Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§§ 2, 12, 70 SGB V). Für die Prüfung der sozialmedizinischen Voraussetzungen nehmen die Krankenkassen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK; § 275 SGB V) in Anspruch. Begutachtet wird der konkrete Einzelfall. Die Begutachtung soll durch eine körperliche Untersuchung erfolgen. Eine Begutachtung nach Aktenlage ist nicht ausgeschlossen.
Der MDK steht den Krankenkassen auch beratend zur Verfügung. Die Beratung erstreckt sich auf allgemeine Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung von Versicherten, Fragen der Qualitätssicherung, die Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und die Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen.
Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und nicht an Weisungen gebunden.
Auftraggeber der MDK sind ausschließlich die Krankenkassen. Die Krankenkassen lassen die Gutachten im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens aufgrund ihrer Amtsermittlungspflicht (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) erstellen. Das Gutachten dient damit dazu, einen Verwaltungsakt der Krankenkasse vorzubereiten. Entscheidungsträger ist nur die Krankenkasse und nicht der MDK.
Die Organisation des MDK als Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen wird durch die §§ 278 bis 283 SGB V vorgegeben.
Gutachtliche Stellungnahme (Abs. 1)
Die Norm zählt die Sachverhalte auf, bei denen die Krankenkassen verpflichtet sind, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Das Gutachten dient der Vorbereitung des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsakt. Die Rechtmäßigkeit der Beauftragung des MDK bzw. die Richtigkeit der gutachtlichen Stellungnahme ist nur im Wege der Anfechtung einer ergangenen Verwaltungsentscheidung, z. B. durch einen Widerspruch gegen einen belastenden Verwaltungsakt, möglich.
Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen verpflichtet, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Gesetzlich bestimmte Fälle ergeben sich z. B. aus Abs. 2 (u. a. Notwendigkeit medizinischer Vorsorgeleistungen nach § 23 SGB V). Darüber hinaus ist ein Gutachten einzuholen, wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist. Die unbestimmten Rechtsbegriffe sind von den Krankenkassen auszulegen.
Für das zahnärztliche Gutachterwesen besteht eine von § 275 Abs. 1 SGB V abweichende Regelung, die sich auf der Grundlage des § 87 Abs. 1c SGB V aus dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte ergibt. Die Spezialvorschrift ist gegenüber dem Gutachterverfahren nach § 275 SGB V vorrangig.
Leistungserbringung (Satz 1 Nr. 1)
Eine gutachtliche Stellungnahme ist in geeigneten Fällen vor der Erbringung von Leistungen im Einzelfall einzuholen. Sie dient insbesondere der Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung oder bei Auffälligkeiten der Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Die Norm bezieht sich auf alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 11SGB V).
Eine Begutachtung zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung ist ebenfalls nur im Einzelfall möglich. Voraussetzung sind Auffälligkeiten, die von der Krankenkasse festgestellt werden. Damit muss die Krankenkasse einen konkreten Anfangsverdacht auf Abrechnungsmanipulation haben (BTDrs. 14/7862).
Eine Auffälligkeit in diesem Sinne ist u. a. dann gegeben, wenn die Abrechnung und die vom Krankenhaus mitgeteilten Behandlungsdaten Fragen nach der insbesondere sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung und der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen (BSG, Urteil v. 17.12.2013, B 1 KR 52/12 R).
Einleitung von Leistungen zur Teilhabe (Satz 1 Nr. 2)
Die Norm bezieht sich auf die Einleitung von Leistungen zur Teilhabe. Sie ist insbesondere zu beachten, wenn verschiedene Leistungen erforderlich oder mehrere Leistungsträger zuständig sind.
Leistungen zur Teilhabe, die auch von den Krankenkassen erbracht werden, sind:
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1 SGB IX),
- unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen (§ 5 Nr. 3 SGB IX),
- Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 5 Nr. 4 SGB IX; ab 1.1.2018:
Leistungen zur sozialen Teilhabe, § 5 Nr. 5 SGB IX).
Die gutachtliche Tätigkeit soll zur Aufstellung eines Gesamtplanes in Absprache mit dem behandelnden Arzt und ggf. anderen Rehabilitationsträgern beitragen. Ziel eines solchen Fallmanagements ist es, eine koordinierte, umfassende und kontinuierliche Aufeinanderfolge von Maßnahmen zu erreichen mit dem Ziel, die Rehabilitation auch unter Berücksichtigung der Aufgaben anderer Rehabilitationsträger unter Wahrung des Wirtschaftlichkeitsprinzips zügig und erfolgreich durchzuführen.
Gutachtliche Stellungnahmen bei Arbeitsunfähigkeit (Satz 1 Nr. 3)
Sicherung des Behandlungserfolgs (Buchst. a)
Die gutachtliche Stellungnahme dient dazu, den Behandlungserfolg zu sichern und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit rechtzeitig einzuleiten. Dazu ist durch den MDK zu beurteilen, welche Behandlungsmaßnahmen geeignet und ausreichend sind, um den angestrebten Behandlungserfolg zu erzielen. Dabei ist das Leistungsangebot anderer Sozialleistungsträger zu
berücksichtigen.
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit (Buchst. b)
Eine gutachtliche Stellungnahme ist einzuholen, um Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen. Damit soll dem Missbrauch der Entgeltfortzahlung entgegen getreten werden. Abs. 1a legt die Fälle fest, in denen insbesondere Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit anzunehmen sind. Die Begutachtung kann nur durch die Krankenkasse veranlasst werden. Der Arbeitgeber hat ein
Antragsrecht gegenüber der Krankenkasse, die Arbeitsunfähigkeit durch den MDK überprüfen zu lassen (Abs. 1a Satz 3).
Annahme von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit (Abs. 1a)
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit sind insbesondere anzunehmen, wenn
- Versicherte auffällig häufig arbeitsunfähig sind,
- Versicherte auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind,
- der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
- die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist (Satz 1). Die Aufzählung ist nicht abschließend.
In diesen Fällen hat die Begutachtung unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen (Satz 2). Nur eine zeitnahe Prüfung kann den aktuellen
Gesundheitszustand des Versicherten feststellen, der Grundlage der Arbeitsunfähigkeit ist.
Dem Arbeitgeber steht ein Antragsrecht zu (Satz 3). Er kann bei der Krankenkasse beantragen, dass diese eine gutachtliche Stellungnahme des MDK zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Eine Begründung der Zweifel des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, den MDK unmittelbar mit der Begutachtung zu beauftragen.
Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des MDK absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den ärztlichen Unterlagen ergeben.
Stichprobenartige Prüfungen der Arbeitsunfähigkeit (Abs. 1b; aufgehoben)
Vertragsätze, bei denen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt wird (Zufälligkeitsprüfung, § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V; ab 1.1.2017: § 106 a Abs. 1 SGB V), werden durch den MDK stichprobenartig und zeitnah hinsichtlich ihrer Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit geprüft (Satz 1). Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen vereinbaren gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen das Verfahren (Satz 2).
Die Vorschrift ist mit Wirkung zum 11.5.2019 aufgehoben worden, weil die Zufälligkeitsprüfung aufgegeben wurde.
Einzelfallprüfung bei Krankenhausbehandlung (Abs. 1c)
Bei einer Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) ist zeitnah eine Einzelfallprüfung nach Abs. 1 Nr. 1 durchzuführen (Satz 1; BSG, Urteil v. 13.12.2001, B 3 KR 11/01 R zur Bedeutung einer zeitnahen
Prüfung). Die Prüfung ist spätestens 6 Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und dem Krankenhaus durch den MDK anzuzeigen (Satz 2). Spätere Prüfungen sind nicht zulässig. Die Einzelfallprüfung dient dazu, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu sichern (BSG, Urteil v. 28.3.2017, B 1 KR 23/16 R).
Leistungen zur Entbindung sind, auch wenn sie stationär im Krankenhaus erbracht werden, keine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V (BSG, Urteil v. 18.6.2014, B 3 LR 10/13 R).
Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR zu entrichten (Satz 3). Der Anspruch auf die Pauschale entsteht unabhängig davon, ob die Krankenhausrechnung bereits durch die Krankenkasse bezahlt ist (BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 3 KR 12/11 R). Die Zahlungspflicht wird durch jede Prüfung ausgelöst, die mit dem Ziel der Verminderung des Rechnungsbetrages eingeleitet und durchgeführt wird. Die Aufwandspauschale wird der Krankenkasse durch das Krankenhaus in Rechnung gestellt.
Durch die Vorschrift wird verhindert, dass die Prüfmöglichkeit in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise zur Einzelfallsteuerung genutzt wird und weit zurückliegende Fälle aus
Vorjahren geprüft werden (BT-Drs. 16/3100). Gleichzeitig werden Anreize gesetzt, Einzelfallprüfungen zielorientiert und zügig einzusetzen. Der bürokratischen Aufwand und dessen Folgen infolge der Kontrolle von Krankenhausabrechnungen auf Krankenhausseite werden möglichst gering gehalten (BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 3 KR 14/11 R). Alternativ bietet sich die verdachtsunabhängige
Stichprobenprüfung nach § 17 c Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) an, um systematische Mängel bei den Abrechnung aufzudecken.
Die Vorschrift über die Aufwandspauschale ist eine eng auszulegende Ausnahmeregelung (BSG, Urteil v. 28.3.2017, B 1 KR 23/16 R m. w. N.). Sie schränkt ausschließlich Prüfungen ein, die Krankenkassen ohne berechtigten Anlass oder durch „missbräuchliche“ Prüfungsbegehren eingeleitet haben. Die Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn das Verfahren z. B. auf ein Fehlverhalten des Krankenhauses zurückzuführen ist.
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft regeln das Nähere zum Prüfverfahren (§ 17 c Abs. 2 Satz 1 KGH). Dabei sollen insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen, das Verfahren zwischen Krankenkasse und Krankenhaus bei Zweifeln an Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, den Zeitpunkt der Beauftragung des MDK, die Dauer und den Ort der Prüfung sowie die Abwicklung von Rückforderungen getroffen werden. Die am 18.7.2014 gefundene Vereinbarung tritt am 1.9.2014 in Kraft und gilt für alle Patienten, die ab Januar 2015 in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Sie wird vom 1.1.2017 an durch die Prüfverfahrensvereinbarung vom 3.2.2016 ersetzt.
Die Vereinbarung gilt für Begutachtungen von Krankenhausbehandlungen (vgl. § 39 SGB V). Dazu gehören nicht
- Entbindungsfälle (vgl. § 24 f SGB V),
- Prüfung ambulanter spezialfachärztlicher Behandlung (vgl. § 116 b),
ambulante Operationen (vgl. § 115 b SGB V; BSG, Urteil v. 1.7.2014, B 1 KR 1/13 R).
Eine Prüfung nach Satz 1 ist jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus
erfordert (Satz 4). Damit wird (ab 1.1.2016) klargestellt, dass die Prüfpauschale unabhängig von der Art der Prüfung verlangt werden kann und nicht zwischen Auffälligkeitsprüfungen und Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu unterscheiden ist (BSG, Urteil v. 23.6.2015, B 1 KR 23/14 R; Urteil v. 28.3.2017, B 1 KR 23/16 R).
Gesetzliche Prüfanlässe (Abs. 2)
Die Norm enthält einen verpflichtenden Prüfauftrag und geht damit über die grundsätzlichen Regelungen in Abs. 1 hinaus. Ein Anwendungsermessen ist den Krankenkassen nicht eingeräumt.
Lediglich beim Erstantrag auf bestimmte Leistungen (Nr. 1) prüft der MDK stichprobenartig die medizinische Notwendigkeit.
Notwendigkeit von Leistungen (Nr. 1)
Die Notwendigkeit bestimmter Leistungen wird vor deren Erstbewilligung in Stichproben geprüft:
- medizinische Vorsorgeleistungen (§ 23 SGB V),
- medizinische Vorsorge für Mütter und Väter (§ 24 SGB V),
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 40 SGB V),
- medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter (§ 41 SGB V).
Dazu ist ein ärztlicher Behandlungsplan vorzulegen. Umfang und Auswahl der Stichproben sowie Ausnahmen hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Richtlinie MDK-Stichprobenprüfung v. 2.7.2008 geregelt.
Wenn eine Verlängerung der Leistung beantragt wird, ist regelmäßig eine Begutachtung erforderlich. Auch dafür enthält die Richtlinie MDK-Stichprobenprüfung einige Ausnahmeregelungen.
Behandlung im Ausland (Nr. 3)
Wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereiches des Vertrages zur Gründung der EG
und des Abkommens über den EWR möglich ist, dann kann die Krankenkasse die Kosten für die erforderliche Behandlung übernehmen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Ob die Behandlung nur außerhalb des Geltungsbereichs möglich ist, ist durch den MDK zu prüfen.
Häusliche Krankenpflege (Nr. 4)
Versicherte erhalten unter bestimmten Voraussetzungen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch besteht bis zu 4 Wochen je Krankheitsfall, kann aber auch für einen längeren Zeitraum bewilligt werden, wenn der MDK die Notwendigkeit festgestellt hat (§ 37 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB V).
Zahnersatz (Nr. 5)
Bestimmte Personenkreise (z. B. Asylbewerber) haben u. a. nur dann einen Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 SGB V). Den Tatbestand der aus medizinischen Gründen unaufschiebbaren Versorgung hat der MDK zu prüfen.
Beauftragung des MDK in geeigneten Fällen (Abs. 3)
Die Norm enthält 4 Prüftatbestände und stellt entsprechende Prüfaufträge an den MDK in das Ermessen der Krankenkassen. Dabei ist der unbestimmte Rechtsbegriff „geeignete Fälle“ auszulegen.
Geeignete Fälle sind u. a. gegeben, wenn die Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit erheblich sind oder Zweifel an der Eignung der Leistung bestehen (Beyer, in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 275
Hilfsmittel (Nr. 1)
Die Krankenkasse kann vor der Bewilligung eines Hilfsmittels prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33 SGB V). Der MDK berät dabei den Versicherten. Der MDK ist verpflichtet, bei der
Begutachtung und der Beratung mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten. In der Praxis hat sich in diesem Zusammenhang vielfach eine intensive Zusammenarbeit zwischen Krankenkasse, MDK, Vertragsarzt und Lieferant des Hilfsmittels entwickelt.
Zwischen der Krankenkasse und ihrem Versicherten besteht ein Verwaltungsrechtsverhältnis, in dem die Krankenkasse u. a. zu umfassender Beratung verpflichtet ist (§ 14 SGB I; BSG, Urteil v. 26.4.2005, B 5 RJ 6/04 R). Hinsichtlich der erforderlichen Hilfsmittelversorgung übernimmt der MDK die Beratung für die Krankenkasse. Wird die Beratung unterlassen, unvollständig oder fehlerhaft erteilt, entsteht ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse darauf, den Zustand herbeizuführen, der bei ordentlicher Durchführung des Verwaltungsverfahrens bestanden hätte (BSG, Urteil v. 16.5.2012, B 4 AS 166/11 R). Die Krankenkasse muss sich die unterbliebene, unvollständige oder fehlerhafte Beratung durch den MDK zurechnen lassen.
Dialysebehandlung (Nr. 2)
Die Krankenkasse kann bei einer Dialysebehandlung prüfen lassen, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist.
Hilfsmittelversorgung (Nr. 3)
Die Krankenkasse kann die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen durch den MDK prüfen lassen. Der MDK überprüft Hilfsmittel nach der Anpassung und Auslieferung auf Qualität,
Funktionalität und Eignung.
Behandlungsfehler (Nr. 4)
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit objektiv gebotene Maßnahmen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft unsachgemäß
ausführt (BGH, Urteil v. 6.10.2009, VI ZR 24/09). Es wird diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die allgemein von einem ordentlichen, pflichtbewussten Arzt in der konkreten Situation zu erwarten ist. Folgt aus dem Behandlungsfehler ein Gesundheitsschaden, dann hat dieses sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen.
Die Krankenkassen sollen Versicherte bei Behandlungsfehlern unterstützen (§ 66 SGB V). Voraussetzung ist jedoch, dass der Behandlungsfehler bei der Inanspruchnahme einer Leistung der Krankenkasse eingetreten ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Leistung von einem anderen Sozialleistungsträger erbracht worden ist. Die Krankenkasse unterstützt Versicherte bei Behandlungsfehlern aufgrund einer Ermessensentscheidung.
Der MDK kann durch die Krankenkasse beauftragt werden zu prüfen, ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist.
Zuordnung von Patienten (Abs. 3a)
Die Ordnungsmittel zur Personalbedarfsermittlung in der stationären Psychiatrie bestimmen den Personalbedarf nach einem leistungsorientierten Konzept auf der Basis einer Zuordnung des
Patienten zu Behandlungsbereichen (BT-Drs. 12/3608). Auf dieser Grundlage werden die Stellenpläne entwickelt, die wiederum Bestandteil der Budgetverhandlungen sind. Die Krankenkassen und ihre Landesverbände können die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen durch den MDK prüfen lassen, wenn sich bei entsprechenden Auswertungen Abweichungen ergeben.
Beratung durch den MDK (Abs. 4)
Der MDK soll den Krankenkassen und ihren Verbänden auch in anderen Fällen als den im Gesetz genannten beratend zur Verfügung stehen (Satz 1). Statt des MDK können auch andere
Gutachterdienste beauftragt werden (BT-Drs. 16/3100).
Die Beratung soll insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse, genutzt werden. Die Aufzählung ist nicht
abschließend.
Der MDK kann auch durch den erweiterten Landesausschuss (§ 90 SGB V) auf der Grundlage des § 116 b Abs. 3 Satz 8 SGB V beauftragt werden, die Aufgaben nach § 116 b Abs. 2 SGB V wahrzunehmen (Satz 2). Die Tätigkeit wird aufwandsorientiert durch den Auftraggeber finanziert (§ 281 Abs. 1a SGB V).
Dienstfähigkeit von Bundesbeamten (Abs. 4a)
Dem MDK wird ermöglicht, Bundesbeamte auf ihre Dienstfähigkeit zu untersuchen und hierzu Gutachten zu erstellen, wenn die zuständige Behörde sich mit einem entsprechenden Ersuchen an den MDK wendet (Satz 1). Voraussetzung ist, dass die Wahrnehmung der übrigen Aufgaben durch den MDK für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung nicht beeinträchtigt wird. Die
Bundesbehörde hat dem MDK die Kosten der Untersuchung und Begutachtung zu erstatten (Satz 2). Eine Verwendung von Umlagemitteln zur Finanzierung dieser Aufgaben ist dabei auszuschließen (Satz 3).
Die näheren Einzelheiten des Verfahrens, insbesondere zum Verfahren der Auftragserteilung, zur Frist für die Gutachtenerstellung und zum Verfahren der Begutachtung sowie zum Verfahren und zur Höhe der Kostenerstattung, sind in einer Vereinbarung zu regeln (Satz 4). Vertragspartner sind der MDK des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen und das Bundesministerium des Innern unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die Aufgaben nach Satz 1 übernehmen wollen.
Die MDK haben die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vorzulegen, die der Vereinbarung innerhalb von 3 Monaten widersprechen kann, wenn die Erfüllung der übrigen Aufgaben des MDK gefährdet wäre.
Mit der Neuregelung wird lediglich der Kreis der möglichen Gutachter erweitert (BT-Drs. 18/4095 S. 138 f.). Die Regelung ist für den MDK kostenneutral, da die den Medizinischen Diensten
entstehenden Kosten von der beauftragenden Behörde erstattet werden. Die auf Seiten der beauftragenden Behörde entstehenden Kosten beruhen nicht auf der Neuregelung, sondern auf den
Vorschriften über die ärztliche Begutachtung (§§ 44 bis 49 BBG) und sind den Behörden auch bislang schon entstanden. Insgesamt wird erwartet, dass durch den erweiterten Gutachterkreis die Dauer der Verfahren zur Zurruhesetzung bei Dienstunfähigkeit verkürzt werden können, so dass damit langfristig Einsparungen für den Bundeshaushalt erzielt werden können.
Unabhängigkeit der Ärzte des MDK (Abs. 5)
Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (Satz 1). Damit hat der Gesetzgeber die im ärztlichen Berufsrecht manifestierte Unabhängigkeit der ärztlichen Gutachter auch auf die Ärzte des MDK übertragen. Die Unabhängigkeit wird durch Gesetze und Richtlinien begrenzt.
Die Ärzte des MDK sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen (Satz 2).
Bild: berwis / pixelio.de
Ich war seit Mitte Oktober arbeitsunfähig und habe mit Schreiben vom 10.12.2019, die Aufforderung erhalten, einen Antrag auf Reha gem. § 51 SGB X zu stellen, da der MDK festgestellt hat, dass meine Erwerbsfähigkeit gefährdet bzw. gemindert ist.
Inzwischen bin ich wieder gesund und habe meine selbständige Tätigkeit wieder aufgenommen, so dass die Aufforderung der Krankenkasse hinfällig ist.
Jedoch: Was passiert, wenn ich z. B. in 9 Monaten wegen derselben Krankheit wieder arbeitsunfähig bin?
Wie lange hat das Gutachten des MDK Gültigkeit?
Hallo kurz zu meinem Fall:
Ich wollte eine Mutter-Kind-Kur nach zwei Jahren wiederholen, da es Veränderungen in meiner Familie gab.
Nach einem Ablehnungsbescheid der Krankenkasse legte ich Wiederspruch zusammen mit meinem Arzt ein.
Der Wiederspruch wurde ausführlich von mir geschrieben mit allen Veränderungen
-pflegegrad
-Schwerbehinderung usw.
-Attest Arzt
Nach ca. 3 Wochen was ich erstaunlich schnell fand kam ein Brief der KH
Es stand drin das dem Wiederspruch nicht stattgegeben werden kann, denn der MDK käme zu dem Entschluss es gäbe keine Indikation dafür.
Kein Gutachten dabei
Also ab zum Arzt und abgeholt
Als ich das Gutachten gelesen habe traf mich fast der Schlag
Auf meinen Wiederspruch wurde nicht, nicht 1% eingegangen
Alles was sich verändert hat wurde nicht berücksichtigt
Einfach fehlerhaft von seitens des MDK‘s.
Auf Nachfrage beim MDK was den für Unterlagen zu diesem Ergebnis führten kam nur der Satz DAS DÜRFEN WIR NICHT SAGEN!
Schade
Eine Krankenkasse darf keine Unterlagen über Krankenberichte speichern. Somit werden wenn man nicht selber darauf achtet, oft unvollständige Berichte an den MDK geschickt.
Der zu kommentierende Beitrag ist betitelt mit „Sozialmedizinische Begutachtung – Aufgaben des MDK“. Soweit so gut.
Was aber heißt eigentlich „Sozialmedizinische Begutachtung“? Denn fast durchgängig, das zeigt das täglich Erlebte, berücksichtigen die MDK’s eben nicht die Kriterien der Sozialmedizin, sondern ergänzen eigentlich nur die Rechtsfragen, deren Beantwortung prinzipiell ausschließlich den gesetzlichen Krankenkassen zukommt. Besonders deutlich wird das dann, wenn bei Langzeit-Erkrankten die Kriterien des Rehabilitations- und Behindertenrechts in der gesetzgeberischen Manifestation des Sozialgesetzbuchs (SGB) IX zu berücksichtigen sind. Diese Kriterien bleiben fast ausnahmslos auf der Strecke und angereichert um die Beratungspflichten aus dem § 14 SGB I, denen ebenfalls eine existenzielle Bedeutung zukommt und die erfahrungsgemäß einfach nicht stattfindet.
Dem Anspruch auf eine „Sozialmedizinische Begutachtung“ Rechnung tragend und worüber allgemein eigentlich Konsens herrscht, beschreibt und analysiert die Sozialmedizin die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Gesundheit und Krankheit, ihren Risiken und protektiven Faktoren einerseits und gesellschaftlichen Tatbeständen andererseits unter ätiologischen, präventiven, rehabilitativen und ökonomischen Perspektiven. In der sozialmedizinischen Praxis tritt aus Sicht des Betroffenen häufig die Begutachtung durch den Sozialmediziner mit deren sozialrechtlichen Konsequenzen sowie das Leistungsverhalten durch die Sozialleistungsträger in den Vordergrund. Dieses Leistungsverhalten hat sich dabei mit dem Gesundheitszustand des Betroffenen und seinen darauf abgestellten Bestimmungsfaktoren, der Organisation des Gesundheitswesens für ihn und seiner sozialen Sicherung sowie den Wirkungen und sozialstaatlichen Kosten seiner medizinischen sowie rehabilitations- und behindertenrechtlichen Versorgung zu befassen, wobei der Kosten-/Nutzenfaktor sich stets langfristig zu orientieren hat.
Der Leser dieser Grundsätze mag selbst beurteilen, wieweit die einschlägigen Begutachtungen durch die MDK’s diesen Prinzipien wirklich entsprechen oder aber auch nicht. Gegebenenfalls Leidtragender ist jeweils der Erkrankte, für den solche Begutachtungen nicht selten existenziell bedeutsam sind.
Anreichern lassen würden sich diese Grundsätze durch das rechtskräftige Urteil des LSG Hessen vom 24.10.2013 – L 8 KR 114/12 -, das in seiner Aussagefähigkeit sehr deutlich ist, gleichzeitig aber schonungslos die Mängel der MDK-Handhabung durch die gesetzlichen Krankenkassen aufzeigt.