder feststellt, ohne dass die erlassende Behörde durch ein Gesetz dazu ermächtigt ist. Der Verwaltungsakt wird trotz seiner Rechtswidrigkeit gegenüber den Beteiligten wirksam. Wurde ein potenzieller Beteiligter zu Unrecht nicht zum Verfahren hinzugezogen, ergibt sich daraus nicht die Ermächtigung, gegenüber dem potenziellen Beteiligten außerhalb der Heilungsmöglichkeiten des § 41 SGB X einen Verwaltungsakt zu erlassen.

BSG, Urteil vom 6.10.2011, – B 9 V 3/10 R -, WzS 4/2012

Versorgungsleistungen – Zuständige Krankenkasse: Die Krankenkassen erbringen im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags bestimmte Versorgungsleistungen an beschädigte Personen und ihre Angehörigen (vgl. § 18c Abs. 1 Satz 3 BVG). Die Zuständigkeit der Krankenkassen ist im Bundesversorgungsgesetz geregelt, ohne dass ein unmittelbares Wahlrecht eingeräumt wird. Davon sind besonders die Berechtigten betroffen, die weder Mitglied einer Krankenkasse sind noch Familienangehöriger eines Kassenmitglieds. Diesen Personen ist ebenfalls ein Wahlrecht der Krankenkasse zuzugestehen, wenn die gewählte Krankenkasse einverstanden ist und die Versorgungsbehörde zustimmt, die Versorgungsleistungen durch diese Krankenkasse zu erbringen.

BSG, Urteil vom 28.9.2011, – B 12 KR 23/09 R -, WzS 3/2012

Krankenversicherung der Rentner: Freiwillig versicherte Bezieher einer Rente, die außerdem Arbeitsentgelt erzielen, führen anstelle des Beitrags aus der Rente den Zuschuss des Rentenversicherungsträgers als Beitrag an die Krankenkasse ab. Das Verfahren gilt nicht für freiwillig versicherte Bezieher einer Rente, die selbstständig tätig sind und Arbeitseinkommen erzielen.

BSG, Urteil vom 13.9.2011, – B 1 KR 25/10 R -, WzS 2/2012

Arbeitstherapie: Arbeitstherapie ist vorrangig vom Träger der Rentenversicherung zu erbringen, wenn es sich um eine eigenständige Leistung nach einer Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit handelt.

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