Wer das 15. Lebensjahr vollendet hat, kann Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Es handelt sich um eine den §§ 112, 113 BGB vergleichbare Vorschrift , die einem eingeschränkten Personenkreis für einen bestimmten Rechtsbereich volle Handlungsfähigkeit einräumt. Eine ähnliche Regelung enthält § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Zusammenhang mit der Wahl der zuständigen Krankenkasse.
Persönlicher Geltungsbereich
Der persönliche Geltungsbereich der Vorschrift umfasst Minderjährige, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Geschäftsfähige Personen, die nicht wegen ihres Alters, sondern aufgrund anderer Tatbestände in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt sind, sind von dieser Regelung ebenfalls erfasst (vgl. § 11 Abs. 2 SGB X; z. B. aufgrund eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 Abs. 1 BGB ).
Die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit tritt damit kraft Gesetzes und unabhängig vom Willen des gesetzlichen Vertreters ein. Allerdings kann der gesetzliche Vertreter die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger einschränken (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB I). Um dem gesetzlichen Vertreter diese Erklärung zu ermöglichen, soll er durch den Leistungsträger über die Antragstellung und die erbrachten Sozialleistungen unterrichtet werden (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Befugnisse gesetzlicher Vertreter
Die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit minderjähriger Personen verdrängt nicht die Befugnisse gesetzlicher Vertreter, sondern tritt ergänzend neben die gesetzliche Vertretungsmacht. Der gesetzliche Vertreter kann damit uneingeschränkt Sozialleistungsanträge stellen und diese gerichtlich verfolgen.
Sachlicher Geltungsbereich
Sachlich wird der Geltungsbereich des § 36 SGB I auf die Stellung und Verfolgung von Anträgen auf Sozialleistungen sowie die Entgegennahme dieser Leistungen beschränkt. Ausgenommen vom sachlichen Geltungsbereich des § 36 SGB I sind somit Anträge, die nicht im Zusammenhang mit Sozialleistungsansprüchen stehen. Außerdem bedürfen die Rücknahme von Anträgen, der Verzicht auf Sozialleistungen und die Entgegennahme von Darlehen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB I).
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