
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine versichertengeführte digitale Akte der gesetzlichen Krankenkassen und gehört zu den Anwendungen der Telematikinfrastruktur. Sie sorgt für eine bessere Verfügbarkeit von Patienteninformation, erhöht die Therapiesicherheit, vermeidet unnötige Doppeluntersuchungen und stärkt die Eigenverantwortung der Versicherten. Sämtliche behandlungsrelevanten Daten von der Medikation bis hin zu bildgebenden Verfahren werden unterstützt und verarbeitet. Jede versicherte Person erhält vorbehaltlich eines Widerspruchs innerhalb einer Frist von 6 Wochen eine elektronische Patientenakte durch ihre Krankenkasse. Der Vorbehalt des Widerspruchs gewährleistet die freiwillige Nutzung der elektronischen Patientenakte für die versicherte Person. Im Rahmen der Patientensouveränität und als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts steht es den Versicherten frei, die Bereitstellung der elektronischen Patientenakte abzulehnen.
Funktion
Die versichertengeführte elektronische Patientenakte erhalten Versicherte kostenfrei von den Krankenkassen im Rahmen einer Widerspruchslösung (Opt-Out-Lösung).
Die Krankenkassen informieren darüber umfassend. Die Patientenakte wird von der Gesellschaft für Telematik (gematik) zugelassen und entspricht bestimmten Anforderungen.
Widerspruch
Versicherte können innerhalb von 6 Wochen nach der Information durch die Krankenkasse der Einrichtung einer elektronischen Patientenakte formlos widersprechen. Der Widerspruch kann jederzeit zurückgenommen, auf einzelne Anwendungen beschränkt oder zu einem späteren Zeitpunkt gestellt werden. Adressat des Widerspruchs ist die Krankenkasse. Die Versicherten- und Widerspruchsrechte können ab Vollendung des 15. Lebensjahres ausgeübt werden. Die Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen ist nicht erforderlich. Bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres nehmen die gesetzlichen Vertreter die Versicherten- und Widerspruchsrechte minderjähriger Versicherter wahr. Die Altersgrenze entspricht derjenigen in § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I und in § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V (sozialrechtliche Handlungsfähigkeit). Die Ausübung der Versicherten- und Widerspruchsrechte im Hinblick auf die elektronische Patientenakte begründet für den Minderjährigen keine Verpflichtungen, sodass Belange des Minderjährigenschutzes durch die Regelung nicht beeinträchtigt werden. Vielmehr ermächtigt die Regelung Minderjährige, die im medizinischen Kontext bereits einwilligungsfähig sein können, auch im Umgang mit ihrer elektronischen Patientenakte zu eigenständigen Entscheidungen. Die Regelung vereinheitlicht die Praxis der Krankenkassen im Umgang mit Minderjährigen.
Inhalt
Der Versicherte bestimmt, welche Dokumente bzw. Datensätze im Einzelnen in der elektronischen Patientenakte gespeichert oder gelöscht werden und wer diese Daten mit Einwilligung des Versicherten in der elektronischen Patientenakte auslesen und in lokalen Datenverwaltungssystemen zur weiteren Verwendung speichern oder auch unmittelbar in der elektronischen Patientenakte verarbeiten darf. Die informationelle Selbstbestimmung und die Patientensouveränität der Versicherten – i. S. d. „Datenhoheit“ – sind damit gewährleistet.
Zum Inhalt gehören insbesondere Befunde, Diagnosen, durchgeführte und geplante Diagnose- oder Therapiemaßnahmen sowie Behandlungsberichte. Die Daten können einrichtungs-, fach- und sektorenübergreifend für Zwecke der Gesundheitsversorgung genutzt werden und im Krankheitsfall Anamnese und Befunderhebung unterstützen. Die Daten können von Leistungserbringern eingesehen werden, wenn der Versicherte darin einwilligt. Hierzu bedarf es einer eindeutigen bestätigenden Handlung durch technische Zugriffsfreigabe der Versicherten. Darüber hinaus können medizinische Informationen auch von den Versicherten selbst in ihrer elektronischen Patientenakte hinterlegt werden.
Die elektronische Patientenakte unterstützt außerdem den digitalen Medikationsprozess des Versicherten und verknüpft die Patientenakte mit dem elektronischen Medikationsplan. Damit stehen Daten
- zu arzneimittelbezogenen Verordnungen und Dispensierinformationen zur Darstellung der aktuell verordneten Medikation sowie Daten zu frei verkäuflichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln,
- des elektronischen Medikationsplans,
- zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit
zur Verfügung. Versicherte oder ihre Vertreter können dem Zugriff widersprechen.
Anwendung
Versicherte benutzen ihre Patientenakte über einen PC, ein Tablet oder ein Smartphone. Außerdem ist die Applikation (App) der jeweiligen Krankenkasse erforderlich, um sich für die Patientenakte zu registrieren und die Zugangsdaten zu erhalten. Damit wird die Patientenaktein Form einer eigenen, weiteren App aufgerufen und in einem sicheren Verfahren zugänglich. Über die Apps der Krankenkassen und die entsprechenden Patientenakten informiert die gematik im Internet. Die Patientenakte ist auch ohne eigenes Endgerät nutzbar. Bei einem Kassenwechsel werden die Daten der Patientenakte in die digitale Akte der gewählten Krankenkasse migriert.
Ombudsstelle
Jede Krankenkasse richtet eine Ombudsstelle ein, an die sich Versicherte mit allen Anliegen im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte wenden können. Die Ombudsstellen beraten insbesondere über die widerspruchsbasierte elektronischen Patientenakte, Versichertenrechte in diesem Zusammenhang, die Funktionsweise und die möglichen Inhalte. Darüber hinaus stellen die Ombudsstellen Versicherten künftig auf Antrag die Protokolldaten nach § 309 SGB V zur Verfügung.
Die Ombudsstellen sind beratungspflichtig, wenn sich ein Versicherter an die Ombudsstelle wendet und um Beratung bittet. Eine Beratungspflicht kann sich in bestimmten Einzelfällen auch von Amts wegen ergeben, wenn z. B. der Versicherte billigerweise darauf vertrauen darf, dass ihm relevante Informationen zugetragen werden (sog. Spontan-Beratungsfälle). Mit der Beratungspflicht aufseiten der Krankenkassen korrespondiert ein subjektives Recht der Versicherten auf Beratung durch die Ombudsstelle. Dabei handelt es sich um eine bereichsspezifische Konkretisierung des Beratungsanspruchs der Versicherten über ihre Rechte nach § 14 SGB I.
Die Ombudsstellen unterstützen insbesondere diejenigen Versicherten bei der Ausübung ihrer Rechte, die ihre Patientenakte nicht über eine eigene Benutzeroberfläche verwalten. Damit sind die Möglichkeiten zur Rechtewahrnehmung und -ausübung aller Versicherten angeglichen und die Widerspruchsmöglichkeiten klar, verständlich und einheitlich ausgestaltet. Dies gewährleistet eine gleichberechtigte Teilhabe aller Versicherten bei Umgang und Nutzung der Patientenakte. Hierzu nehmen die Ombudsstellen die Widersprüche der Versicherten entgegen.
Befüllung
Versicherte haben einen Anspruch gegen Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die elektronische Patientenakte zu befüllen und zu aktualisieren. Der Anspruch des Versicherten umfasst, u. a. die inhaltliche Befüllung, Aktualisierung und Pflege der elektronischen Patientenakte durch die Leistungserbringer im aktuellen Behandlungskontext. Die Leistung kann durch die berufsmäßigen Gehilfen der Leistungserbringer ausgeführt werden. Apotheker sind verpflichtet, die Patientenakte um arzneimittelbezogene Daten zu ergänzen. Die Krankenkassen entrichten dafür eine gesonderte Vergütung.
Zugriff durch Leistungserbringer
Zugriffsberechtigt aufgrund einer vorherigen Einwilligung des Versicherten auf Daten in der elektronischen Patientenakte (einwilligungsbasierter Zugriff) sind
- Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes oder
- Fachärzte für Arbeitsmedizin.
Außerdem dürfen Leistungserbringer wie Ärzte, Zahnärzte, Apotheker u. a. auf Daten in der elektronischen Patientenakte zugreifen, soweit der Versicherte dem nicht widerspricht. Ein Zugriff des Leistungserbringers muss zur Versorgung des Versicherten erforderlich sein. Dies schließt auch einen Zugriff zur insoweit erforderlichen Aktualisierung von Inhalten (z. B. der Notfalldaten oder der Daten des elektronischen Medikationsplans) mit ein. Die technische Zugriffsfreigabe kann sowohl über die persönliche Benutzeroberfläche der Versicherten (z. B. mittels eines Smartphones) als auch über die dezentrale Infrastruktur der Leistungserbringer (z. B. Praxisverwaltungssystem) erfolgen.
Zugriff für Forschungszwecke
Die Daten der elektronischen Patientenakte – einschließlich personenbezogener Daten – dürfen zu Forschungszwecken verarbeitet werden. Damit ist eine solide Datengrundlage für die Forschung, zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung möglich. Auf dieser Grundlage können medizinische Zusammenhänge untersucht und innovative Behandlungsansätze gefunden werden, die der allgemeinen medizinischen Versorgung der Versicherten zugutekommen. Die Versicherten können analog zum Datentransparenzverfahren nach §§ 303a ff. SGB V im Opt-Out-Verfahren widersprechen, ihre Daten aus der elektronischen Patientenakte zur Verarbeitung durch die Vertrauensstelle und das Forschungsdatenzentrum zu verarbeiten. Das Forschungsdatenzentrum nach § 303d übernimmt die Aufgaben eines Datentreuhänders für Forschungsanfragen der Nutzungsberechtigten. Zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen werden im Forschungsdatenzentrum nur pseudonymisierte Gesundheitsdaten gespeichert und diese nur auf Antrag in aggregierter oder in begründeten Fällen als pseudonymisierter Datensatz unter Kontrolle des Forschungsdatenzentrums zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus und unabhängig davon können die Versicherten die Daten ihrer elektronischen Patientenakte auch im Wege einer ausdrücklichen Einwilligung unmittelbar für die Verarbeitung zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen. Die Einwilligung kann für ein bestimmtes Forschungsvorhaben oder für bestimmte Bereiche der Forschung erteilt werden.
Bild: ChatGPT