Verletztengeld wird an Versicherte (vgl. §§ 2 bis 6 SGB VII) aus Anlass eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gezahlt (Versicherungsfälle der Unfallversicherung; vgl. §§ 7 bis 13 SGB VII). Es ergänzt die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Rechtsgrundlagen sind §§ 45 bis 48, 52 SGB VII.
Vielfach werden die Krankenkassen beauftragt, Verletztengeld im Auftrag des zuständigen Unfallversicherungsträgers zu berechnen und auszuzahlen (vgl. § 189 SGB VII, § 88 SGB X). Daraus entsteht ein Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen den Unfallversicherungsträger (vgl. § 91 SGB X). Weitere Erstattungsansprüche ergeben sich aus §§ 102, 105 SGB X, wenn Leistungen vorläufig oder unzuständig erbracht werden.
2 Anspruch auf Verletztengeld
Das Verletztengeld ersetzt das durch einen Versicherungsfall der Unfallversicherung entfallene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen.
2.1 Voraussetzungen des Anspruchs
2.1.1 Versicherungsfall
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (vgl. § 7 Abs. 1 SGB VII). Der Versicherte hat einen Anspruch gegen den Unfallversicherungsträger, den Versicherungsfall festzustellen. Die Entscheidung darüber ist an keine bestimmte Form gebunden.
2.1.1.1 Arbeitsunfall
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) . Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Unfall und der versicherten Tätigkeit ist es erforderlich, dass
- die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
- diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und
- letzteres einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und den Unfallfolgen wird als haftungsausfüllende Kausalität bezeichnet (vgl. Bsp. 1).
Bsp. 1: Folgen eines Arbeitsunfalls
Ein Arbeitnehmer übt eine versicherte Tätigkeit als Maurer aus und stürzt infolge dessen von einem Baugerüst. Dabei zieht er sich eine Prellung am linken Oberschenkel zu. Die versicherte Tätigkeit (Maurer), das Unfallereignis (Sturz vom Baugerüst) sowie der Gesundheitsschaden (Prellung am linken Oberschenkel) stehen in einem ursächlichen Zusammenhang (haftungsbegründende Kausalität). Die Folge der Prellung ist ein Bluterguss im Oberschenkel (Unfallfolgen), der ärztlicher Behandlung bedarf (haftungsausfüllende Kausalität).
2.1.1.2 Eigenwirtschaftliche Tätigkeit
Verrichtungen im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses gehören nicht zur versicherten Tätigkeit und stehen nicht unter dem Versicherungsschutz, wenn sie höchst persönliche Verrichtungen (wie z. B. Essen) oder eigenwirtschaftliche Verrichtungen (wie z. B. Einkaufen) sind . Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit auch zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Der Versicherungsschutz lebt wieder auf, wenn anschließend die versicherte Tätigkeit wieder ausgeübt wird.
2.1.1.3 Gemischte Tätigkeit
Gemischte Tätigkeiten setzen (mindestens) zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (vgl. Bsp. 2). Es handelt sich um einen Arbeitsunfall, wenn der Gesundheitsschaden infolge der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit zuzurechnen ist.
Bsp. 2: Gemischte Tätigkeit
Eine versicherte Altenpflegerin unternimmt einen Spaziergang (privatwirtschaftliches Verhalten). Da sie für ihren Arbeitgeber rufbereit zu sein hat, trägt sie ein ihr überlassenes Mobiltelefon mit sich. Während eines Anrufs ihres Arbeitgebers (versicherte Tätigkeit) stürzt die Arbeitnehmerin wegen Eisglätte und zieht sich eine Verletzung zu.
2.1.1.4 Gelegenheitsursache
Der Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Damit grenzt sich das Unfallereignis von krankhaften Vorgängen im Inneren des menschlichen Körpers (z. B. Sturz während der Arbeitszeit in Folge eines Herzinfarkts) oder von willentlich herbeigeführten Einwirkungen (z. B. Selbstverstümmelung) ab. Vergleichbar sind konkurrierende Ursachen, die der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnen sind (z. B. Drogenkonsum).
2.1.1.5 Kausalität
Maßgebend für die Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität ist die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach muss das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich sein. Gab es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen wie z. B. Krankheitsanlagen oder Drogen- oder Alkoholkonsum, ist der Ursachenzusammenhang ausgeschlossen, wenn die konkurrierende Ursache von überragender Bedeutung für den Gesundheitsschaden war. Es handelt sich dann beim Unfallereignis um eine Gelegenheitsursache, die den Versicherungsschutz ausschließt.
2.1.1.6 Wegeunfall
Arbeitsunfälle sind nicht nur Unfälle im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sondern auch auf den damit zusammenhängenden Wegen nach und vom Ort der Tätigkeit (Wegeunfälle; vgl. § 8 Abs. 2 SGB VII). Der Versicherungsschutz erstreckt sich somit auch auf den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte (ab Außenhaustür des Wohngebäudes) bzw. auf den Heimweg. Der Versicherungsschutz besteht, wenn die Wege der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bzw. nach deren Beendigung dem Erreichen der Wohnung oder eines dritten Ortes dienen.
Beim eingeschlagenen Weg muss es sich nicht um den kürzesten Weg zwischen Ausgangs- und Endpunkt handeln. Als unmittelbarer Weg ist vielmehr auch ein längerer Weg anzusehen, der eingeschlagen wird, um eine verkehrstechnisch schlechte Wegstrecke zu umgehen oder eine weniger verkehrsreiche oder schneller befahrbare Straße zu nutzen. Versichert ist auch ein vom unmittelbaren Weg abweichender Weg, wenn Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, fremder Obhut anvertraut werden oder wenn Fahrgemeinschaften mit Mitfahrenden desselben Betriebs oder Unternehmens dies erfordern.
Der Versicherungsschutz erlischt, wenn der versicherte Weg für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung, die zum persönlichen Lebensbereich gehört (z. B. Einkauf von Lebensmitteln auf dem Heimweg von der Arbeit), unterbrochen wird. Der Versicherungsschutz setzt wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und der ursprüngliche Weg wieder aufgenommen wird. Dauert die Unterbrechung länger als zwei Stunden ist davon auszugehen, dass der Versicherte sich vom geschützten Weg gelöst hat . Der Versicherungsschutz beginnt dann mit dem Ende der Unterbrechung (Weg zur Arbeit) oder mit dem Beginn der Unterbrechung (Heimweg).
2.1.1.7 Berufskrankheit
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die durch eine Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet werden und die Versicherte infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
- Eine Erkrankung wird als Berufskrankheit anerkannt, wenn sie in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführt ist.
- Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und der Versicherte darf eine solche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausüben.
- Für das Vorliegen des Tatbestandes der Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich.
- Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des „Vollbeweises“, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreicht.
2.1.1.8 Mittelbare Folgen
Mittelbare Folgen eines Versicherungsfalls werden ebenfalls als Unfallfolge entschädigt (vgl. § 11 SGB VII). Zuständig ist der Unfallversicherungsträger, der den Erstschaden entschädigt hat.
Es handelt sich um einen mittelbaren Schaden, wenn zu einer ersten Gesundheitsstörung eine weitere hinzutritt, die rechtlich wesentlich durch die anerkannte Unfallfolge mit verursacht ist . Zum Erstunfall tritt ein zweites Unfallereignis hinzu, welches eine nach Identität und Qualität verschiedene und selbstständige Schädigung darstellt. Der Erstunfall muss stets ein Versicherungsfall nach §§ 8,9 SGB VII sein.
Zweitunfälle in diesem Sinne sind Unfälle bei der
- Durchführung einer Heilbehandlung, von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einer Maßnahme nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung,
- Wiederherstellung oder Erneuerung eines Hilfsmittels,
- zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung.
Versichert sind auch die notwendigen Wege.
2.1.1.9 Schädigung einer Leibesfrucht
Ein ungeborenes Kind (Leibesfrucht) steht ebenfalls unter dem Schutz der Unfallversicherung (vgl. § 12 SGB VII). Der Versicherungsfall setzt einen Arbeitsunfall der Mutter voraus, durch den auch das ungeborene Kind geschädigt wird. Wird das ungeborene Kind durch eine Berufskrankheit geschädigt, ist es nicht erforderlich, dass auch die Mutter erkrankt. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Krankheit geeignet ist, bei der Mutter eine Berufskrankheit auszulösen.
2.1.1.10 Blut- oder Organspende
Als Versicherungsfall gilt bei Versicherten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b SGB VII) der Gesundheitsschaden, der über die durch die Blut-, Organ-, Organteil- oder Gewebeentnahme regelmäßig entstehenden Beeinträchtigungen hinausgeht und in ursächlichem Zusammenhang mit der Spende steht (vgl. § 12a SGB VII). Dazu gehören auch erforderliche Voruntersuchungen sowie Nachsorgemaßnahmen.
2.1.2 Arbeitsunfähigkeit
Versicherte erhalten Verletztengeld, wenn sie infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind und unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine Entgeltersatzleistung hatten (vgl. § 45 Abs. 1 SGB VII).
2.1.2.1 Begriff der Arbeitsunfähigkeit
Der Begriff „Arbeitsunfähigkeit“ entspricht dem durch die Rechtsprechung entwickelten Begriff in der Krankenversicherung. Ein Versicherter ist arbeitsunfähig, wenn wegen eines Versicherungsfalls (vgl. § 7 SGB VII) die zuletzt ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann oder der Versicherte ihr nur unter der Gefahr der Verschlimmerung seiner Krankheit in absehbarer Zeit weiter nachgehen kann. Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit ärztlicher Heilbehandlung und zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Die Fortsetzung oder Aufnahme einer Arbeit auf Kosten der Gesundheit (Zwischenbeschäftigung) schließen Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Dass der Versicherte möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben könnte, ist unerheblich. Die Beurteilung erfolgt allein nach medizinischen und berufskundlichen Gesichtspunkten. dabei sind die vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der Krankenversicherung entwickelten Kriterien heranzuziehen.
Wenn mehrere Beschäftigungen ausgeübt werden, ist die Arbeitsunfähigkeit für jede einzelne Beschäftigung zu prüfen.
2.1.2.2 Leistungsbezieher nach dem SGB III
Die Definition des Begriffs „Arbeitsunfähigkeit“ ist auch auf die Bezieher von Arbeitslosengeld zu übertragen. Ein arbeitsloser Versicherter ist als arbeitsunfähig anzusehen, wenn er aus gesundheitlichen Gründen der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung steht oder er durch die Krankheit von der Vermittlung eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes ausgeschlossen ist. Dabei sind die Kriterien der Verfügbarkeit zu prüfen . Danach sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen (vgl. § 140 Abs. 1 SGB III).
Der Maßstab für eine Arbeitsunfähigkeit ergibt sich für Bezieher von Arbeitslosengeld aus deren aktuellem Versicherungsverhältnis. Eine frühere Beschäftigung wird dabei nicht berücksichtigt, wenn die Arbeitsunfähigkeit erst nach deren Beendigung und während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB III eingetreten ist. Ein „Berufsschutz“ für die ersten sechs Monate der Arbeitslosigkeit lässt sich aus dem zeitlich abgestuften Arbeitsentgeltschutz nicht herleiten.
2.1.2.3 Leistungsbezieher nach dem SGB II
Die Aussagen zur Arbeitsunfähigkeit der Bezieher von Arbeitslosengeld gelten sinngemäß auch für Bezieher von Geldleistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Die Beschäftigung muss zumutbar sein (vgl. § 10 SGB II).
2.1.2.4 Kinder, Schüler und Studenten
Kinder, Schüler und Studenten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII) sind arbeitsunfähig, wenn sie neben dem Schulbesuch oder dem Studium (ggf. während der Ferien oder vorlesungsfreien Zeit) eine Tätigkeit verrichten und diese Tätigkeit infolge eines Versicherungsfalls der Unfallversicherung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Die Arbeitsunfähigkeit endet mit dem vorgesehenen Ende der Beschäftigung, da von diesem Zeitpunkt an kein zu ersetzender Ausfall von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vorhanden ist.
2.1.2.5 Verweisungstätigkeit
Verliert der Versicherte nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle, ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit insofern, als nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten „verwiesen“ werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Verletztengelds eng zu ziehen ist.
Für die Beurteilung ist unerheblich, ob der Versicherte sich arbeitslos meldet und sein Einverständnis mit einer Vermittlung in einen anderen Beruf erklärt.
Ein offener Arbeitsplatz ist nicht nachzuweisen. Es ist vielmehr ausreichend, wenn auf dem Arbeitsmarkt Arbeitsstellen für ähnliche Tätigkeiten in nennenswerter Zahl vorhanden sind, die täglich zumutbar erreicht werden können. Damit ist eine reelle Erwerbsmöglichkeit gegeben, welche die Arbeitsunfähigkeit ausschließt. Ein Wohnortwechsel ist dem Versicherten nicht zuzumuten.Für die Verweisbarkeit ist darauf abzustellen, welche Bedingungen das bisherige Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis im Wesentlichen geprägt haben und welche ähnlichen, d. h. dem bisherigen Arbeitsverhältnis gleichgearteten Tätigkeiten, in Betracht kommen.
Anerkannter Ausbildungsberuf
Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus, weil diese im Allgemeinen nicht ähnlich sind. Dabei ist unerheblich, ob es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um den ursprünglich erlernten Beruf handelt. Auch im Rahmen eines Ausbildungsberufes weichen die Tätigkeiten teilweise so weitgehend voneinander ab, dass die Verweisung oft ausgeschlossen sein wird.
Für die Frage der Ähnlichkeit innerhalb eines Ausbildungsberufs kommt es zunächst darauf an, ob ein Aufgabenbereich zu einem bestimmten Beruf gehört oder nicht. Darüber hinaus kommt es darauf an, dass die bisher vom Versicherten verrichtete Arbeit nach der Art der Verrichtung, den körperlichen und geistigen Anforderungen, den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Inhalt der Verweisungstätigkeit in etwa übereinstimmt.
Dabei ist zu unterscheiden, ob die Aufnahme einer neuen Beschäftigung ine nicht nur kurze Einarbeitungszeit verlangt oder ob die Tätigkeit ohne jede Vorkenntnisse bereits nach kurzer Einweisung ausgeübt werden kann. Bedeutsam ist auch, welches Maß an körperlichen oder nervlichen Belastungen mit ihr verbunden ist und wie weit die Lebensweise des Versicherten durch sie mitbeeinflusst wird (z. B. Umstellung von einer Arbeit am Wohnort auf Reisetätigkeit). Eine erschöpfende Aufzählung aller Faktoren, die in diesem Zusammenhang allein oder zusammen mit anderen eine Rolle spielen können, ist nicht möglich. Eine andere Tätigkeit wird der bisher ausgeübten in der Regel nie ganz gleichen. Sind die Unterschiede jedoch insgesamt so groß, das sich der Versicherte erheblich umstellen müsste, kann von einer ähnlichen Tätigkeit nicht mehr die Rede sein.
Ungelernte Arbeiten
Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist. Dabei hängt die Möglichkeit der Verweisung nicht nur von der Art der Arbeit sondern auch von deren Entlohnung ab.
Dazu ergibt sich aus der Entgelt-Ersatzfunktion des Verletztengeldes, dass einer Verweisbarkeit die Höhe des Entgelts nicht entgegensteht, wenn dieses in der neuen Tätigkeit etwa gleich hoch ist wie in der bisherigen. Die Vergleichbarkeit der Erwerbseinkommen darf allerdings nicht auf einer kurzfristigen Annäherung (z. B. durch zeitversetzte Tariferhöhungen) beruhen. Geringfügige Schwankungen stehen der Verweisbarkeit nicht entgegen. Wirtschaftliche Gleichwertigkeit ist ganz allgemein dann anzunehmen, wenn die Einkommenseinbuße nicht mehr als 10% beträgt. Verglichen wird das Arbeitsentgelt, das bei der Berechnung des Regelentgelts als Grundlage für das Krankengeld berücksichtigt wurde (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V), mit dem Entgelt, welches bei durchschnittlicher Arbeitsleistung mit der Vergleichstätigkeit erzielt werden kann.
2.1.2.6 Stufenweise Wiedereingliederung
Medizinische und die sie ergänzenden Leistungen sollen entsprechend der Zielsetzung einer besseren Wiedereingliederung in das Erwerbsleben erbracht werden, wenn arbeitsunfähige Leistungsberechtigte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und dies durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser gelingen wird (vgl. § 28 SGB IX). Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sieht § 74 SGB V die stufenweise Wiedereingliederung unter gleichen Voraussetzungen ausdrücklich vor. Beiden Vorschriften gemein ist, dass der Versicherte arbeitsunfähig ist, seine bisherige Tätigkeit nur teilweise verrichten kann und durch stufenweise Wiederaufnahme dieser Tätigkeit voraussichtlich eine bessere Wiedereingliederungsmöglichkeit besteht.
Die stufenweise Wiedereingliederung setzt neben der Zustimmung des Arbeitgebers und des Versicherten voraus, dass der Versicherte oder der Leistungsberechtigte arbeitsunfähig ist und seine bisherige Tätigkeit nur teilweise verrichten kann. Außerdem ist die Zielsetzung der medizinischen Rehabilitation in Gestalt einer stufenweisen Wiedereingliederung auf den Erhalt des vorhandenen Arbeitsverhältnisses ausgerichtet. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern greift das Prinzip der Freiwilligkeit nicht. Den Arbeitgeber trifft vielmehr eine Mitwirkungspflicht, personenbedingte Schwierigkeiten durch eine Wiedereingliederung zu beseitigen, um das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortsetzen zu können (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 84 Abs. 2 SGB IX).
Während der stufenweisen Wiedereingliederung ruhen die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag. Arbeitsrechtlich bedarf die Maßnahme wegen der vom Arbeitsvertrag abweichenden Beschäftigung grundsätzlich der Zustimmung des Arbeitgebers; Entgeltansprüche entstehen nicht. Für die Beurteilung des Anspruchs auf Entgeltzahlung kommt es auf die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Verletztengeld ist in voller Höhe zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer nach der Vereinbarung keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Ein Erstattungsanspruch des Unfallversicherungsträgers gegen den Arbeitgeber nach § 115 SGB X besteht nicht.
Eine teilweise Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit gibt es nicht. Die Begriffe Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit schließen sich vielmehr gegenseitig aus. Wird der Kranke stufenweise (z. B. mit zunächst 4 und später 6 Arbeitsstunden täglich; z. B. nach dem so genannten. „Hamburger Modell“) wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert, ergeben sich daraus keine Auswirkungen auf die Arbeitsunfähigkeit. Während der Arbeitserprobung wird eine Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt. Wenn und soweit während der Wiedereingliederung Arbeitsentgelt erzielt wird ist dieses auf das Verletztengeld anzurechnen (vgl. § 52 Nr. 1 SGB VII).
2.1.2.7 Hinzutritt einer Krankheit
Tritt zu einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Versicherungsfalls eine unfallunabhängige Krankheit hinzu, die für sich Arbeitsunfähigkeit verursachen würde, wird dadurch keine weitere Arbeitsunfähigkeit begründet, die selbstständige rechtliche Folgen auslösen könnte. Die zu einer unfallbedingten Krankheit hinzugetretene unfallunabhängige Erkrankung teilt im Ergebnis das Schicksal der Ursprungserkrankung, weil die weitere Krankheit noch während des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit infolge der ersten Krankheit aufgetreten ist. Eine Krankheit tritt erst dann nicht mehr „hinzu“ und ist in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen, wenn sie am Tage nach Beendigung der bisherigen Arbeitsunfähigkeit oder noch später auftritt.
Eine hinzugetretene Krankheit löst erst dann selbstständige rechtliche Folgen aus, wenn sie alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ist (vgl. Bsp. 3).
Bsp. 3: Hinzutritt einer unfallunabhängigen Krankheit
Ein Versicherter erleidet am 21. Juni 2016 einen Arbeitsunfall und ist wegen der Folgen bis zum 4. September 2016 arbeitsunfähig. Während dieser Zeit tritt am 10. August 2016 eine unfallunabhängige Krankheit ein, die für sich ebenfalls Arbeitsunfähigkeit verursachen würde. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der unfallunabhängigen Krankheit endet am 3. Oktober 2016.
Der Arbeitsunfall ist die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 21. Juni bis zum 4. September 2016. Die unfallunabhängige Erkrankung ist in der Zeit vom 5. September bis zum 3. Oktober 2016 die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend sind die Ansprüche auf Entgeltersatzleistungen zu beurteilen.Dies gilt auch, wenn zu einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer unfallunabhängigen Krankheit die Folgen eines Versicherungsfalls in der Unfallversicherung hinzutreten, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit auslösen würden (vgl. Bsp. 4).
Bsp. 4: Hinzutritt einer unfallabhängigen Krankheit
Ein Versicherter ist wegen der Folgen eines Herzinfarkts in der Zeit vom 4. Oktober bis zum 20. Dezember 2016 arbeitsunfähig krank. Er erleidet während dieser Zeit am 18. November 2016 einen Arbeitsunfall, wegen dessen Folgen bis zum 5. Januar 2017 Arbeitsunfähigkeit besteht.
Die (unfallunabhängigen) Folgen des Herzinfarkts sind die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 4. Oktober bis zum 20. Dezember 2016. Die Folgen des Arbeitsunfalls sind in der Zeit vom 21. Dezember 2016 bis zum 5. Januar 2017 die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend sind die Ansprüche auf Entgeltersatzleistungen zu beurteilen.
2.1.3 Maßnahme der Heilbehandlung
Versicherte erhalten Verletztengeld, wenn sie wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung (vgl. §§ 27 ff. SGB VII) keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben können und unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf bestimmte Einkünfte hatten (vgl. § 45 Abs. 1 SGB VII). Es ist unerheblich, ob die Maßnahme ambulant oder stationär durchgeführt wird. Der Versicherte in einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung kann dann eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben, wenn die Unterbrechung der Arbeitszeit dazu führt, dass der Arbeitgeber in der restlichen Arbeitszeit keine Verwendung für den Arbeitnehmer hat.
2.1.4 Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder Entgeltersatzleistungen unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit
Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Verletztengeld ist ein Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung. Diesen Einkünften gleichgestellt sind die in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII aufgeführten Entgeltersatzleistungen (z. B. Krankengeld, Versorgungskrankengeld oder Arbeitslosengeld).
Entscheidend ist die Versicherteneigenschaft zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles sowie eine Erzielung von Einkommen. „Unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit“ bedeutet nicht, dass bis zum letzten Tag vor dem Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf eine der genannten Leistungen bestanden haben muss. Der Wortsinn zwingt nicht zu einem solchen Verständnis, denn das Wort „unmittelbar“ bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Arbeitsunfähigkeit ohne Unterbrechung auf den Leistungsbezug folgen muss, ohne dass damit gesagt wäre, wann eine für den Verletztengeldanspruch schädliche Unterbrechung anzunehmen ist.
Für das Verständnis des Begriffs „unmittelbar“ bedeutet das, dass es nicht auf einen tagesgenauen zeitlichen Anschluss ankommt. Vielmehr muss der Versicherte vor der Arbeitsunfähigkeit eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete selbstständige Tätigkeit ausgeübt und von einer der im Gesetz aufgeführten Einkunftsarten gelebt haben. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII sind dagegen nicht erfüllt, wenn er seinen Lebensunterhalt zu diesem Zeitpunkt aus anderen Quellen, etwa aus Vermögen, Kapitaleinkünften, Rente oder Sozialhilfe, finanziert hat. War der Anspruch auf eine der durch Verletztengeld zu ersetzenden Leistungen bereits vor Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit weggefallen, so hängt die Entscheidung über den Anspruch auf Verletztengeld davon ab, ob sich in der Zwischenzeit eine neue wirtschaftliche Lebensgrundlage gebildet hatte oder bilden konnte. Kürzere Unterbrechungen zwischen dem Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung sind deshalb unschädlich.
In der Praxis wird unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Unmittelbarkeit eine Unterbrechung von einem Monat in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 1 SGB IV oder § 19 Abs. 2 SGB V akzeptiert (vgl. Bsp. 5). Eine Unterbrechung von sieben Tagen ist jedenfalls unschädlich, wenn von vornherein feststeht, dass keine anderweitige Erwerbsgrundlage geschaffen werden wird.
Bsp. 5: Anspruch auf Arbeitsentgelt
1. Sachverhalt
Das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers endet durch Kündigung zum 30. Juni 2016. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht auch ein Anspruch auf Arbeitsentgelt; ein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder andere Einkünfte besteht nicht. Der Arbeitnehmer ist wegen eines Arbeitsunfalls vom 15. Juli 2016 bis auf weiteres arbeitsunfähig.
Es besteht Anspruch auf Verletztengeld, weil der Arbeitnehmer infolge eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist und unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte.
2. Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer steht seit dem 1. Juli 2016 in einem Beschäftigungsverhältnis mit Anspruch auf Arbeitsentgelt. Der Arbeitnehmer ist wegen einer unfallunabhängigen Erkrankung vom 15. bis zum 20. Juli 2016 arbeitsunfähig. Wegen eines am 18. Juli 2016 eingetretenen Arbeitsunfalls besteht über den 20. Juli 2016 hinaus bis auf weiteres Arbeitsunfähigkeit.
Der Arbeitnehmer erhält wegen der Regelung des § 3 Abs. 3 EFZG für die Zeit vom 29. Juli bis zum 8. September 2016 Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber. In der Zeit vom 15. bis zum 20. Juli 2016 besteht ein Anspruch auf Krankengeld. Anspruch auf Verletztengeld besteht vom 21. Juli 2016 an, weil unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Versicherungsfalls ein Anspruch auf Krankengeld bestand.
3. Sachverhalt
Ein selbstständig Erwerbstätiger gibt sein Gewerbe zum 30. Juni 2016 auf um von da an von seinen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu leben. Arbeitseinkommen wird nicht mehr erzielt. Der ehemals Erwerbstätige erleidet am 15. Juli 2016 einen Arbeitsunfall. Ein Anspruch auf Verletztengeld besteht nicht, weil die wirtschaftliche Lebensgrundlage die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind. Damit fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII genannten Einnahmen. Insbesondere Arbeitseinkommen wird nicht mehr erzielt und bildet nicht die wirtschaftliche Lebensgrundlage.
Kinder, Schüler oder Studierende haben keinen Anspruch auf Verletztengeld. Es fehlt an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, das unmittelbar vor der Arbeitsunfähigkeit erzielt wurde. Der Anspruch besteht auch dann nicht, wenn eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht aufgenommen werden kann (vgl. Bsp. 6). Allerdings kann ein Anspruch gegeben sein, wenn ein Schüler oder ein Student während der Schul- oder Semesterferien arbeitet und infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig ist.
Bsp. 6: Verhinderung an der Arbeitsaufnahme
Ein Schüler beabsichtigt, am 1. August 2016 erstmalig eine Beschäftigung gegen Entgelt aufzunehmen. Wegen der Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls vom 15. Juli 2016 kann die Beschäftigung erst am 15. Oktober 2016 aufgenommen werden.
Ein Anspruch auf Verletztengeld besteht nicht, weil unmittelbar vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht bestand.
2.1.5 Bevorstehende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Versicherte erhalten Verletztengeld, wenn sie in der Zeit nach dem Abschluss der Heilbehandlung bis zum Beginn erforderlicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitsfähig sind, aber im Hinblick auf die vorgesehenen Leistungen ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die genannten Voraussetzungen sind kumulativ zu erfüllen. Die Leistung dient dazu, die Wartezeit zwischen dem Ende der Heilbehandlung und dem Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu überbrücken. Dementsprechend wird das Verletztengeld vom Ende der Arbeitsunfähigkeit bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe gezahlt (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB VII).
Die Regelung gilt entsprechend für die Zeit bis zum Beginn und während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB VII).
Versicherte, die in der Zeit vor Beginn von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitsunfähig sind, haben Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 SGB VII.
2.1.5.1 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind erforderlich
Wenn der Versicherte nach Abschluss der Heilbehandlung nicht wettbewerbsfähig in das Arbeitsleben eingegliedert werden kann, hat der Unfallversicherungsträger zu prüfen, mit welchen Maßnahmen der Leistungen zur Teilhabe (vgl. § 35 SGB VII, §§ 33 bis 38, 40, 41 SGB IX) der Versicherte nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich eingegliedert werden kann. Es ist davon auszugehen, dass Leistungen zur Teilhabe erforderlich sind, solange der Unfallversicherungsträger sie prüft, die Maßnahme vorbereitet und sie einleitet bzw. sie ggf. ablehnt. Ein schriftlicher Bescheid ist zunächst nicht erforderlich.
2.1.5.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schließen sich nicht unmittelbar an die Heilbehandlung an
Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schließen sich nicht unmittelbar an die Heilbehandlung an aus Gründen, die der Versicherte nicht zu vertreten hat, weil er darauf keinen Einfluss nehmen kann. Das ist dann der Fall, wenn die Ursachen im Verantwortungsbereich des Unfallversicherungsträgers liegen (z. B. aufgrund einer langen Vorbereitungszeit in Verbindung mit Maßnahmen der Berufsfindung oder Arbeitserprobung oder wegen langer Wartezeiten für den Beginn der Umschulung in einem Berufsförderungswerk). Nicht zu vertreten hat der Versicherte aber auch Ursachen wie die Erkrankung des Ehegatten oder eines Kindes, die seine Anwesenheit erfordern.
Versicherte sind für Verzögerungen verantwortlich, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten ablehnen (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist § 140 Abs. 4 SGB III entsprechend anzuwenden (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 2 SGB IX).
2.1.5.3 Eine Tätigkeit kann nicht aufgenommen werden
Eine Tätigkeit kann nicht aufgenommen werden, wenn der Versicherte
- die bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen kann (weil z. B. das bisherige Arbeitsverhältnis beendet wurde),
- nicht in eine andere zumutbare Tätigkeit vermittelt werden kann oder
- die bisherige Tätigkeit oder eine zumutbare Tätigkeit aus wichtigem Grund nicht ausüben kann.
Die Gründe dafür können in der Person des Versicherten liegen (z. B. Gesundheitszustand, Leistungsfähigkeit) oder am Fehlen einer vermittelbaren, zumutbaren Tätigkeit.
2.1.5.4 Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder Entgeltersatzleistungen unmittelbar vor Beginn der Wartezeit
Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Verletztengeld während der Wartezeit auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist ein Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unmittelbar vor dem Beginn der Wartezeit. Diesen Einkünften gleichgestellt sind die in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII aufgeführten Entgeltersatzleistungen (z. B. Verletztengeld, Krankengeld oder Arbeitslosengeld). Der Begriff „unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit …“ bedeutet nicht, dass ein nahtloser Übergang erforderlich ist. Kürzere Unterbrechungen zwischen dem Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung sind unschädlich (vgl. auch 2.1.4).
2.1.6 Berufsfindung und Arbeitserprobung
Versicherte haben während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung Anspruch auf Verletztengeld (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB VII). Es handelt sich nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Vielmehr dienen die Maßnahmen während des Verwaltungsverfahrens der Auswahl von Leistungen. Dabei sind die
- Eignung,
- Neigung,
- bisherige Tätigkeit sowie
- Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
angemessen zu berücksichtigen. Es sind die gleichen Voraussetzungen wie für den Anspruch auf Verletztengeld bis zum Beginn von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erfüllen (vgl. 2.1.5).
2.1.7 Kombination von Heilbehandlung und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Versicherte haben einen Anspruch auf Verletztengeld anstelle von Übergangsgeld, wenn in einer Rehabilitationseinrichtung sowohl Maßnahmen der Heilbehandlung als auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden (vgl. § 45 Abs. 3 SGB VII). Das Verletztengeld wird gezahlt, wenn der Versicherte
- arbeitsunfähig ist oder wegen der Maßnahmen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann und
- unmittelbar vorher Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder eine Entgeltersatzleistung bezogen hat.
2.1.8 Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines Kindes
2.1.8.1 Anspruchsberechtigte Person
Verletztengeld (Kinderpflege-Verletztengeld) erhält der berufstätige Elternteil eines durch einen Versicherungsfall verletzten Kindes,
- wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass der Elternteil zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege seines verletzten Kindes der Arbeit fernbleibt,
- eine andere im Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
- das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist
(vgl. § 45 Abs. 4 SGB VII in Verbindung mit § 45 SGB V). Der Versicherungsfall tritt bei einem Kind ein; das Verletztengeld wird an eine dritte Person gezahlt, wenn diese ihrer Arbeit wegen eines Versicherungsfalls des Kindes fernbleiben muss und damit einen Verlust an Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erleidet. Ein Versicherungsverhältnis des Elternteils in der Unfallversicherung ist nicht erforderlich.
2.1.8.2 Kinder
Kinder in diesem Sinne sind
- eheliche Kinder,
- für ehelich erklärte Kinder,
- nichteheliche Kinder,
- angenommene Kinder,
- Stiefkinder und Enkel, die vom Anspruchsberechtigten überwiegend unterhalten werden, und
- Pflegekinder.
Eheliche Kinder sind leibliche Kinder, die ehelich geboren sind, wenn die Frau das Kind vor oder während der Ehe empfangen und der Mann innerhalb der Empfängniszeit der Frau beigewohnt hat (vgl. § 1591 Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Empfängniszeit i.S. des § 1591 BGB gilt die Zeit vom 181. bis zum 302. Tag (einschließlich dieser Tage) vor dem Tag der Geburt des Kindes. Steht jedoch fest, dass das Kind innerhalb eines Zeitraums empfangen worden ist, der weiter als 302 Tage vor dem Tag der Geburt zurückliegt, so gilt zugunsten der Ehelichkeit des Kindes dieser Zeitraum als Empfängniszeit (vgl. § 1592 BGB).
Falls die Ehe der Eltern später geschieden, aufgelöst oder für nichtig erklärt wird, ändert dies nichts an der Ehelichkeit des gemeinsamen Kindes. Kommen zwei Männer als Väter in Frage (wenn z.B. nach einer zweiten Eheschließung ein Kind geboren wird, das als eheliches Kind sowohl des ersten als auch des zweiten Mannes gelten kann), so wird es als eheliches Kind des zweiten Mannes betrachtet (vgl. § 1600 Abs. 1 BGB). Stellt das Gericht auf Anfechtung hin fest, dass das Kind kein eheliches Kind des zweiten Mannes ist, gilt es als eheliches Kind des ersten Mannes (vgl. § 1600 Abs. 2 BGB).
Für ehelich erklärte Kinder sind solche Kinder, die auf Antrag des Vaters (vgl. § 1723 BGB) oder auf Antrag des Kindes (vgl. § 1740 a Abs. 1 BGB) vom Vormundschaftsgericht für ehelich erklärt werden. Durch die Ehelicherklärung erlangen die Kinder die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes (vgl. §§ 1736, 1740 f Abs. 1 BGB). Darüber hinaus wird ein nichteheliches Kind ehelich, wenn sich der Vater mit der Mutter verheiratet (vgl. § 1719 Satz 1 1. Halbsatz BGB).
Nichteheliche Kinder sind solche, bei denen nicht die Kriterien der Ehelichkeit erfüllt sind, die also
- vor der Eheschließung geboren wurden,
- deren Eltern nicht verheiratet sind,
- die nach dem 302. Tag nach der Auflösung, Nichtigkeitserklärung, Scheidung oder dem in der Todeserklärung festgesetzten Tag geboren wurden (Ausnahme vgl. § 1592 Abs. 2 BGB),
- deren Ehelichkeit wieder entfällt (z.B. bei erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft),
- deren Nichtehelichkeit durch Urteil festgestellt wurde oder
- deren Annahmeverhältnis aufgehoben wurde (vgl. §§ 1759 ff, 1771 BGB), wenn sie vor der Annahme nichtehelich waren.
Durch die Annahme als Kind erlangt das Kind den Status eines ehelichen Kindes im Verhältnis zu dem oder den Annehmenden (vgl. § 1754 BGB). Die Annahme als Kind wird auf notariell beurkundetem Antrag des Annehmenden vom Vormundschaftsgericht ausgesprochen (vgl. § 1752 BGB). Mit der Zustellung an den Annehmenden wird der Beschluss des Vormundschaftsgerichts wirksam und unanfechtbar (vgl. § 56 e FGG). Mit der Annahme erlöschen das Verwandtschaftsverhältnis des Kinder und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten (vgl. § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern.
Stiefkinder sind Kinder eines Ehegatten, die nicht zugleich Kinder des anderen Ehegatten sind . Es handelt sich also um leibliche eheliche oder nichteheliche Kinder des anderen Ehegatten. Stiefkind ist aber auch das von dem Ehegatten des Versicherten an Kindes Statt angenommene Kind, das kein Kind des Versicherten selbst ist . Zwischen dem Stiefkind und dem Stiefvater bzw. der Stiefmutter wird daher ein Schwägerschaftsverhältnis (vgl. § 1590 Abs. 1 BGB) begründet. Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist (vgl. § 1590 Abs. 2 BGB). Ein Stiefkind kann jedoch nicht gleichzeitig ein Pflegekind sein, selbst wenn der Stiefelternteil tatsächlich elterliche Funktionen ausübt.
Enkel oder Kindeskinder sind Abkömmlinge zweiten Grades . Dabei kann es sich um die ehelichen, die für ehelich erklärten und die nichtehelichen Kinder der eigenen Kinder handeln. Der Status als Enkel kann auch durch die Anerkennung der Vaterschaft (vgl. § 1600 a BGB) oder durch die Annahme als Kind (vgl. §§ 1741 ff. BGB) begründet werden. Durch die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft (vgl. § 1600 f BGB) oder durch das Erlöschen der bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse (z.B. Annahme als Kind; vgl. § 1755 BGB), kann die Eigenschaft als Enkel enden.
Stiefkinder und Enkel werden nur dann als Kinder berücksichtigt, wenn sie durch den anspruchsberechtigten Elternteil überwiegend unterhalten werden. Das ist der Fall, wenn der Elternteil aus eigenen Mitteln mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs des Angehörigen bestreitet, wobei die vom Ehegatten des Anspruchsberechtigten zugunsten des mitunterhaltenen Angehörigen erbrachten Leistungen nicht den Leistungen des Anspruchsberechtigten zugerechnet werden dürfen,
- wenn für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Angehörigen die gesamten Einnahmen aller Familienmitglieder zugrunde gelegt werden , oder
- wenn die Regelungen des Familienrechts, nach der der Unterhaltsbedarf des Stiefkindes alle – auch die von Dritten erbrachten – Geld- und Sachleistungen sowie Betreuungsleistungen umfasst.
Entscheidungshilfen zur Ermittlung des überwiegenden Unterhalts enthalten die Richtlinien für die Feststellung des überwiegenden Unterhalts im Rahmen der Familienversicherung für Stief- und Enkelkinder (vgl. § 10 Abs. 4 SGB V) vom 8. November 2005 (geändert zum 1. Januar 2009). Einkommen bzw. Einnahmen zum Lebensunterhalt i. S. dieser Richtlinien sind alle Nettobezüge, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden können, auch wenn sie nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen im Sinne der Sozialversicherung gehören. Leistungen für Kinder, wie Kindergeld, Ausbildungszulagen u. ä. sowie Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gewährt werden, sind bei der Ermittlung der maßgebenden Nettoeinnahmen nicht zu berücksichtigen.
Laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vornehmlich ALG II, Sozialgeld), die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeit Suchende erbracht werden, sind bei der Feststellung des überwiegenden Unterhalts als Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden können, zu berücksichtigen und den einzelnen Familienangehörigen personenbezogen zuzuordnen. Laufende Leistungen, die keiner bestimmten Person zugeordnet werden können, sind ebenfalls zu berücksichtigen, wobei der den Familienangehörigen jeweils zuzurechnende Anteil ermittelt wird, indem die Leistung durch die Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft geteilt wird. Ggf. ist von den vorgenannten Leistungen das zu berücksichtigende Einkommen abzuziehen.
Bei getrennter Haushaltsführung ist der überwiegende Unterhalt gegeben, wenn der anspruchsberechtigte Elternteil mehr Unterhaltsmittel beiträgt als das Stiefkind oder der Enkel bereits selbst oder von anderer Seite zur Verfügung hat. Angehörige, die – wenn auch nur vorübergehend – aus dem Familienverband ausgeschieden sind (z. B. bei Wehr- oder Zivildienst), werden bei der Ermittlung des überwiegenden Unterhalts nicht berücksichtigt. Im Übrigen ist das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen am 14. März 2002 herausgegebene Gemeinsame Rundschreiben betr. Einnahmen zum Lebensunterhalt für die Zuordnung von Einkünften zu Grunde zu legen.
Führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine überwiegende Unterhaltsgewährung nicht gegeben ist, sind in diesen Fällen die Werte der Haushaltsführung bzw. Kinderbetreuung (vgl. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) in die Prüfung einzubeziehen. Hierbei sind nicht nur die geldwerten Einnahmen zum Lebensunterhalt, sondern grundsätzlich auch die Naturalleistungen, wie sie üblicherweise von einem Ehegatten oder von einem Lebenspartner in Form der Haushaltsführung und Kinderbetreuung erbracht werden, zu berücksichtigen. Der Wert der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung, der zwar wegen der unterschiedlichen Aufteilung der einzelnen Leistungen auf den anspruchsberechtigten Elternteil und den Ehegatten bzw. den Lebenspartner getrennt auszuweisen ist, findet nur als Gesamtbetrag Berücksichtigung und ist dann anzusetzen, wenn dies für den anspruchsberechtigten Elternteil günstiger ist. Der Wert der Haushaltsführung richtet sich nach den gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zu ermittelnden Durchschnittsentgelten. Als Wert der Kinderbetreuung ist der Betrag zu berücksichtigen, der dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht; er kann für jedes im Haushalt des anspruchsberechtigten Elternteils lebende unverheiratete Kind i. S. des § 10 Abs. 2 SGB V angesetzt werden.
In den Fällen, in denen der Familie an Geldmitteln lediglich das Einkommen des anspruchsberechtigten Elternteils zur Verfügung steht, darf der Gesamtbetrag der Haushaltsführung und Kinderbetreuung höchstens bis zum Einkommen des anspruchsberechtigten Elternteils berücksichtigt werden. Haben sowohl der anspruchsberechtigte Elternteil als auch sein Ehegatte/Lebenspartner Einkommen, ist der insgesamt für die Haushaltsführung und Kinderbetreuung anzusetzende Wert auf den Gesamtbetrag der von beiden Ehegatten/Lebenspartnern erzielten Einkünfte zu beschränken. Wenn der Wert der Dienstleistungen das Nettoeinkommen des anspruchsberechtigten Elternteils bzw. den Gesamtbetrag der von beiden Ehegatten/Lebenspartnern erzielten Einkünfte überschreitet, verringern sich um den Überschreitungsbetrag anteilmäßig die berücksichtigungsfähigen Werte der Haushaltsführung und Kinderbetreuung.
Der Wert der Haushaltsführung und Kinderbetreuung ist mit den Bruttobeträgen bei der Prüfung des überwiegenden Unterhalts zu berücksichtigen, d. h. fiktive Abgaben für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge sind nicht in Abzug zu bringen.
Tritt an die Stelle des Ehegatten/Lebenspartners eine Haushaltsführerin, so ist dieser der für den Ehegatten/Lebenspartner vorgesehene Anteil des Wertes der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung zuzurechen. Sofern im Einzelfall die überwiegende Unterhaltsgewährung durch einen allein erziehenden Elternteil zu prüfen ist, sind ebenfalls nur die Werte für der Ehegatten/Lebenspartner anzusetzen; der verbleibende prozentuale Anteil bleibt dann außer Betracht.
Pflegekinder sind Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB V in Verb. mit § 56 Abs. 2 Nr. 2 SGB I). Ein Pflegekindschaftsverhältnis setzt damit die familiäre Bindung in der Art der Beziehungen zwischen Kind und leiblichen Eltern voraus ; dieses familienähnliche Verhältnis muss von einiger Dauer sein, es genügt nicht, dass es nur für eine ganz unerhebliche Zeit begründet ist . Wer ein Pflegekind aufnimmt, bedarf dazu der vorherigen Erlaubnis des Jugendamtes, das auch die Aufsicht durchführt; die Erlaubnis zur Pflege kann befristet werden und ist widerrufbar, wenn das Wohl des Kindes dies erfordert (vgl. §§ 44 ff. KJHG ).
2.1.8.3 Altersgrenze
Der Anspruch ist auf Kinder beschränkt, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ist das Kind jedoch behindert und auf Hilfe angewiesen, besteht der Anspruch ohne Rücksicht auf das Lebensalter des Kindes. Behindert und auf Hilfe angewiesen sind Kinder, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Unkonzentriertheit, Nervosität, Labilität sowie ein Rückstand der geistigen Entwicklung stellen für sich allein keine Behinderung dar. Die Aufhebung der Altersgrenze gilt für behinderte Kinder, bei denen die Behinderung bis zu den Altersgrenzen des § 10 Abs. 2 Nr. 1 – 3 SGB V eingetreten ist.
2.1.8.4 Beaufsichtigung Betreuung und Pflege
Die gesundheitlichen Folgen des Versicherungsfalls erfordern, dass der Elternteil das verletzte Kind beaufsichtigen, betreuen oder pflegen muss. Zur Pflege gehört neben der sachkundigen Krankenpflege u. a. auch die Versorgung mit Nahrung, Arzneimitteln oder sonstigen Handreichungen oder die fürsorgliche Betreuung. Die Pflege kann deshalb sowohl von einer Krankenpflegefachkraft als auch von einer nicht krankenpflegerisch ausgebildeten Person erbracht werden.
Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege können sowohl im Haushalt des Anspruchsberechtigten als auch im außerhäuslichen Bereich (z. B. in einem Heim oder bei Verwandten) durchgeführt werden. Bei einer außerhäuslichen Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege sind allerdings besondere Anforderungen an die medizinische Notwendigkeit zu stellen. Diese sind regelmäßig als erfüllt anzusehen, wenn während einer stationären Behandlung des verletzten Kindes die Mitaufnahme des Anspruchsberechtigten erforderlich ist.
Der Anspruchsberechtigte ist aufgrund der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des verletzten Kindes gehindert, seine Arbeit zu verrichten. Dieses wird durch ein ärztliches Zeugnis bescheinigt. Das Zeugnis kann neben Durchgangsärzten oder Ärzten einer Unfallklinik oder eines Verletzungsarten-Krankenhauses von jedem Arzt (z. B. niedergelassener Arzt, Werksarzt, Amtsarzt) ausgestellt werden. Schriftform ist erforderlich.
2.1.8.5 Keine andere im Haushalt lebende Person
Eine andere im Haushalt des Anspruchsberechtigten lebende Person kann die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege des Kindes nicht übernehmen. Eine „andere Person“ in diesem Sinne sind Verwandt, Verschwägerte, der Ehegatte oder jede andere Person ohne eine verwandtschaftliche oder schwägerschaftliche Beziehung zum Anspruchsberechtigten, wenn diese aufgrund eines längeren Aufenthalts in den Haushalt integriert ist. Zu berücksichtigen sind nur Personen, die in der Lage sind, das verletzte Kind zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen. Auf die Tätigkeit einer anderen berufstätigen Person aus dem Haushalt des Anspruchsberechtigten kann dieser nicht verwiesen werden.
2.1.8.6 Anspruchsdauer
Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage. Der Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld für dasselbe Kind kann von jedem Elternteil unter Berücksichtigung der neuen Höchstanspruchsdauer für bis zu 10 Arbeitstage geltend gemacht werden. Soweit in der Familie mehrere versicherte Kinder leben, bestehen die Ansprüche in einem Kalenderjahr entsprechend mehrfach. Insgesamt ist der Anspruch für ein Elternteil allerdings auf 25 Arbeitstage begrenzt. Bei der Begrenzung der Anspruchsdauer werden Zeiten des Anspruchs auf Kinderpflege-Krankengeld nach § 45 SGB V wegen einer unfallunabhängigen Erkrankung nicht berücksichtigt.
Bei allein erziehenden Anspruchsberechtigten wird die Höchstanspruchsdauer je Kind im Kalenderjahr auf 20 Arbeitstage bzw. für mehrere Kinder insgesamt auf 50 Arbeitstage festgelegt. Bei der Definition des Begriffes „Alleinerziehender“ ist auf das nach bürgerlichrechtlichen Vorschriften zu bestimmende alleinige Personensorgerecht für das betreffende Kind abzustellen. Nach § 1631 BGB umfasst die Personensorge insbesondere das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Die Personensorge steht gemeinsam mit der Vermögenssorge als elterliche Sorge regelmäßig beiden Eltern ehelicher Kinder zu (vgl. § 1626 BGB). Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder einander heiraten. Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge (vgl. § 1626 a BGB). Bestand ein gemeinsames Sorgerecht und ist ein Elternteil gestorben, ist der überlebende Elternteil allein personensorgeberechtigt (vgl. §§ 1680, 1681 BGB).
Soweit im Falle des nicht nur vorübergehenden Getrenntlebens der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern vom Familiengericht das alleinige Personensorgerecht einem Elternteil übertragen wird (vgl. §§ 1671, 1672 BGB), ist dieser als allein erziehend im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB V anzusehen. Liegt eine Entscheidung des Familiengerichts noch nicht vor, ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse darüber zu entscheiden, ob der anspruchsberechtigte Elternteil als allein erziehend anzusehen ist. Soweit der Elternteil als allein erziehend anzusehen ist, steht diesem ein Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld von maximal 20 Arbeitstagen zu. Für den anderen Elternteil ist der Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld in diesen Fällen ausgeschlossen.
Sofern im Falle des nicht nur vorübergehenden Getrenntlebens die Eltern ein gemeinsames Personensorgerecht aufrechterhalten, hat jeder Elternteil einen Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld für maximal 10 Arbeitstage.
Lebt der allein personensorgeberechtigte Elternteil in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und steht das verletzte Kind in einem Kindschaftsverhältnis zu dem nichtehelichen Lebenspartner, sind die Ansprüche nach § 45 SGB VII so zu beurteilen, als stünde beiden Elternteilen das Personensorgerecht gemeinsam zu. Steht das verletzte Kind in keinem Kindschaftsverhältnis zu dem nichtehelichen Lebenspartner, ist nur der allein personensorgeberechtigte Elternteil nach § 45 SGB VII anspruchsberechtigt. Soweit nichteheliche Partner oder andere Personen im Haushalt des allein personensorgeberechtigten Elternteils leben und in der Lage sind, das Kind zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen, sind aus diesem Grunde Ansprüche nach § 45 SGB VII ausgeschlossen. Das alleinige Personensorgerecht ist im Einzelfall durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachzuweisen.
Ist ein Elternteil an der Ausübung des Sorgerechts dadurch gehindert, dass er für einen längeren Zeitraum nicht im gemeinsamen Haushalt lebt (z.B. durch einen Krankenhausaufenthalt), kann dem anderen Elternteil der verlängerte Anspruch eines Alleinerziehenden eingeräumt werden. Hierzu reicht eine Erklärung des Elternteils aus.
Bei einem Statuswechsel von einem gemeinsamen zu einem alleinigen Personensorgerecht oder umgekehrt darf die Höchstanspruchsdauer für das Kinderpflege-Verletztengeld von maximal 20 Arbeitstagen je Kind (bzw. 50 Arbeitstage) nicht überschritten werden.
2.1.8.7 Höhe der Leistung
Das Kinderpflege-Verletztengeld wird (seit dem 1. Januar 2015) in Höhe des während der Freistellung ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts gezahlt (ähnlich wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Das Nettoarbeitsentgelt wird aus dem Bruttoarbeitsentgelt ermittelt. Das Bruttoarbeitsentgelt wird bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes berücksichtigt. Die Leistung wird innerhalb des Anspruchszeitraums für Kalendertage gezahlt.
2.1.8.8 Schwerstkranke Kinder
Ein unbefristeter Anspruch auf Kinderpflege-Verletztengeld besteht für Kinder, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind und an einer Erkrankung leiden,
- die progredient -d. h. fortschreitend und sich unaufhaltsam verschlimmernd- verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
- bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativ-medizinische – also schmerz- und Beschwerde lindernde — Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
- die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.
Der Anspruch besteht für ein Elternteil unabhängig davon, ob eine andere im Haushalt lebende Person die Beaufsichtigung, Betreuung und Pflege des schwerstkranken Kindes übernehmen kann (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Der Anspruch ist nicht zeitlich befristet.
Der Anspruch besteht, soweit und solange die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. In der Praxis wird empfohlen, das Verletztengeld zu zahlen, wenn das Kind voraussichtlich eine Lebenserwartung von bis zu sechs Monaten hat. Der Anspruch endet mit dem Tod des Kindes.
Das Krankengeld wird in entsprechender Anwendung des § 47 SGB V für Kalendertage berechnet und gezahlt. Berechnungsgrundlage ist das Arbeitsentgelt des Abrechnungszeitraums, der zuletzt vor der Freistellung abgerechnet wurde. Ist das Krankengeld für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, wird dieser mit 30 Tagen berücksichtigt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 7 SGB V).
2.2 Beginn und Ende des Anspruchs
2.2.1 Beginn des Verletztengeldes
2.2.1.1 Arbeitsunfähigkeit
Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, von dem an die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (vgl. § 46 Abs. 1 SGB VII). Bei diesem Tag handelt es sich um den durch einen Arzt bescheinigten Beginn der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Bsp. 7). Eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist nicht ausgeschlossen . Maßgebend ist der Zeitraum, für den ärztlich Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird. Der Anspruch auf Verletztengeld besteht auch dann vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an, wenn das Versicherungsverhältnis in der Krankenversicherung im Zusammenhang mit einem Wahltarif oder einer Wahlerklärung eine Wartezeit vorsieht (vgl. §§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3, Satz 3, 46 Satz 3, 53 Abs. 6 SGB V). Die Arbeitsunfähigkeit kann von jedem Arzt festgestellt werden.
Bsp. 7: Beginn des Verletztengeldes
Es ereignet sich am 4. Juli 2016 um 23:30 Uhr ein Arbeitsunfall, wegen dessen Folgen der Verletzte arbeitsunfähig ist. Die Arbeitsunfähigkeit wird am 5. Juli 2016 um 00:20 Uhr vom Unfallzeitpunkt an festgestellt. Verletztengeld ist vom 4. Juli 2016 an zu zahlen.
Anmerkung: Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen sind auf das Verletztengeld anzurechnen (vgl. § 52 Nr. 1 SGB VII). Bei einem Arbeitnehmer mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung wird es deshalb tatsächlich nicht zur Zahlung von Verletztengeld vor dem Ablauf des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung kommen.
Die ärztliche Bescheinigung ist ein Beweismittel. Sie ist für den Leistungsträger nicht bindend und kann von ihm überprüft werden.
Verletztengeld wird vielfach erst nach beendigter Entgeltfortzahlung geleistet. Hinsichtlich des Beginns der Zahlung ist § 52 SGB VII zu beachten (vgl. 7). Eine Ruhensvorschrift wie beim Krankengeld (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) existiert nicht.
2.2.1.2 Heilbehandlungsmaßnahme
Verletztengeld wird vom Beginn einer Heilbehandlungsmaßnahme an gezahlt, wenn der Unfallversicherte deshalb an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit gehindert ist (vgl. § 46 Abs. 1 SGB VII). Maßnahmen der Heilbehandlung sind u. a.
- Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen,
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs. 2 Nr. 1, 3 bis 7, Abs. 3 SGB IX
(vgl. § 27 Abs. 1 SGB VII). Stationäre, teilstationäre oder ambulante Maßnahmen können eine ganztägige Erwerbstätigkeit ausschließen (beispielsweise die Anpassung bzw. Reparatur eines Körperersatzstücks oder eines Hilfsmittels).
Die Vorschrift gilt bei einer Teilzeitarbeit entsprechend.
2.2.1.3 Unternehmer, Ehegatten und Gleichgestellte
Für Unternehmer und ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner kann der Anspruch auf Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen der Arbeitsunfähigkeit ganz oder teilweise ausgeschlossen werden (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Den Unternehmern sind solche Personen gleichgestellt, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften wie Unternehmer tätig werden (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII). Gemeint sind damit vor allem geschäftsführende Gesellschafter, die aufgrund ihres tatsächlichen Einflusses auf die Gesellschaft nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Gesellschaft stehen.
Erforderlich ist eine Satzungsbestimmung des Unfallversicherungsträgers (vgl. Bsp. 8). Darin können der Anspruch auf Zahlung des Verletztengeldes ganz oder teilweise ausgeschlossen sowie die Dauer des Ausschlusses geregelt werden.
Bsp. 8: Satzungsbestimmung
Verletztengeld wird für die ersten drei Wochen der Arbeitsunfähigkeit nicht gezahlt (§ 46 Abs. 2 SGB VII). Die Frist nach Satz 1 beginnt am Tag, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, wenn sie an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Abweichend hiervon wird Verletztengeld für die Dauer der wegen eines Versicherungsfalles erforderlichen stationären Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen (§ 33 SGB VII) gezahlt. Satz 1 gilt nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind.
Der Anspruch auf Verletztengeld kann nicht für die Personen ausgeschlossen werden, die bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Das gilt selbst dann, wenn der Anspruch auf Krankengeld nach der Satzung der Krankenkasse aufgrund eines Wahltarifs (vgl. § 53 Abs. 6 SGB V) oder einer Wahlerklärung (vgl. § 46 Satz 2 SGB V) erst nach einer Wartezeit beginnt.
Für den Personenkreis der bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versicherten ist der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, wenn es als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen ist (vgl. § 11 Abs. 5 SGB V). Es bestünde somit bei einem satzungsmäßigen Ausschluss des Anspruchs auf Verletztengeld weder gegen die Krankenkassen noch gegen den Unfallversicherungsträger ein Anspruch auf eine Entgeltersatzleistung.
Ein Krankengeld-Spitzbetrag in Höhe des Krankengeldes, das den Anspruch auf Verletztengeld übersteigt, wird neben dem Verletztengeld nicht gezahlt.
2.2.2 Ende des Verletztengeldes
2.2.2.1 Arbeitsunfähigkeit oder Heilbehandlungsmaßnahme
Der Anspruch auf Verletztengeld endet mit dem letzten Tag der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII). Das gilt auch, wenn inzwischen das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Am Anspruchsende orientiert sich der Beginn einer Rente an den Versicherten (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).
Wenn das Verletztengeld abschnittsweise für die Dauer der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit bewilligt wird, verliert der Verwaltungsakt mit dem Ende des bewilligten Zeitraums seine Wirksamkeit durch Fristablauf (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X). Ein Aufhebungsbescheid ist nicht erforderlich.
Im Falle einer Heilbehandlungsmaßnahme, die an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert, endet der Anspruch auf Verletztengeld mit dem letzten Tag der Maßnahme.
2.2.2.2 Anspruch auf Übergangsgeld
Versicherte erhalten Übergangsgeld während Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. § 49 SGB VII). Der Anspruch auf Verletztengeld endet mit dem Beginn des Übergangsgeldes (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII; vgl. Bsp. 9). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in diesem Sinne sind vor allem die Berufsbildungsmaßnahmen (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX; Ausbildung, Fortbildung, berufliche Anpassung, Umschulung) aber auch Berufsvorbereitungsmaßnahmen (vgl. § 35 Abs. 2 SGB VII) und Integrationsmaßnahmen für arbeitslose Versicherte. Leistungen des Unfallversicherungsträgers zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes (vgl. § 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX) begründen keinen Anspruch auf Übergangsgeld. Der Anspruch auf Verletztengeld lebt nicht wieder auf, wenn die berufsfördernde Leistung abgebrochen wird, weil es dafür an einer ausdrücklichen Regelung fehlt.
Bsp. 9: Ende des Verletztengeldes
Ein Versicherter ist wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 15. März 2016 bis auf weiteres arbeitsunfähig. Er tritt am 1. August 2016 eine Umschulung an und erhält Übergangsgeld. Der Anspruch auf Verletztengeld endet mit dem 31. Juli 2016.
2.2.2.3 Zumutbare Berufs- oder Erwerbstätigkeit
Das Verletztengeld endet trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit, wenn mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VII). Das Verletztengeld endet mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass der Versicherte eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen kann.
Eine Berufs- oder Erwerbstätigkeit steht zur Verfügung, wenn sie dem Versicherten durch den Träger der Unfallversicherung oder die Agentur für Arbeit konkret angeboten wird. Dafür genügt es, wenn der Arbeitgeber allgemein bereit ist, die Stelle mit einer Person mit entsprechenden gesundheitlichen Problemen zu besetzen.
Der Unfallversicherungsträger hat vorausschauend festzustellen und darüber einen Verwaltungsakt zu erlassen (Prognoseentscheidung), ob die Arbeitsunfähigkeit in den nächsten 78 Wochen beendet sein wird (in Anlehnung an § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII) und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen, nicht zu erbringen sind. Die Heilbehandlung muss nicht vollständig abgeschlossen sein.
Hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Berufs- oder Erwerbstätigkeit sind die Kriterien des Arbeitsförderungsrechts zu berücksichtigen. Danach sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen (vgl. § 140 Abs. 1 SGB III). Die Zumutbarkeit im Sinne des § 140 SGB III ist mit der Stufentheorie der gesetzlichen Rentenversicherung zur Berufsunfähigkeitsrente zu kombinieren. Dazu hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Berufe der Versicherten ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, in Gruppen einteilt. Dementsprechend werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden. Nach längerem Verletztengeldbezug (z. B. nach sechs Monaten) ist auch eine Tätigkeit als zumutbar anzusehen, die nach der Stufentheorie eine Stufe tiefer als die bisherige Tätigkeit einzugruppieren ist. Hinsichtlich des regionalen Einsatzbereichs sind bei der Zumutbarkeit ergänzend die Pendelzeiten nach § 140 Abs. 4 SGB III zu beachten.
Die zumutbare Beschäftigung steht dann zur Verfügung, wenn sie dem Versicherten neben anderen -evtl. auch nicht behinderten- Bewerbern nachgewiesen wird und er diese aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in Anbetracht des durch den Versicherungsfall bedingten Gesundheitszustandes ausüben könnte. Es muss also ein konkreter Hinweis der Vermittlungsmöglichkeit bestehen. Es ist nicht Voraussetzung, dass der einzelne Versicherte die zumutbare und auf dem ihm nicht verschlossenen allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Stelle tatsächlich erhält.
2.2.2.4 Rentenleistung
Das Verletztengeld endet trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit mit dem Beginn einer der in § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen, wenn mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist (Prognoseentscheidung) und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind. Das Verletztengeld endet nicht, wenn die Rentenleistungen mit dem Versicherungsfall in der Unfallversicherung zusammenhängen.
Der Anspruch auf Verletztengeld endet vom Beginn der nachfolgend genannten Leistungen an; nach Beginn dieser Leistungen entsteht ein neuer Verletztengeldanspruch nicht:
- Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung
- Ruhegehalt, das nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gezahlt wird
- Vorruhestandsgeld nach § 5 Abs. 3 SGB V
- Leistungen, die ihrer Art nach der Rente wegen voller Erwerbsminderung oder wegen Erwerbsunfähigkeit, der Vollrente wegen Alters oder dem Ruhegehalt vergleichbar sind, wenn sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt werden
- Leistungen, die ihrer Art nach der Rente wegen voller Erwerbsminderung oder wegen Erwerbsunfähigkeit, der Vollrente wegen Alters oder dem Ruhegehalt vergleichbar sind, wenn sie nach den ausschließlich für das in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiets geltenden Bestimmungen gezahlt werden
(vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V)
Beginn der Leistung im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist der Zeitpunkt, von dem an ein Anspruch auf Rente besteht. Von diesem Tag an besteht kein Anspruch auf Verletztengeld. Der Versicherte kann nicht über diesen Zeitpunkt hinaus die Auszahlung von Verletztengeld beanspruchen. Über den Rentenbeginn hinaus gezahltes Verletztengeld kann nicht vom Versicherten zurückgefordert werden.
Der Unfallversicherungsträger hat einen Erstattungsanspruch auf die Rente vom Rentenbeginn bis zur Einstellung der Verletztengeldzahlung (vgl. § 103 SGB X). Wird die Rentenleistung von einem ausländischen Leistungsträger gezahlt (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V), hat der Versicherte die Rentenleistung für die Zeit bis zur Einstellung des Verletztengeldes herauszugeben. Bleibt der Unfallversicherungsträger mit einem „Spitzbetrag“ belastet, weil die Rentenleistung niedriger als das Verletztengeld ist, kann der Unfallversicherungsträger den „Spitzbetrag“ nicht vom Versicherten zurückfordern.
Durch die Beendigung des Verletztengeldes verschlechtert sich die finanzielle Situation des Versicherten. Diese Verschlechterung soll nicht eintreten, wenn die Rentenleistung eine Folge des Versicherungsfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist. Das Verletztengeld wird dann auf die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit angerechnet (vgl. § 96a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI).
2.2.2.5 Ablauf der 78. Woche
Das Verletztengeld endet trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit, wenn mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist (Prognoseentscheidung) und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII). Die Zahlung endet frühestens mit Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit, gerechnet vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an. Die vorausschauende Betrachtung frühestens zum Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit (Prognose) erstreckt sich zumindest auf die nächsten 78 Wochen. Wird zum Zeitpunkt der Prognose eine stationäre Behandlung durchgeführt endet das Verletztengeld frühestens mit deren Ende.
Die Regelung stellt keine zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf 78 Wochen dar. Verletztengeld ist vielmehr grundsätzlich zeitlich unbefristet zu leisten und endet nicht durch reinen Zeitablauf. Verletztengeld ist deshalb über den Ablauf der 78. Woche hinaus zu zahlen, wenn zu diesem Zeitpunkt die Grundvoraussetzungen (voraussichtlich kein Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit und keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) nicht vorliegen.
2.3 Verletztengeld bei Wiedererkrankung
Ein erneuter Anspruch auf Verletztengeld besteht im Falle der Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Wiedererkrankung (vgl. § 48 SGB VII). Das Verletztengeld kann auch neben einer Verletztenrente bezogen werden. Ein Versicherungsschutz in der Unfallversicherung zum Zeitpunkt der Wiedererkrankung ist nicht erforderlich. Vielmehr wirkt der Versicherungsschutz aufgrund der Ersterkrankung fort.
Es handelt sich dann um eine Wiedererkrankung, wenn
- zwischen Ersterkrankung und Wiedererkrankung ein Zeitraum der Arbeitsfähigkeit liegt und
- die erneute Arbeitsunfähigkeit rechtlich wesentlich auf denselben Versicherungsfall zurückzuführen ist.
Nicht beendet ist die Arbeitsunfähigkeit, wenn der Versicherte -obwohl er gesundheitlich dazu nicht in der Lage ist- seine bisherige Tätigkeit oder eine andere Tätigkeit aufnimmt. Dabei handelt es sich um Sachverhalte, die früher unter der Bezeichnung „missglückter Arbeitsversuch“ behandelt wurden. Ein solcher liegt vor, wenn rückschauend betrachtet (also bei Tätigkeitsaufnahme) objektiv feststeht,
- dass der Versicherte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit (etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens) würde verrichten können und
- er die Arbeit entsprechend der darauf zu gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit aufgegeben hat.
Übernimmt der Versicherte aus freien Stücken eine andere Tätigkeit, die der bisherigen nicht entspricht, also nicht gleichartig ist, und kann er diese Tätigkeit ohne Gefährdung seiner Gesundheit verrichten, liegt darin eine Lösung vom bisherigen Beruf. Die Arbeitsunfähigkeit endet in diesem Fall zum Zeitpunkt der tatsächlichen Arbeitsaufnahme, nicht aber schon mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages, der erheblich vor dem Arbeitsbeginn liegen kann.
Sowohl für die Voraussetzungen des Anspruchs auf Verletztengeld als auch für dessen Berechnung kommt es auf die Verhältnisse vor der neuen Arbeitsunfähigkeit an . Es ist nicht erforderlich, dass der Betroffene zu diesem Zeitpunkt zum versicherten Personenkreis in der Unfallversicherung gehört. Damit ist der Anspruch auf Verletztengeld u. a. davon abhängig, dass unmittelbar vor der Wiedererkrankung ein Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, oder eine Entgeltersatzleistung bestanden hat (vgl. 2.1.4).
2.4 Ausschluss des Anspruchs auf Krankengeld
Der Anspruch auf Krankengeld ist ausgeschlossen, wenn die Arbeitsunfähigkeit die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist (vgl. § 11 Abs. 5 SGB V). Das gilt auch, wenn der Gesundheitsschaden auf eine Spende von Organen, Geweben oder Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (vgl. § 12a SGB VII) zurückzuführen ist. Der Ausschluss ist nicht nur auf die Höhe des Verletztengeldes beschränkt. Vielmehr besteht auch kein Anspruch auf Krankengeld, das über den Anspruch auf Verletztengeld hinaus geht (Krankengeld-Spitzbetrag).
Wer als Unternehmer den Unfallversicherungsschutz auf eine niedrige Versicherungssumme begrenzt, kann ebenfalls keinen Spitzbetrag in Form eines ergänzenden Krankengelds in Anspruch nehmen. Das gilt uneingeschränkt, wenn dieselbe Tätigkeit sowohl kranken- als auch unfallversichert ist (z. B., wenn der unfallversicherte Unternehmer freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse ist).
Anders sieht es aus, wenn zwei grundlegend verschiedene und sozialversicherungsrechtlich anders zu behandelnde Tätigkeiten ausgeübt werden (z. B., wenn neben einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung eine Tätigkeit als Unternehmer ausgeübt wird). Der Anspruch auf Krankengeld ist dann nur ausgeschlossen, wenn das Verletztengeld aus der freiwillig eingegangenen Unfallversicherung unter Berücksichtigung des gesamten Einkommens des Betroffenen bis zur Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung berechnet wird und so auch an die Stelle des Krankengeldes treten kann, das der Versicherte erhalten würde, wenn er sich nicht freiwillig versichert hätte.
2.5 Hinzugetretene Krankheit
Tritt zu einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Versicherungsfalls der gesetzlichen Unfallversicherung eine unfallunabhängige Krankheit hinzu, die für sich Arbeitsunfähigkeit verursachen würde, wird dadurch keine weitere Arbeitsunfähigkeit begründet, die selbstständige rechtliche Folgen auslösen könnte. Die zu einer unfallbedingten Krankheit hinzugetretene unfallunabhängige Erkrankung teilt im Ergebnis das Schicksal der Ursprungserkrankung, weil die weitere Krankheit noch während des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit infolge der ersten Krankheit aufgetreten ist. Eine Krankheit tritt erst dann nicht mehr „hinzu“ und ist in ihren Rechtsfolgen eigenständig zu beurteilen, wenn sie am Tage nach Beendigung der bisherigen Arbeitsunfähigkeit oder noch später auftritt.
Eine hinzugetretene Krankheit löst dann selbstständige rechtliche Folgen aus, wenn sie alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ist (vgl. Bsp. 10).
Bsp. 10: Hinzutritt einer unfallunabhängigen Krankheit
Ein Versicherter erleidet am 21. Juni 2016 einen Arbeitsunfall und ist wegen der Folgen bis zum 4. September 2016 arbeitsunfähig. Während dieser Zeit tritt am 10. August 2016 eine unfallunabhängige Krankheit ein, die für sich ebenfalls Arbeitsunfähigkeit verursachen würde. Die Arbeitsunfähigkeit wegen der unfallunabhängigen Krankheit endet am 3. Oktober 2016.
Der Arbeitsunfall ist die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 21. Juni bis zum 4. September 2016. Die unfallunabhängige Erkrankung ist in der Zeit vom 5. September bis zum 3. Oktober 2016 die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend sind die Ansprüche auf Entgeltersatzleistungen zu beurteilen.
Dies gilt auch, wenn zu einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer unfallunabhängigen Krankheit die Folgen eines Versicherungsfalls in der Unfallversicherung hinzutreten, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit auslösen würden (vgl. Bsp. 11).
Bsp. 11: Hinzutritt einer unfallabhängigen Krankheit
Ein Versicherter ist wegen der Folgen eines Herzinfarkts in der Zeit vom 4. Oktober bis zum 20. Dezember 2016 arbeitsunfähig krank. Er erleidet während dieser Zeit am 18. November 2016 einen Arbeitsunfall, wegen dessen Folgen bis zum 5. Januar 2017 Arbeitsunfähigkeit besteht.
Die (unfallunabhängigen) Folgen des Herzinfarkts sind die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 4. Oktober bis zum 20. Dezember 2016. Die Folgen des Arbeitsunfalls sind in der Zeit vom 21. Dezember 2016 bis zum 5. Januar 2017 die wesentliche Ursache für die Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend sind die Ansprüche auf Entgeltersatzleistungen zu beurteilen.
3 Höhe des Verletztengeldes
3.1 Bezieher von Arbeitsentgelt
Bezieher von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten Verletztengeld, das entsprechend der Vorschriften über das Krankengeld der Krankenversicherung nach § 47 Abs. 1 und 2 SGB V ermittelt wird (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei sind besondere Maßgaben zu berücksichtigen, die das Höchstregelentgelt und die Höhe des Verletztengeldes betreffen.
Die Vorschrift erfasst Versicherte, die den Versicherungsfall als Arbeitnehmer erlitten haben. Dies gilt auch dann, wenn sie selbstständige Tätigkeiten als Unternehmer verrichten, der Versicherungsfall jedoch nicht bei der Unternehmertätigkeit eingetreten ist. Tritt der Versicherungsfall bei einer versicherten Tätigkeit als Unternehmer ein, ist § 47 Abs. 5 SGB VII für die Berechnung des Verletztengeldes maßgeblich.
Das Regelentgelt ist die Grundlage der Verletztengeldberechnung. Es wird aus dem regelmäßig erzielten Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen ermittelt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Anders als bei der Berechnung des Krankengeldes werden alle entsprechenden Einnahmen berücksichtigt, unabhängig davon, ob von den Einnahmen Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet wurden.
Werden mehrere Beschäftigungen ausgeübt, berechnet sich das Verletztengeld aus dem Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte in allen Beschäftigungen, an deren Ausübung der Versicherte durch die Arbeitsunfähigkeit gehindert ist.
3.1.1 Bemessungszeitraum
Bemessungszeitraum ist der letzte vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechnete Entgeltabrechnungszeitraum. Der Bemessungszeitraum muss mindestens vier Wochen umfassen. Es handelt sich um einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit betriebsüblich abgerechnet sein muss. Dabei ist ein „abgerechneter“ Entgeltabrechnungszeitraum ein Zeitraum, für den der Betrieb üblicherweise die Entgeltberechnung abgeschlossen hat. Auf den betriebsüblichen Zahltag, den Zeitpunkt der Auszahlung oder der Bankgutschrift kommt es nicht an. Ferner kommt es nicht darauf an, dass der Versicherte für den gesamten Bemessungszeitraum Arbeitsentgelt beanspruchen kann; es genügt, wenn für den Versicherten zumindest für einen Teil des Bemessungszeitraums Arbeitsentgelt abgerechnet worden ist. Bei diesem Arbeitsentgelt kann es sich auch um Entgeltfortzahlung oder Urlaubsentgelt handeln. Fehlzeiten infolge Arbeitsunfähigkeit, unbezahlten Urlaubs usw. sind deshalb hinsichtlich des Bemessungszeitraums unschädlich.
Wenn der Betrieb kürzere Entgeltabrechnungszeiträume als vier Wochen hat, sind mehrere Entgeltabrechnungszeiträume zusammenzurechnen, sodass sich ein vierwöchiger oder längerer Bemessungszeitraum ergibt. Rechnet der Betrieb dagegen Zeiträume ab, die länger als vier Wochen sind (z. B. Kalendermonate oder fünfwöchige Zeiträume), ist ein entsprechender Bemessungszeitraum von mehr als vier Wochen heranzuziehen.
Es ist ein abweichender Entgeltabrechnungszeitraum heranzuziehen, wenn sich der Bezug von Verletztengeld an Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld anschließt. In diesen Fällen ist für die Regelentgeltberechnung auf den Bemessungszeitraum zurückzugreifen, welcher der Berechnung der vorhergehenden Entgeltersatzleistung zu Grunde lag (vgl. § 49 SGB IX; Kontinuität der Leistungen).
Wenn bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht auf einen abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum zurückgegriffen werden kann (z. B. wegen kurzer Dauer des Arbeitsverhältnisses), dann ist das Arbeitsentgelt zu schätzen. Danach sind zur Berechnung des Regelentgeltes das bereits erzielte sowie das innerhalb einer betriebsüblichen Abrechnungsperiode unter Einbeziehung von Zuschlägen und unter Berücksichtigung der regelmäßigen Arbeitszeit auch an Samstagen und Sonntagen zu erwartende Entgelt zu berücksichtigen. Ausgangspunkt für die Schätzung sind die von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen und praktizierten Vereinbarungen (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag) über die Höhe des Arbeitsentgelts.
Führen weder Bezugs- noch Referenzmethode zu befriedigenden Ergebnissen, weil die Arbeitsunfähigkeit nach kurzer Beschäftigungsdauer und vor Abschluss eines relevanten Referenzzeitraums eingetreten ist, ist nach dem Lohnausfallprinzip vorzugehen. Danach sind zur Berechnung des Regelentgeltes das bereits erzielte sowie das innerhalb einer betriebsüblichen Abrechnungsperiode unter Einbeziehung von Zuschlägen und unter Berücksichtigung der regelmäßigen Arbeitszeit auch an Samstagen und Sonntagen zu erwartende Entgelt zu berücksichtigen. Ausgangspunkt für die Schätzung sind die von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen und praktizierten Vereinbarungen (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag) über die Höhe des Arbeitsentgelts.
Im Ausnahmefall ist das Lohnausfallprinzip zur Berechnung des Verletztengeldes heranzuziehen. Tritt der Versicherungsfall während einer auf einen Tag begrenzten Aushilfstätigkeit ein, ist das vereinbarte Entgelt durch die Anzahl von 28 Tagen zu teilen. Die Analogie zu den Berechnungsvorschriften, d. h. eine Übertragung der sich aus der kodifizierten Gesetzesfassung ergebenden Wertung auf den nicht geregelten Sachverhalt, wird bei der dargestellten Berechnungsmethode dadurch erreicht, dass allein das für die zum Arbeitsunfall führende Tätigkeit arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt in Beziehung zu dem als gesetzliche Grundstruktur anzusehenden Vierwochenzeitraum (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V) gesetzt wird. Dies trägt der gesetzlichen Wertung, der die Funktion des Verletztengeldes als Entgeltersatzleistung zugrunde liegt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 4 SGB VII), insofern Rechnung, als einerseits durch die Bezugnahme auf den Vierwochenzeitraum als grundlegendes gesetzliches Gestaltungs- und Berechnungsmerkmal, andererseits aber unter Berücksichtigung der konkreten arbeitsvertraglichen Situation nicht nur eine Momentaufnahme der durch die Erzielung von Arbeitsentgelt im weitesten Sinne geprägten Lebensverhältnisse des Betroffenen entsteht, sondern ein aktueller und repräsentativer Gesamteindruck. Eine weitergehende Annäherung an den Gesetzestext in der Form, dass das erzielte Arbeitsentgelt durch die Anzahl der Stunden, für die es gezahlt werden sollte, zu teilen, sodann mit der durchschnittlichen Anzahl der Wochenarbeitsstunden zu multiplizieren und schließlich durch sieben zu teilen sei, ist im Rahmen der analogen Betrachtungsweise nicht angezeigt. Durch ein solches Verfahren würde nämlich der Bezieher von Entgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung gegenüber einem regelmäßig Beschäftigten unangemessen privilegiert.
Ändert sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, wirken sich die Änderungen nicht auf den Bemessungszeitraum aus. Ein verändertes Arbeitsentgelt bleibt unberücksichtigt. Die Verletztengeldberechnung stellt auf das erarbeitete, insgesamt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit liegende und bereits abgerechnete sowie dem Versicherten zugeflossene Regelentgelt ab. Nicht realisierte Entgeltansprüche und Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, sind grundsätzlich unerheblich, selbst wenn rückwirkende Veränderungen zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar sind. Das Verletztengeld wird daher z. B. auch dann nicht neu berechnet, wenn der Versicherte später nach einem durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleich von der Finanzverwaltung eine Steuerrückzahlung erhält. Davon abweichend ist ein Günstigkeitsvergleich anzustellen und das Regelentgelt ggf. neu festzustellen, wenn während der Arbeitsunfähigkeit die Schul- oder Berufsausbildung endet oder wenn tarifliche Berufs- oder Altersstufe erreicht werden (vgl. § 47 Abs. 8 SGB VII; vgl. 3.6).
3.1.2 Maßgebendes Arbeitsentgelt
Berechnungsgrundlage ist das gesamte im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Berücksichtigt wird auch Arbeitsentgelt, von dem keine Beiträge zur Sozialversicherung berechnet wurden. Das Arbeitsentgelt wird in vollem Umfang berücksichtigt, ohne Beitrags- oder Leistungsbemessungsgrenzen zu beachten. Zum erzielten Arbeitsentgelt in diesem Sinne gehört auch rechtswidrig vorenthaltenes und ggf. später nachgezahltes Arbeitsentgelt. Unberücksichtigt bleibt das nachgezahlte Arbeitsentgelt aus einem aufgelösten Wertguthaben, wenn die rückwirkende Beseitigung einer Altersteilzeitregelung vereinbart wird.
Vom Arbeitsentgelt ist zunächst das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt abzuziehen, welches erst in einem späteren Berechnungsschritt berücksichtigt wird. Laufendes Arbeitsentgelt ist auch zu berücksichtigen, soweit es die Leistungsbemessungsgrenze übersteigt. Eine Begrenzung findet erst in einem späteren Berechnungsschritt durch das Höchstregelentgelt statt.
Arbeitsentgelt sind alle Einnahmen aus einer Beschäftigung (vgl. § 14 Abs. 1 SGB IV). Die Besonderheiten der Gleitzonenregelung (vgl. § 20 Abs. 2 SGB IV) sind nicht zu berücksichtigen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 8 SGB V). Zum Arbeitsentgelt gehören somit auch Sachbezüge wie z. B. Verpflegung oder Wohnung (vgl. §§ 2, 3 SvEV).
Dem Arbeitsentgelt sind nicht zuzurechnen
- einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind; dies gilt nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dem sie berechnet werden, mehr als 25 € für jede Stunde beträgt,
- sonstige Bezüge nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, die nicht einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nach § 23a SGB IV sind,
- Einnahmen nach § 40 Abs. 2 EStG,
- Beiträge und Zuwendungen nach § 40b EStG, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden,
- Beträge nach § 10 EFZG,
- Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach § 20 MuSchG,
- in den Fällen des § 3 Abs. 3 SvEV der vom Arbeitgeber insoweit übernommene Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags,
- Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und Saison-Kurzarbeitergeld, soweit sie zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des Unterschiedsbetrages zwischen dem Sollentgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III nicht übersteigen,
- steuerfreie Zuwendungen an Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach § 3 Nr. 63 Satz 1, 2 EStG im Kalenderjahr bis zur Höhe von insgesamt 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung,
- Leistungen eines Arbeitgebers oder einer Unterstützungskasse an einen Pensionsfonds zur Übernahme bestehender Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften durch den Pensionsfonds, soweit diese nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei sind,
- steuerlich nicht belastete Zuwendungen des Beschäftigten zugunsten von durch Naturkatastrophen im Inland Geschädigten aus Arbeitsentgelt einschließlich Wertguthaben,
- Sanierungsgelder der Arbeitgeber zur Deckung eines finanziellen Fehlbetrages an die Einrichtungen, für die § 1 Abs. 1 Satz 3 SvEV gilt
(vgl. § 1 Abs. 1 SvEV).
Bei der Berechnung des Regelentgelts werden anders als in der Krankenversicherung lohnsteuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als Arbeitsentgelt berücksichtigt (vgl. § 1 Abs. 2 SvEV). Es ist nicht erforderlich, dass diese Zuschläge regelmäßig erzielt werden.
Unter bestimmten Voraussetzungen gelten Arbeitsentgeltbestandteile, die durch Entgeltumwandlung zum Zwecke der Altersvorsorge verwendet werden, bundeseinheitlich bis zur Höhe von 4% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze (West) der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten nicht als Arbeitsentgelt (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).
Bei Umwandlung von laufendem Arbeitsentgelt wird das Regelentgelt zunächst auf der Basis des Bruttoarbeitsentgelts ohne Berücksichtigung der Entgeltumwandlung errechnet. Dies hat der Arbeitgeber der Krankenkasse entsprechend zu bescheinigen. Außerdem bescheinigt er das beitragsfrei umgewandelte laufende Arbeitsentgelt der letzten 12 Kalendermonate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Der Betrag des beitragsfrei umgewandelten laufenden Arbeitsentgelts ist auf einen Kalendertag umzurechnen. Der kalendertägliche Umrechnungsbetrag wird vom (ohne Berücksichtigung der Entgeltumwandlung errechneten) Regelentgelt abgezogen.
Bei Versicherten mit Arbeitsentgelten oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung wird der kalendertägliche Umwandlungsbetrag vom (ohne Berücksichtigung der Entgeltumwandlung errechneten) Regelentgelt abgezogen. Anschließend ist das Regelentgelt ggf. auf das Höchstregelentgelt zu kürzen.
Das Nettoarbeitsentgelt ist vom Arbeitgeber auf der Basis des ohne Berücksichtigung der Entgeltumwandlung erzielten Bruttoarbeitsentgelts fiktiv zu ermitteln und entsprechend zu bescheinigen. Der Betrag des beitragsfrei umgewandelten Arbeitsentgelts wird bei der Ermittlung des kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts ebenfalls berücksichtigt. Dies erfolgt entsprechend der Systematik beim Hinzurechnungsbetrag zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 in Verb. mit Abs. 2 Satz 6 SGB V) mit der Maßgabe, dass der ermittelte Betrag vom kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt abzuziehen ist.
Werden (Teile von) Einmalzahlungen umgewandelt, dann lässt der Arbeitgeber diese bei der Eintragung in die Entgeltbescheinigung unberücksichtigt; er bescheinigt ausschließlich die beitragspflichtigen (Teile der) Einmalzahlungen. Dadurch ist sichergestellt, dass aus beitragsfrei umgewandelten Einmalzahlungen kein Hinzurechnungsbetrag gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 in Verb. mit Abs. 2 Satz 6 SGB V ermittelt wird.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass in Einzelfällen sowohl laufendes als auch einmalig gezahltes Arbeitsentgelt umgewandelt wird. Für die Eintragung in die Entgeltbescheinigungen gilt in diesen Fällen das oben Gesagte entsprechend.
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bleibt zunächst unberücksichtigt. Dabei handelt es sich um Arbeitsentgelt, das nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt wird (vgl. § 23a SGB IV). Weihnachtsgratifikationen, Gewinnanteile oder ähnlich bezeichnete Leistungen des Arbeitgebers sind ebenso wie das Urlaubsgeld, das zusätzlich zum Urlaubsentgelt gewährt wird, als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt anzusehen.
Änderungen in der Höhe des Arbeitsentgelts, auf die der Rechtsanspruch nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit begründet wird, bleiben unberücksichtigt. Ein Rechtsanspruch wird durch gesetzliche oder vertragliche Regelung begründet. Der arbeitsrechtliche Regelfall ist die vertragliche Vereinbarung eines veränderten Arbeitsentgelts. Grundlage der vertraglichen Vereinbarung kann ein Einzelvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder ein Tarifvertrag sein. Denkbar ist auch eine Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber.
Ist der Rechtsanspruch auf das geänderte Arbeitsentgelt vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit entstanden und davon der Bemessungszeitraum betroffen, ist das geänderte Arbeitsentgelt bei der Berechnung des Regelentgelts zu berücksichtigen.
3.1.3 Regelentgelt für Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt sich einer Stundenzahl zuordnen lässt
Das Regelentgelt für Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach Stunden bemessen ist, ist nach § 47 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V zu berechnen. Dazu muss sich das Arbeitsentgelt einer Arbeitsstundenzahl zuordnen lassen. Es kommt nicht darauf an, wie das Arbeitsentgelt gezahlt wird. Berechnungsgrundlage ist das Arbeitsentgelt (mit Ausnahme des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts) des Bemessungszeitraums, das durch die Zahl der Stunden zu teilen ist, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis ist mit der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu multiplizieren und durch sieben zu dividieren.
3.1.3.1 Arbeitsstunden, für die das Arbeitsentgelt gezahlt wurde
Das maßgebliche Arbeitsentgelt ist durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei diesen Stunden um tatsächlich geleistete Arbeitszeit oder um Stunden handelt, für die Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung gezahlt wurde (z. B. entschuldigte Fehlstunden, bezahlte Arbeitsunfähigkeit, Tarifurlaub). Berücksichtigt werden sowohl vertraglich vereinbarte Arbeitsstunden als auch Mehrarbeitsstunden. Unbezahlte (entschuldigte oder unentschuldigte) Fehlstunden dürfen der Zahl der Arbeitsstunden nicht hinzugerechnet werden. Bei der Zahl der Stunden sind auch etwaige Bruchteile von Stunden zu berücksichtigen.
3.1.3.2 Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
Das durchschnittliche Arbeitsentgelt einer Stunde ist mit der Zahl der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu multiplizieren und durch sieben zu dividieren (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden sind so zu berücksichtigen, wie sie sich aus dem individuellen Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergeben. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses wird durch den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag bestimmt.
Arbeitszeitänderungen, die am Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit oder später eintreten, haben auf die Regelentgeltberechnung keinen Einfluss. Das Regelentgelt ist in diesen Fällen nach den Verhältnissen vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu berechnen. Bei Arbeitszeitänderungen, die vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingetreten sind, ist von der neuen Arbeitszeit auszugehen. Der ermittelte Stundenlohn ist dann mit der neuen wöchentlichen Arbeitszeit zu multiplizieren.
Weicht die tatsächliche Arbeitszeit regelmäßig von der vereinbarten Arbeitszeit ab oder ist keine bestimmte Arbeitszeit vereinbart, dann ist die Zahl der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden aus der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse zu ermitteln. Hierfür wird aus den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden der letzten 3 Monate bzw. der letzten 13 Wochen (Ausgangszeitraum) der wöchentliche Durchschnitt festgestellt. Die sich daraus ergebende Zahl sind „die sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden“.
Neben der vertraglichen wöchentlichen Arbeitszeit sind Mehrarbeitsstunden zu berücksichtigen, wenn sie regelmäßig geleistet wurden. Unerheblich ist, ob die Mehrarbeitsstunden ohne die Arbeitsunfähigkeit auch weiterhin geleistet worden wären.
An einer regelmäßigen Verrichtung von Mehrarbeitsstunden fehlt es, wenn im Ausgangszeitraum von 3 Monaten bzw. 13 Wochen während eines Monats oder 4 bzw. 5 Wochen nicht jeweils wenigstens eine volle Mehrarbeitsstunde geleistet worden ist; eine volle Arbeitsstunde kann sich auch durch Zusammenrechnung von Stundenbruchteilen ergeben. Sofern in einem dieser Zeiträume von einem Monat oder mindestens 4 Wochen nur deshalb keine Mehrarbeitsstunde(n) angefallen ist (sind), weil kein Arbeitsentgelt gezahlt wurde, ist dies für die Regelmäßigkeit unschädlich.
Ist ein Arbeitnehmer noch nicht seit drei Monaten im Betrieb beschäftigt, ist bei der Ermittlung der für die Feststellung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu berücksichtigenden Mehrarbeitsstunden auf die Verhältnisse eines im selben Betrieb während der ganzen drei Monate tätig gewesenen „gleichartig Beschäftigten“ abzustellen.
3.1.4 Regelentgelt für Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelt sich nicht einer Stundenzahl zuordnen lässt
Wenn das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen ist oder sich aus anderen Gründen einer Stundenzahl nicht zuordnen lässt, gilt der 30. Teil des im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts (ohne einmalig gezahltes Arbeitsentgelt) als Regelentgelt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Das Arbeitsentgelt ist z. B. bei Angestellten mit einem Monatsgehalt nach Monaten bemessen. Es lässt sich bei Arbeitern mit einem festen Wochen- oder Monatslohn einer Stundenzahl nicht zuordnen. Das gilt ebenso, wenn sich das Arbeitsentgelt nach gefertigten Stücken, einem Akkordtarif oder Provisionen richtet und sich deshalb einer Stundenzahl nicht zuordnen lässt. Der Bemessungszeitraum muss bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechnet sein und mindestens vier Wochen umfassen.
3.1.4.1 Bemessung des Arbeitsentgelts nach Monaten
Wenn das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen ist, ist der Regelentgeltberechnung das für den Monat vereinbarte Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen und durch 30 zu teilen. Das gilt auch dann, wenn nicht im gesamten Monat Arbeitsentgelt bezogen wurde. Die Berechnung erfolgt unabhängig von den tatsächlichen Kalendertagen des Monats.
Für die Frage, ob das Entgelt nach Monaten bemessen ist, ist maßgeblich, ob die Bemessungseinheit ein Monat ist. Auf die Zahlungsweise des Arbeitsentgelts kommt es nicht an. Werden neben dem fest vereinbarten Monatsentgelt etwa Überstunden geleistet oder neben dem Gehalt Provisionen erarbeitet, wird dadurch die Berechnungsmethode nicht beeinflusst. Für den Fall von Prämien im bezahlten Sport gilt nichts anderes. Der gesetzlich festgelegte Bemessungszeitraum ist nicht über einen Kalendermonat hinaus auszudehnen, sodass außerhalb dieses Zeitraums zugeflossenes Entgelt wie z. B. Prämienzahlungen nicht zu berücksichtigen sind. Für eine Ausweitung des Bemessungszeitraumes bietet der eindeutige Wortlaut des Gesetzes keine Grundlage.
Vergütung für Mehrarbeit ist zu berücksichtigen, wenn die Vergütung in den letzten drei abgerechneten Monaten (Ausgangszeitraum) jeweils geleistet wurde (Regelmäßigkeit). Das Regelentgelt wird berechnet, indem das Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Monate (einschließlich der Mehrarbeitsvergütung) durch 90 geteilt wird.
Vergütung für Mehrarbeit ist abweichend davon auch dann zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer noch nicht drei Monate im Betrieb beschäftigt ist oder in einem Monat wegen Arbeitsunfähigkeit keine Mehrarbeit leisten konnte. Das Regelentgelt wird berechnet, indem das im Ausgangszeitraum erzielte Arbeitsentgelt (einschließlich der Mehrarbeitsvergütung) durch 90 ./. unbezahlte Fehltage geteilt wird.
3.1.4.2 Bemessung des Arbeitsentgelts nach Wochen
Es ist ein mindestens vierwöchiger Bemessungszeitraum zu bilden, wenn das Arbeitsentgelt nach Wochen bemessen ist. Wird vierwöchentlich oder fünfwöchentlich abgerechnet, ist auf den entsprechenden Abrechnungszeitraum zurückzugreifen. Das Regelentgelt wird errechnet, indem das Arbeitsentgelt des Bemessungszeitraums durch die Kalendertage des Bemessungszeitraums geteilt wird. Mehrarbeitsvergütung ist zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb eines mindestens zwölfwöchigen Zeitraums in jedem Abrechnungszeitraum und damit regelmäßig angefallen ist.
3.1.4.3 Bemessung des Arbeitsentgelts nach anderen Einheiten
Wenn das Arbeitsentgelt monatlich unterschiedlich hoch ist (z. B. aufgrund eines Akkordtarifs), ist zur Berechnung des Regelentgelts das Arbeitsentgelt der letzten drei vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonate durch 90 zu teilen. Liegen in diesem Zeitraum unbezahlte Fehltage oder dauert die Beschäftigung noch keine drei Monate, ist durch 90 abzüglich der Fehltage zu teilen.
3.1.5 Nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung
Bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung kann die Satzung des Unfallversicherungsträgers abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Verletztengeldes vorsehen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Eine entsprechende Satzungsbestimmung stellt sicher, dass das Verletztengeld seine Entgeltersatzfunktion erfüllt (vgl.Bsp. 12).
Bei der Beurteilung einer nicht kontinuierlichen Arbeitsverrichtung ist auf die äußere Form der Arbeitsverrichtung abzustellen und zu prüfen, ob sich längere Perioden der Arbeitsverrichtung und der Arbeitsfreistellung abwechseln (z. B. beim „Jobsharing“), oder ob die Arbeit nur an bestimmten Tagen oder nur saisonal zu verrichten ist, um einen besonderen Arbeitsanfall zu erledigen (z. B. zum Monatsende bei starkem Kundenandrang, allgemein „auf Abruf“). Entscheidend ist, dass sich Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung und der tatsächlichen Nichtbeschäftigung abwechseln. Zur nicht kontinuierlichen Arbeitsverrichtung muss eine nicht kontinuierliche Arbeitsvergütung hinzutreten.
Merkmal einer nicht kontinuierliche Arbeitsvergütung sind Zeiten ohne Arbeitsentgeltzahlung trotz fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses (z. B. bei unbezahltem Urlaub).
Bsp. 12: Satzungsbestimmung
Bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung werden der Berechnung des Regelentgelts die Verhältnisse aus den letzten drei vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträumen zugrunde gelegt.
3.1.6 Hinzurechnungsbetrag und kumuliertes Regelentgelt
Neben dem aus dem laufenden Arbeitsentgelt ermittelten Regelentgelt ist aus dem einmalig gezahlten Arbeitsentgelt der letzten zwölf Kalendermonate vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit ein Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Der Hinzurechnungsbetrag wird mit dem Regelentgelt aus dem laufenden Arbeitsentgelt addiert; das Ergebnis ist das kumulierte Regelentgelt. Hinzurechnungsbetrag ist der 360. Teil der Einmalzahlungen aus den letzten zwölf Kalendermonaten vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Die Einmalzahlung ist in voller Höhe ohne Berücksichtigung von Beitragsbemessungsgrenzen und unabhängig davon zu berücksichtigen, ob davon Beiträge zur Sozialversicherung berechnet wurden.
Es werden nur die Einmalzahlungen aus den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt. Die Jahresfrist wird unabhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses und möglicher Unterbrechungen (z. B. durch Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit) gebildet. Es sind auch Einmalzahlungen verschiedener Arbeitgeber zu berücksichtigen.
Die „März-Klausel“ (vgl. § 23a Abs. 4 SGB IV) wird nicht angewendet. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die Einmalzahlung dem Versicherten zugeflossen ist.
3.2 Bezieher von Arbeitseinkommen
Bei der Ermittlung des Regelentgelts ist auch erzieltes Arbeitseinkommen zu berücksichtigen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB VII). Die Vorschrift betrifft Bezieher von Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit, deren Versicherungsfall außerhalb der Tätigkeit als Unternehmer eingetreten ist. Ist der Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer eingetreten, richtet sich das Verletztengeld nach dem Jahresarbeitsverdienst (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 1 SGB VII; vgl. 3.8).
Bei der Ermittlung des Regelentgelts ist das Arbeitseinkommen aus dem letzten Kalenderjahr vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Maßnahme der Heilbehandlung zu berücksichtigen (Bemessungszeitraum), indem der entsprechende Betrag durch 360 geteilt wird. Eine Begrenzung auf das Nettoeinkommen ist nicht vorgesehen. Das Regelentgelt aus dem Arbeitseinkommen ist ggf. neben dem Regelentgelt aus erzieltem Arbeitsentgelt für die Ermittlung des Verletztengeldes zu berücksichtigen.
Bei dem für die Berechnung des Regelentgelts zu berücksichtigenden Arbeitseinkommen ist vom Arbeitseinkommenbegriff des § 15 SGB IV auszugehen. Arbeitseinkommen ist der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit (vgl. § 15 Abs. 1 SGB IV).
Der Wortlaut der Vorschrift lässt keinen Raum für einen eigenen sozialversicherungsrechtlichen Begriff des „Arbeitseinkommens aus selbstständiger Tätigkeit“ neben dem steuerrechtlichen Begriff der Gewinneinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Die Grundentscheidung, ob überhaupt eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wird nicht von den Sozialleistungsträgern getroffen Ungeachtet dessen, dass das Einkommensteuerrecht den Begriff des Arbeitseinkommens nicht kennt, soll damit für die Frage, ob Einkommen aus selbstständiger Arbeit und damit Arbeitseinkommen erzielt wird, allein das Steuerrecht maßgebend sein, um den Sozialleistungsträgern eine eigenständige und mitunter schwierige Prüfung der Zuordnung und Ermittlung der Höhe von Arbeitseinkommen zu ersparen.
Zum Arbeitseinkommen gehören danach
- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb und
- Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
(vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 3 EStG). Andere Einkünfte wie z. B. solche aus Vermietung und Verpachtung gehören nicht zum Arbeitseinkommen.
Das Arbeitseinkommen wird nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelt. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Bei Landwirten, deren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach § 13 a EStG ermittelt wird, ist als Arbeitseinkommen der sich aus § 32 Abs. 6 ALG ergebende Wert anzusetzen (vgl. § 15 Abs. 2 SGB IV).
Die Begrenzung des Verletztengeldes auf das entgangene Netto-Arbeitsentgelt bezieht sich bei Versicherten, deren Regelentgelt sowohl aus dem Arbeitsentgelt als auch aus dem Arbeitseinkommen zu berechnen ist, ausschließlich auf das Arbeitsentgelt. Es sind mithin 2 Berechnungen anzustellen. Aus dem der Regelentgeltberechnung zu Grunde liegenden Brutto-Arbeitsentgelt ist zunächst das Verletztengeld zu ermitteln. Zu diesem (ggf. auf das entgangene Netto-Arbeitsentgelt begrenzten) Verletztengeld ist das Verletztengeld aus der Regelentgeltberechnung aufgrund des Arbeitseinkommens hinzuzurechnen.
3.3 Mehrfach Beschäftigte oder Tätige
Bei Mehrfachbeschäftigten ist das Regelentgelt für das aus jeder abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gesondert zu berechnen, wenn im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit mehrere Beschäftigungen oder Tätigkeiten ausgeübt werden und die Krankheit den Versicherten in allen Beschäftigungen oder Tätigkeiten arbeitsunfähig macht.
Die unterschiedliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse kann zur Folge haben, dass das Regelentgelt aus dem Arbeitsentgelt eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 47 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V, aus dem Arbeitsentgelt eines anderen Beschäftigungsverhältnisses nach § 47 Abs. 2 Satz 3 SGB V oder aus Arbeitseinkommen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu berechnen ist. Das Regelentgelt ist aus jeder einzelnen Beschäftigung oder Tätigkeit nach der jeweils zutreffenden Berechnungsart zu ermitteln.
Wird durch die Zusammenfassung mehrerer Regelentgelte das Höchstregelentgelt (360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes; vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII) überschritten, ist jedes Teil-Regelentgelt verhältnismäßig zu kürzen.
3.4 Höchstregelentgelt
Bei der Berechnung des kumulierten Regelentgelts werden laufendes und einmaliges Arbeitsentgelt jeweils in voller Höhe berücksichtigt. Nachdem das kumulierte Regelentgelt ermittelt ist, ist es jedoch mit dem zu berücksichtigenden Höchstregelentgelt zu vergleichen und, wenn diese Grenze überschritten wird, auf das Höchstregelentgelt zu begrenzen. Das Höchstregelentgelt entspricht dem 360. Teil des Höchstjahresarbeitsverdienstes (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII).
Das zu berücksichtigende Höchstregelentgelt richtet sich nicht nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit sondern nach dem Bemessungszeitraum für die Berechnung des Regelentgelts. Maßgeblich ist das Höchstregelentgelt des Kalenderjahres, in das der letzte Tag des Bemessungszeitraums fällt. Verändert sich das Höchstregelentgelt während der Arbeitsunfähigkeit durch eine Satzungsänderung, ergeben sich keine Auswirkungen auf das Verletztengeld. Eine Anpassung des Verletztengeldes an die Entwicklung der Löhne und Gehälter findet nur über die jährliche Anpassung des Verletztengeldes statt (vgl. § 50 Abs. 1 SGB IX).
3.5 Höhe des Verletztengeldes
Das Verletztengeld beträgt 80% des kumulierten Regelentgelts; es darf das Netto-Arbeitsengelts nicht übersteigen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII). Es ist also ein Vergleich des aus dem kumulierten Regelentgelt errechneten Verletztengeldes mit 100% des Netto-Arbeitsentgelts anzustellen. Das Verletztengeld ist ggf. auf das Netto-Arbeitsentgelts zu begrenzen. Dabei ist das Netto-Arbeitsentgelt wie das Regelentgelt nach § 47 Abs. 2 SGB V zu berechnen.
Das Verletztengeld wird nur bei Arbeitnehmern auf das Netto-Arbeitsentgelts begrenzt. Das aus dem Arbeitseinkommen errechnete Verletztengeld beträgt dagegen stets 80 % des Regelentgelts. Eine Begrenzung auf das Netto-Arbeitseinkommens ist nicht vorgesehen.
Das Netto-Arbeitsentgelt ist aus dem laufenden Arbeitsentgelt zu ermitteln. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bleibt zunächst unberücksichtigt. In einem weiteren Schritt wird ein Hinzurechnungsbetrag ermittelt, der einmalig gezahltes Arbeitsentgelt berücksichtigt. Ergebnis ist das kumulierte Netto-Arbeitsentgelt.
Netto-Arbeitsentgelt ist das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Brutto-Arbeitsentgelt. Wenn im Brutto-Arbeitsentgelt einmalig gezahltes Arbeitsentgelt enthalten ist oder wenn eine Gleitzonenregelung greift, dann wird das Netto-Arbeitsentgelt fiktiv ermittelt. Gesetzliche Abzüge sind die Lohn- und Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag sowie die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge.
Neben dem kalendertäglichen Netto-Arbeitsentgelt aus dem laufenden Arbeitsentgelt ohne Berücksichtigung von Einmalzahlungen ist ein kalendertäglicher Hinzurechnungsbetrag zum Netto-Arbeitsentgelt zu ermitteln (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Hierzu ist das Verhältnis zwischen dem Regelentgelt und dem kalendertäglichen Netto-Arbeitsentgelt aus dem laufenden Arbeitsentgelt zu ermitteln. Der Hinzurechnungsbetrag des Regelentgelts wird in diesem Verhältnis als Hinzurechnungsbetrag für das Netto-Arbeitsentgelt berücksichtigt.
Das Verletztengeld ist auf das kumulierten Netto-Arbeitsentgelts zu begrenzen. Der so ermittelte Zahlbetrag darf 100% des aus dem laufenden Arbeitsentgelt ermittelten kalendertäglichen Netto-Arbeitsentgelts nicht überschreiten. Es sind somit ein weiterer Vergleich und ggf. eine weitere Begrenzung vorzunehmen. Damit ist sichergestellt, dass durch die Berücksichtigung von Einmalzahlungen die wirtschaftliche Situation des Versicherten nicht verzerrt und dieser möglicherweise besser gestellt ist, als er ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gestellt wäre.
3.6 Günstigkeitsvergleich und Neufestsetzung
Wenn der Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt, dann ist der Jahresarbeitsverdienst neu festzusetzen, wenn dies für den Versicherten günstiger ist (vgl. §§ 47 Abs. 8, 90 Abs. 1, 3 SGB VII). Dies geschieht von dem Zeitpunkt an, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen oder sonst ortsüblich ist.
Eine Berufsausbildung dient der Vermittlung bzw. dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend hat die Rechtsprechung für die Anwendung des § 90 SGB VII eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt. Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetzes beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat. Nicht als Berufsausbildung gewertet wurde im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten, und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase – vergleichbar einer Ausbildungssituation – die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wurde. Auch diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung im Berufsbildungsgesetz, welches zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung auf der anderen Seite unterscheidet.
3.7 Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und SGB III
Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld erhalten Verletztengeld in Höhe des Betrags der Leistung nach dem SGB III, der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit bezogen wurde (vgl. § 47 Abs. 2 SGB VII i. V. m. § 47b Abs. 1 SGB V). Einmalzahlungen werden bereits bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes und des Unterhaltsgeldes berücksichtigt, so dass es unmittelbare Auswirkungen auf den Verletztengeldanspruch gibt.
Bei Versicherten, die während des Bezuges von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig erkranken, wird das Verletztengeld nach dem regelmäßigen Arbeitsentgelt berechnet, das zuletzt vor Eintritt des Arbeitsausfalls erzielt wurde (vgl. § 47 Abs. 2 SGB VII i. V. m. § 47b Abs. 3 SGB V). Die Regelung kann dagegen nicht auf das Transferkurzarbeitergeld (vgl. § 216b SGB III) erstreckt werden. Letzteres kann als Sonderleistung nur bei der Bewältigung einer langfristigen Umstrukturierung mit erheblicher Personalanpassung an Arbeitnehmer gezahlt werden, deren Arbeitsverhältnis gekündigt ist oder die entlassen werden sollen. Für diesen Personenkreis wird das Krankengeld nach § 47 SGB V berechnet, indem der letzte abgerechnete Entgeltabrechnungszeitraum vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit herangezogen wird.
Bezieher von Arbeitslosengeld II erhalten Verletztengeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengelds II (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes II werden Einmalzahlungen nicht berücksichtigt, weil es sich nicht um eine beitragsfinanzierte sondern um eine aus Steuermitteln finanzierte Leistung handelt. Hat ein Bezieher von Arbeitslosengeld II einen Anspruch auf Verletztengeld, erbringen die Träger der Leistung nach dem SGB II die bisherige Leistung als Vorschuss auf die Leistungen der Unfallversicherung weiter (vgl. § 25 Satz 1 SGB II). Der Unfallversicherungsträger ist in diesem Umfang erstattungspflichtig (vgl. § 25 Satz 3 SGB II, § 102 SGB X).
Wenn ein Bezieher von Arbeitslosengeld II einer Beschäftigung nachgeht und in dieser Beschäftigung arbeitsunfähig ist, besteht neben dem Anspruch auf Verletztengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes II auch ein Anspruch auf Verletztengeld aus dem Beschäftigungsverhältnis. Das Verletztengeld aus der Beschäftigung wird von der Krankenkasse ausgezahlt.
3.8 Unternehmer
Ist der Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als
- Unternehmer,
- mitarbeitender Ehegatte oder Lebenspartner oder
- als gleichgestellte Person
eingetreten, wird Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des Jahresarbeitsverdienstes gezahlt (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 1 SGB VII). Die Satzung des Unfallversicherungsträgers bestimmt die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (vgl. § 83 Satz 1 SGB VII). Es besteht die Möglichkeit, sich höher zu versichern (vgl. § 83 Satz 2 SGB VII). Der persönliche Anwendungsbereich umfasst die kraft Satzung pflichtversicherten (vgl. § 3 SGB VII) und freiwillig versicherten (vgl. § 6 SGB VII) Unternehmer sowie Unternehmer, die kraft Gesetzes versichert sind (vgl. § 2 SGB VII.
Zu berücksichtigen ist der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit geltende Jahresarbeitsverdienst. Ein Günstigkeitsvergleich ist anzustellen, wenn eine Berufskrankheit die Ursache für Arbeitsunfähigkeit ist (vgl. §§ 84, 9 Abs. 5 SGB VII). Erkrankt der Verletzte im Laufe der Zeit wiederholt an den Folgen des Versicherungsfalls, so ist in jedem neuen Leistungsfall auf den im Zeitpunkt der Wiedererkrankung maßgebenden Jahresarbeitsverdienst abzustellen. Die Verhältnisse im Zeitpunkt der Wiedererkrankung sind vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung auch dann maßgebend, wenn der Jahresarbeitsverdienst nach Eintritt des Versicherungsfalls heraufgesetzt wurde und der aktuellen Einkommenssituation des Versicherten nicht (mehr) entspricht. Ein freiwillig versicherter Unternehmer, dessen umgestaltetes Unternehmen zu einem anderen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung überwiesen worden ist, hat wegen eines vor dem Trägerwechsel erlittenen Versicherungsfalles im Falle seiner Wiedererkrankung Anspruch auf Verletztengeld auf der Grundlage des mit dem entschädigungspflichtigen Träger zuletzt satzungsgemäß vereinbarten Jahresarbeitsverdienstes.
Neben dem Jahresarbeitsverdienst ist Verletztengeld auch aus erzieltem Arbeitsentgelt aus einer abhängigen Beschäftigung oder Arbeitseinkommen aus einer anderen Unternehmertätigkeit zu berechnen.
4 Versicherungsschutz
Der Anspruch auf Verletztengeld richtet sich auf einen kalendertäglichen Betrag. Dabei handelt es sich um das Brutto-Verletztengeld oder den Zahlbetrag des Verletztengeldes. Unter bestimmten Voraussetzungen sind vom Zahlbetrag des Verletztengeldes Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu zahlen, die sich der Unfallversicherungsträger und der Versicherter je zur Hälfte teilen (mit Ausnahmen; z. B. Beitrag zur Krankenversicherung oder Zuschlag für Kinderlose zum Beitrag zur Pflegeversicherung). Nach Abzug des Versichertenanteils vom Brutto-Verletztengeld ergibt sich das Netto-Verletztengeld oder der Auszahlungsbetrag des Verletztengeldes.
Ein Bezieher von Verletztengeld wird damit so behandelt, wie er im Falle der Arbeitsfähigkeit behandelt worden wäre. Er bringt einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge aus eigener Kraft im Rahmen des Versichertenanteils an den Beiträgen auf. Der Anteil des Unfallversicherungsträgers an den Beiträgen stellt im Rahmen der Rehabilitation und der Teilhabe behinderter Menschen ein Äquivalent für den durch die Behinderung bedingten Verlust der Fähigkeit dar, sich aus den Erträgnissen einer Erwerbstätigkeit selbst ausreichend gegen die von den gesetzlichen Sozialversicherungen abgedeckten Risiken zu versichern.
4.1 Krankenversicherung
4.1.1 Mitgliedschaft aufgrund des Bezugs von Verletztengeld
Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bleibt bei ihrer Krankenkasse erhalten, solange während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld gezahlt wird (vgl. § 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Damit kommt es auf den tatsächlichen Bezug des Verletztengeldes unabhängig vom Anspruch oder dem Ruhen des Anspruchs an. Die Mitgliedschaft bleibt auch dann erhalten, wenn Verletztengeld zurückgezahlt oder erstattet wird.
Neben der streng am Wortlaut orientierten Auslegung bleibt nach Sinn und Zweck der Vorschrift die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung auch während des Bezugs von Verletztengeld zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten.
Die Vorschrift über den Erhalt der Mitgliedschaft ist anzuwenden, wenn Verletztengeld von einem Zeitpunkt an gezahlt wird, der in eine bestehende Mitgliedschaft aufgrund von Versicherungspflicht bei einer Krankenkasse fällt oder sich unmittelbar daran anschließt.
Eine freiwillige Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse wird durch § 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht erfasst; ihr Bestand bleibt durch den Bezug von Verletztengeld unberührt.
4.1.2 Beitragspflichtige Einnahmen
4.1.2.1 Bemessungsgrundlage
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge sind 80% des Regelentgelts, das bei der Berechnung des Verletztengeldes berücksichtigt wurde (vgl. § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Diese Regelung wird sowohl auf Versicherungspflichtige, deren Mitgliedschaft in der Krankenversicherung erhalten bleibt, als auch auf Versicherungsberechtigte angewendet, deren Mitgliedschaft vom Bezug des Verletztengeldes unberührt bleibt.
Die beitragspflichtigen Einnahmen werden bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung berücksichtigt. Beitragspflichtige Einnahme in diesem Sinne ist das Regelentgelt. Nachdem dieses ggf. auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt wurde, ist davon die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge zu ermitteln. Änderungen der Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar eines Jahres sind bei der Beitragsberechnung zu berücksichtigen.
Bei Leistungsempfängern, die das Verletztengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes erhalten, gelten als Bemessungsgrundlage 80 % des Arbeitsentgelts, nach dem die Leistung nach dem SGB III bemessen wurde (vgl. § 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Ausgangsbasis für die Bemessung der Leistung ist das tatsächlich erzielte und durch sieben geteilte wöchentliche Arbeitsentgelt, das der Bemessung der Leistung zu Grunde liegt; eine Rundung nach den Leistungstabellen der SGB III-Leistungsverordnung erfolgt nicht.
Bei Personen, die Arbeitslosengeld II beziehen, gilt das 0,2060fache der monatlichen Bezugsgröße als Bemessungsgrundlage (vgl. § 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V). In Fällen, in denen diese Personen weitere beitragspflichtige Einnahmen haben, wird der Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes II für die Beitragsbemessung diesen beitragspflichtigen Einnahmen mit der Maßgabe hinzugerechnet, dass als beitragspflichtige Einnahmen insgesamt der dreißigste Teil des 0,2060fachen der monatlichen Bezugsgröße gilt.
4.1.2.2 Anpassung des Regelentgelts
Eine Anpassung des Verletztengeldes (vgl. § 50 Abs. 1 SGB IX) führt zu einer Anpassung des Regelentgelts, nach dem sich die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge richtet (vgl. § 235 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gilt diese auch für Personen, die freiwillige Mitglieder einer Krankenkasse sind. Der Zeitpunkt der Anpassung richtet sich nach der leistungsrechtlichen Anpassung des Verletztengeldes.
Angepasst wird das ungekürzte Regelentgelt. Danach findet eine Begrenzung auf die zum Anpassungszeitpunkt maßgebende Beitragsbemessungsgrenze statt.
4.1.3 Beitragssatz
Die Beiträge werden nach dem allgemeinen Beitragssatz berechnet (vgl. § 241 SGB V).
Der kassenindividuelle Zusatzbeitrag wird nach dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz berechnet (vgl. § 242 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, 5, § 242a SGB V). Der Zusatzbeitrag ist unabhängig davon zu berechnen, ob die Krankenkasse einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag erhebt oder der Zusatzbeitragssatz niedriger als der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz ist.
4.1.4 Tragung der Beiträge
Die Beiträge trägt der Unfallversicherungsträger allein (vgl. § 251 Abs. 1 SGB V; vgl. Bsp. 21). Ein Zusatzbeitrag war bis zum 31. Dezember 2014 vom Verletztengeld nicht zu entrichten, soweit und solange das Mitglied keine weiteren beitragspflichtigen Einnahmen bezog (vgl. § 242 Abs. 5 Nr. 2, 3 SGB V in der vom 1. Januar 2011 an geltenden Fassung). Seit dem 1. Januar 2015 trägt der Unfallversicherungsträger den Zusatzbeitrag.
4.1.5 Beitragsberechnung
Die Beiträge zur Krankenversicherung werden als Produkt aus der Bemessungsgrundlage und dem Beitragssatz errechnet. Zur Ermittlung der Beiträge ist stets unmittelbar der volle Beitrag zu errechnen. Die Ermittlung des Versichertenanteils entfällt, da der Versicherte an der Beitragsaufbringung zur Krankenversicherung nicht beteiligt ist.
Die Beiträge werden für den Kalendertag berechnet. Der für den Abrechnungszeitraum maßgebende Gesamtbeitrag wird durch Multiplikation des kalendertäglichen Beitrags mit der Anzahl der Kalendertage, für die das Verletztengeld gezahlt wurde, ermittelt.
4.1.6 Fälligkeit und Zahlung der Beiträge
Die Beiträge zur Krankenversicherung aus Entgeltersatzleistungen werden am Achten des auf die Zahlung der Entgeltersatzleistung folgenden Monats fällig (vgl. § 23 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Auf diese Beiträge ist ggf. eine Abschlagszahlung zu leisten. Die Beiträge sind vom zuständigen Unfallversicherungsträger zu zahlen (vgl. § 252 Satz 1 SGB V).
4.1.7 Beitragserstattung
Wenn sich nachträglich herausstellt, dass Verletztengeld zu Unrecht gezahlt wurde, weil irrtümlich vom Eintritt eines Arbeitsunfalls ausgegangen wurde, sind die Beiträge dem Unfallversicherungsträger zu erstatten.
Die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führt nicht zu einer Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung. Das gilt ebenso für die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder einer Altersrente.
4.2 Pflegeversicherung
4.2.1 Mitgliedschaft aufgrund des Bezugs von Verletztengeld
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind während der Dauer dieser Mitgliedschaft versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 20 SGB XI) und Mitglied einer Pflegekasse (vgl. § 49 Abs. 1 SGB XI). Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger in einer Pflegekasse besteht fort, solange Anspruch auf Verletztengeld besteht oder diese Leistung bezogen wird (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1 SGB XI i. V. m. § 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Für das Fortbestehen der Mitgliedschaft ist es Voraussetzung, dass Verletztengeld während der Mitgliedschaft des Versicherungspflichtigen oder in unmittelbarem Anschluss daran gezahlt wird. Eine eigenständige Versicherungspflicht wird durch den Anspruch auf Verletztengeld oder den Bezug dieser Leistung nicht begründet (vgl. Bsp. 19).
Bsp. 19 : Erhalt der Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung
Ein Arbeitnehmer war bis zum 31. Dezember 2015 versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied einer Kranken- und einer Pflegekasse. Seit dem 5. Januar 2016 wird Verletztengeld gezahlt (u. a. wegen des Bezugs von Arbeitseinkommen). Da Verletztengeld nicht während der Mitgliedschaft oder in unmittelbarem Anschluss daran gezahlt wird, bleibt die Mitgliedschaft in der Kranken- und in der Pflegeversicherung nicht erhalten.
Anmerkung: Wenn sich spätestens bis zum 31. Januar 2016 eine neue Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse ergibt (z. B. aufgrund einer neuen versicherungspflichtigen Beschäftigung), dann kommt es in der Zwischenzeit nicht zu einer obligatorischen Anschlussversicherung (vgl. § 188 Abs. 4 SGB V). In der Pflegeversicherung besteht deswegen bei Beginn der Zahlung von Verletztengeld keine Mitgliedschaft, die erhalten werden könnte.
4.2.2 Beitragspflichtige Einnahmen
4.2.2.1 Bemessungsgrundlage
Bei Beziehern von Verletztengeld gelten 80 % des Regelentgelts, das der Bemessung des Verletztengeldes zu Grunde liegt, als beitragspflichtige Einnahme (vgl. § 57 Abs. 1 SGB XI i. V. m. § 235 Abs. 2 SGB V; gilt auch für die Berechnung des Beitragszuschlags für Kinderlose). Als Regelentgelt ist höchstens ein Betrag in Höhe der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung zu berücksichtigen (Bemessungsentgelt). Erst danach ist eine Kürzung auf 80 % des Bemessungsentgelts vorzunehmen (Bemessungsgrundlage). Bei einer leistungsrechtlichen Anpassung des Verletztengeldes ist das der Berechnung der Beiträge zugrunde liegende Regelentgelt entsprechend zu erhöhen.
Die Bemessungsgrundlage für Bezieher von Verletztengeld, das sich nach dem Arbeitslosengeld oder dem Arbeitslosengeld II richtet, ist mit der in der Krankenversicherung identisch (vgl. 4.1.2.1).
4.2.2.2 Bezug von Arbeitsentgelt
Es fehlt eine Regelung für den Fall, in dem das Mitglied neben dem Verletztengeld beitragspflichtiges Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung erhält (vgl. § 57 Abs. 2 SGB XI). Eine Anwendung dieser Vorschrift nach ihrem Wortlaut würde dazu führen, dass die aus dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt und der (ungekürzten) Bemessungsgrundlage für das Verletztengeld insgesamt zu zahlenden Beiträge höher wären als in den Fällen der ausschließlichen Beitragszahlung aufgrund der Entgeltersatzleistung. Um in diesen Fällen eine „doppelte“ Beitragszahlung zu vermeiden, ist bei gleichzeitigem Bezug von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt die Bemessungsgrundlage für die bei Bezug von Verletztengeld zu zahlenden Beiträge um das beitragspflichtige Arbeitsentgelt zu kürzen.
4.2.3 Beitragssatz
Der Beitragssatz beträgt seit dem 1. Januar 2019 3,05 Prozent und wird durch das Gesetz festgesetzt (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
Der Beitragssatz erhöht sich für Kinderlose nach Vollendung des 23. Lebensjahres um 0,25 Beitragssatzpunkte (vgl. § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI; Beitragszuschlag für Kinderlose). Der Beitragssatz erhöht sich nicht für Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1940 geboren wurden, für Wehr- und Zivildienstleistende sowie für Bezieher von Arbeitslosengeld II (vgl. § 55 Abs. 3 Satz 7 SGB XI).
Die Beiträge werden im Übrigen nach dem Beitragssatz berechnet, der für den Zahlungszeitraum des Verletztengeldes gilt. Ändert sich der Beitragssatz im Laufe eines Zahlungszeitraumes, dann ist für die Beitragsberechnung eine entsprechende Aufteilung erforderlich.
Für Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit und Pflege Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, wird der Beitragssatz auf die Hälfte des Beitragssatzes reduziert (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB XI).
4.2.4 Tragung der Beiträge
Die Beiträge der Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Verletztengeld beziehen, trägt der Unfallversicherungsträger allein (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i. V. m. § 251 Abs. 1 SGB V). Das gilt sowohl für Pflichtversicherte in der Pflegeversicherung, die in der Krankenversicherung freiwillig versichert sind, als auch für Personen, deren Mitgliedschaft erhalten bleibt. Den Beitragszuschlag für Kinderlose trägt der Bezieher des Verletztengeldes allein (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB XI).
4.2.5 Beitragserstattung
Wenn sich nachträglich herausstellt, dass Verletztengeld zu Unrecht gezahlt wurde, weil irrtümlich vom Eintritt eines Arbeitsunfalls ausgegangen wurde, sind die Beiträge dem Unfallversicherungsträger zu erstatten.
Die rückwirkende Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung führt nicht zu einer Erstattung der Beiträge zur Pflegeversicherung. Das gilt ebenso für die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder einer Altersrente.
4.3 Rentenversicherung
4.3.1 Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Verletztengeld
Bezieher von Verletztengeld sind versicherungspflichtig in der Rentenversicherung (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Für die Versicherungspflicht ist die Höhe der Entgeltersatzleistung unerheblich. Die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (vgl. § 5 Abs. 2 SGB VI).sind auf die Bezieher von Verletztengeld nicht anwendbar.
4.3.1.1 Voraussetzungen
Die Versicherungspflicht ist davon abhängig, dass Verletztengeld bezogen wird. Damit muss Verletztengeld tatsächlich gezahlt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn der Anspruch auf Verletztengeld in voller Höhe ruht (z. B. nach § 52 SGB VII) oder versagt wird (z. B. nach § 66 SGB I).
Die Versicherungspflicht wird grundsätzlich nicht rückwirkend beseitigt, wenn die Rechtsgrundlage entfällt oder der Rechtsgrund für die Leistung rückwirkend nur ausgetauscht wird. Dies gilt auch für den Fall, in dem die Sozialleistung rückwirkend entzogen, zurückgefordert oder zurückgezahlt wird, da der Versicherungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein muss und rückwirkende Veränderungen grundsätzlich unbeachtlich sind.
Rückwirkenden Einfluss auf den Versicherungsschutz hat die Aufhebung der Bewilligung oder die Rückzahlung der Leistung (oder ihre Erstattung auf andere Weise) allerdings dann, wenn die Leistung an Stelle von Arbeitsentgelt erbracht wird, weil durch die spätere Zahlung des Arbeitsentgelts der Versicherungsschutz im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses gewährleistet ist.
Neben dem tatsächlichen Bezug des Verletztengeldes ist für die Versicherungspflicht eine „Vorpflichtversicherung“ erforderlich. Der Bezieher des Verletztengeldes muss im letzten Jahr vor dem Beginn des Leistungsbezugs zuletzt versicherungspflichtig in der Rentenversicherung gewesen sein (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Die Versicherungspflicht in diesem Sinne erfasst Beschäftigte (vgl. § 1 SGB VI), selbstständig Tätige (vgl. § 2 SGB VI), sonstige Versicherte (vgl. § 3 SGB VI) oder Versicherungspflichtige aufgrund eines Antrags (vgl. § 4 SGB VI).
Die Versicherungspflicht kraft Gesetzes nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bezieht sich auf den jeweiligen Leistungsbezug. Mehrere unmittelbar aufeinander folgende unterschiedliche Entgeltersatzleistungen bilden für die Feststellung der Vorpflichtversicherung keine Einheit. Vielmehr muss die Vorpflichtversicherung für jede Entgeltersatzleistung gesondert festgestellt werden. Daraus folgt, dass bei einer Aufeinanderfolge mehrerer unterschiedlicher Entgeltersatzleistungen durch eine während des Leistungsbezugs eintretende Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI die Vorpflichtversicherung für den Eintritt von Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bei nachfolgendem Bezug einer anderen Entgeltersatzleistung begründet werden kann. In den Fällen, in denen eine Entgeltersatzleistung wegen des Bezugs einer anderen Entgeltersatzleistung ruht, wird allerdings nach Ablauf des Ruhenszeitraums keine andere Entgeltersatzleistung bezogen, d. h., dass die Vorpflichtversicherung in derartigen Fällen vor Beginn dieser Entgeltersatzleistung – unabhängig vom Ruhenszeitraum – vorliegen muss.
In dem, dem Bezug des Verletztengeldes vorangegangenen Jahr (nicht Kalenderjahr) muss mindestens ein Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung gezahlt worden sein. Dieser Pflichtbeitrag muss den versicherungsrechtlichen Status des Leistungsbeziehers bis zum Beginn der Entgeltersatzleistung bestimmen (vgl. Bsp. 22). Es ist somit nicht erforderlich, dass unmittelbar vor dem Bezug der Entgeltersatzleistung Rentenversicherungspflicht bestanden hat. Das Merkmal „zuletzt versicherungspflichtig“ kann demnach auch erfüllt sein, wenn die Rentenversicherungspflicht schon vor dem Leistungsbeginn – aber innerhalb des letzten Jahres – geendet hat.
Bsp. 22: Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
Versicherungspflichtige Beschäftigung bis zum 31. Dezember 2015
Selbstständige Tätigkeit ohne Versicherungspflicht in der Rentenversicherung seit dem 1. Januar 2016
Verletztengeldbezug 15. Juli – 4. September 2016
Während des Verletztengeldbezugs besteht Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.
Liegt dagegen zwischen dem Ende der Rentenversicherungspflicht und dem Beginn der Entgeltersatzleistung Rentenversicherungsfreiheit oder eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht (z. B. nach den §§ 5 oder 6 SGB VI) oder eine freiwillige Rentenversicherung (vgl. § 7 SGB VI), tritt Versicherungspflicht nicht ein (vgl. Bsp. 23). Maßgebend sind insoweit die tatsächlichen Verhältnisse bei Beginn des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung.
Bsp. 23: Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
Versicherungspflichtige Beschäftigung bis zum 31. Dezember 2015
Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) seit dem 1. Oktober 2015
Selbstständige Tätigkeit ohne Versicherungspflicht in der Rentenversicherung seit dem 1. Januar 2016
Verletztengeldbezug 15. Juli – 4. September 2016
Während des Verletztengeldbezugs besteht keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.
Rentenversicherungspflicht tritt nicht ein, wenn der Bezieher einer Entgeltersatzleistung im letzten Jahr vor dem Beginn der Leistung nach den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedsstaates oder eines Vertragsstaates in einem Beschäftigten- oder Selbstständigensystem rentenversicherungspflichtig war, es sei denn, dass noch im Jahreszeitraum mindestens ein berücksichtigungsfähiger Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung gezahlt worden ist.
Die nach Artikel 17 Nr. 1 Satz 1 des Melderecht- und Beitragseinzug-Einordnungsgesetzes von der Zahlung der Pflichtbeiträge befreiten Beschäftigten eines exterritorialen Arbeitgebers oder einer über- oder zwischenstaatlichen Organisation unterliegen im Falle des Bezugs einer Entgeltersatzleistung nicht kraft Gesetzes der Rentenversicherungspflicht. Diese Personen können nur über einen Antrag nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der Rentenversicherung versichert werden.
4.3.1.2 Beginn und Ende
Die Versicherungspflicht beginnt mit dem Tag, für den erstmalig Verletztengeld gezahlt wird; sie endet mit dem Tag, für den letztmalig Verletztengeld gezahlt wird. Wird rückwirkend Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit zugebilligt, fällt der Anspruch auf Verletztengeld vom Beginn der Rente an weg (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VII; vgl. Bsp. 24). Die Verletztengeldzahlung wird mit dem Tag eingestellt, an dem die Mitteilung über die Rentenbewilligung bei der Krankenkasse eingeht. Die Versicherungspflicht besteht bis zum letzten Tag, für den Verletztengeld gezahlt wird. Dies gilt auch für den Fall, in dem der Unfallversicherungsträger aufgrund seines Erstattungsanspruchs (vgl. § 103 SGB X) in vollem Umfang einen Ersatz des gezahlten Verletztengeldes erhält.
Bsp. 24: Zubilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
Ausgezahltes Verletztengeld 22. Dezember 2015 – 31. Juli 2016
Eingang einer Mitteilung über die Bewilligung einer Rente (wegen voller Erwerbsminderung) bei der Krankenkasse 10. August 2016
rückwirkender Rentenbeginn 1. Januar 2016
Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung aufgrund des Bezugs von Verletztengeld besteht vom 22. Dezember 2015 bis zum 10. August 2016. Das Verletztengeld ist bis zum 10. August 2016 auszuzahlen.
Bei der Zubilligung einer Vollrente wegen Alters tritt ab Rentenbeginn Versicherungsfreiheit ein (vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI; vgl. Bsp. 25). Die Versicherungspflicht endet (ggf. rückwirkend) mit dem Tag vor dem Beginn der Rente.
Bsp. 25: Zubilligung einer Vollrente wegen Alters
Ausgezahltes Verletztengeld 22. Dezember 2015 – 31. Juli 2016
Eingang einer Mitteilung über die Bewilligung einer Rente (Vollrente wegen Alters) bei der Krankenkasse 10. August 2016
(rückwirkender) Rentenbeginn 1. Januar 2016
Die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung aufgrund des Bezugs von Verletztengeld besteht vom 22. Dezember bis zum 31. Dezember 2015.
4.3.1.3 Versicherungskonkurrenz
Die Vorschrift des § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI schließt das Entstehen oder den Fortbestand von Rentenversicherungspflicht nach anderen Vorschriften nicht aus, sodass eine Mehrfachversicherung möglich ist. Soweit aber aufgrund desselben Sachverhalts sowohl Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI als auch Rentenversicherungspflicht nach anderen Vorschriften in Betracht kommt, geht die Vorschrift vor, die dem Versicherten im Einzelfall den besten sozialen Schutz bietet. Danach hat die Rentenversicherungspflicht, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind, Vorrang.
Für den Günstigkeitsvergleich ist auf die Verhältnisse beim Beginn der Versicherungskonkurrenz abzustellen; spätere Veränderungen der Beitragsbemessungsgrundlagen aufgrund der Erhöhung der Bezugsgröße oder der Dynamisierung der Entgeltersatzleistung bleiben unberücksichtigt.
4.3.2 Antragspflichtversicherung
Personen sind aufgrund eines Antrags versicherungspflichtig (Antragspflichtversicherung), wenn sie Verletztengeld beziehen, aber die Vorpflichtversicherung nicht erfüllen (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Die Antragspflichtversicherung beginnt mit dem Beginn des Verletztengeldes (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Voraussetzung hierfür ist, dass der Antrag innerhalb von drei Monaten danach gestellt wird. Bei einer späteren Antragstellung beginnt die Antragspflichtversicherung mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt, frühestens jedoch mit dem Ende der Versicherungspflicht aufgrund einer vorausgehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung (also nach Ablauf der Entgeltfortzahlung) oder Tätigkeit. Über den Antrag auf Versicherungspflicht entscheidet grundsätzlich der zuständige Rentenversicherungsträger. Der Eingang des Antrags beim Leistungsträger steht dem Eingang beim Rentenversicherungsträger gleich.
Die Antragspflichtversicherung endet mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen weggefallen sind (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 2 SGB VI; Ende des Bezugs von Verletztengeld).
4.3.3 Beitragspflichtige Einnahmen
Die Beiträge zur Rentenversicherung werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage (beitragspflichtige Einnahmen) erhoben, die bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (vgl. § 157 SGB VI). Für die Beitragsberechnung sind – wie auch in der Kranken- und Pflegeversicherung – für volle Kalendermonate der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht 30 Tage anzusetzen. Beginnt oder endet die Beitragspflicht im Laufe eines Kalendermonats, ist für die Beitragsberechnung von der tatsächlichen Anzahl der verbleibenden Kalendertage des entsprechenden Monats auszugehen.
4.3.3.1 Bemessungsgrundlage
Wenn sich das Verletztengeld nach dem Regelentgelt richtet, sind 80% des der Leistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens (Regelentgelt) Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge (beitragspflichtige Einnahmen; vgl. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI).
Die Bemessungsgrundlage für Bezieher von Verletztengeld, das sich nach dem Arbeitslosengeld oder dem Arbeitslosengeld II richtet, ist mit der in der Krankenversicherung identisch.
Das der Entgeltersatzleistung zu Grunde liegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (Regelentgelt) wird bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung berücksichtigt. Bemessungsgrundlage für die Beitragsberechnung sind 80% dieses Betrages.
Eine Anpassung des Verletztengeldes (vgl. § 50 SGB IX) zieht eine Anpassung der Bemessungsgrundlage für die Beitragsberechnung nach sich. Dazu ist das Regelentgelt ohne Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze mit dem maßgebenden Anpassungsfaktor zu multiplizieren. Es ist ggf. anschließend auf die zum Anpassungszeitpunkt maßgebende Beitragsbemessungsgrenze zu begrenzen.
4.3.3.2 Bezug von Arbeitsentgelt
Erhält ein Versicherter neben dem Verletztengeld beitragspflichtiges Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung, wird die aus der Entgeltersatzleistung resultierende Beitragsbemessungsgrundlage um 80% des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts gekürzt (vgl. § 166 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Dabei ist es unerheblich, ob die Entgeltersatzleistung und das neben der Entgeltersatzleistung gezahlte Arbeitsentgelt aus ein und demselben Beschäftigungsverhältnis oder aus verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen stammen. Vorausgesetzt wird nur, dass es sich um „beitragspflichtiges“ Arbeitsentgelt handelt; Arbeitsentgelt aus einer rentenversicherungsfreien Beschäftigung kann daher nicht angerechnet werden.
4.3.3.3 Zubilligung von Rente
Die Zubilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit oder einer anderen der in § 50 Abs. 2 SGB V genannten Rentenleistungen hat mangels ausdrücklich anders lautender gesetzlicher Regelungen keine Auswirkungen auf die beitragspflichtigen Einnahmen und die Höhe der Beiträge. Eine Reduzierung der beitragspflichtigen Einnahmen würde sich zudem nachteilig für die Versicherten auswirken.
Bei der Zubilligung einer Vollrente wegen Alters tritt ab Rentenbeginn Versicherungsfreiheit ein (vgl. § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI). Die Versicherungspflicht endet (ggf. rückwirkend) mit dem Tag vor dem Beginn der Rente. Beiträge, die über das Ende der Versicherungspflicht hinaus gezahlt wurden, sind unter Beachtung der Verjährung (vgl. § 27 Abs. 2, 3 SGB IV) an den Unfallversicherungsträger und ggf. an den Leistungsbezieher zu erstatten.
Eine rückwirkende Veränderung des Versicherungsverhältnisses in der Rentenversicherung ist ausgeschlossen, wenn dem Versicherten für eine Zeit, für die er Verletztengeld erhalten hat, nachträglich Rente wegen voller Erwerbsminderung oder wegen Erwerbsunfähigkeit zugebilligt wird und damit der Anspruch auf Verletztengeld rückwirkend entfällt. Versicherte und Unfallversicherungsträger haben mithin für Zeiten vom 1. Januar 1992 an keinen Anspruch auf Erstattung der aufgrund des Verletztengeldbezugs gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung.
4.3.4 Beitragssatz
Die Beiträge zur Rentenversicherung werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage (beitragspflichtige Einnahmen) erhoben (vgl. § 157 SGB VI). Die Beiträge werden nach dem Beitragssatz berechnet, der für den Zahlungszeitraum der Entgeltersatzleistung gilt. Ändert sich der Beitragssatz im Laufe eines Zahlungszeitraumes, dann ist für die Beitragsberechnung eine entsprechende Aufteilung des Zahlungszeitraumes erforderlich.
4.3.5 Tragung der Beiträge
Die Leistungsbezieher und die Leistungsträger tragen die Beiträge zur Rentenversicherung nur insoweit je zur Hälfte, wie die Beiträge auf die Leistung entfallen (vgl. § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a erster Halbsatz SGB VI; ab 1. Januar 1995; vgl. Bsp. 21).
Der Leistungsträger hat die Rentenversicherungsbeiträge allein zu tragen, wenn das Verletztengeld in Höhe der Leistung der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird oder das dem Verletztengeld zu Grunde liegende Arbeitsentgelt die jeweils maßgebende Geringverdienergrenze nicht übersteigt.
4.3.6 Beitragsberechnung
Die Beiträge zur Rentenversicherung werden als Produkt aus der Bemessungsgrundlage und dem Beitragssatz errechnet. Zur Ermittlung der Beiträge ist stets unmittelbar der volle Beitrag zu errechnen. Ist der Versicherte an der Aufbringung der Beiträge beteiligt, ist der Beitragsanteil des Versicherten ausgehend vom Zahlbetrag der Leistung gesondert zu ermitteln.
Unter Zahlbetrag ist der unter Anwendung aller Ruhens-, Versagens- und Kürzungsvorschriften zur Auszahlung gelangende Betrag zu verstehen. Beiträge, die an Dritte abgezweigt werden, mindern den Zahlbetrag der Entgeltersatzleistung nicht. Mithin sind Abzweigungsbeträge infolge einer Aufrechnung, Verrechnung, Abtretung oder Pfändung bei der Berechnung des Beitragsanteils zu berücksichtigen.
Die Differenz zwischen dem vollen Beitrag und dem Beitragsanteil des Versicherten stellt den Beitragsanteil des Leistungsträgers dar.
Die Beiträge werden für den Kalendertag berechnet. Der für den Abrechnungszeitraum maßgebende Gesamtbeitrag wird durch Multiplikation des kalendertäglichen Beitrags mit der Anzahl der Kalendertage, für die die Entgeltersatzleistung gezahlt wurde, ermittelt.
4.4 Arbeitslosenversicherung
4.4.1 Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Verletztengeld
Bezieher von Verletztengeld sind versicherungspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung, wenn sie unmittelbar vor dem Beginn der Leistung
- versicherungspflichtig nach dem SGB III waren oder
- eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen
hat
(vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). Die Versicherungspflicht tritt unabhängig von der Höhe des Verletztengeldes ein. Die Vorschrift über die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit (vgl. § 27 Abs. 2 SGB III) wird nicht auf die Bezieher von Verletztengeld angewendet.
Der Begriff „unmittelbar“ im Sinne von § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ist entsprechend dem Schutzgedanken dieser Bestimmung in Anlehnung an § 24 Abs. 3 SGB III weit auszulegen. Das Verletztengeld löst danach auch dann Versicherungspflicht aus, wenn der Zeitraum zwischen dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. dem Ende des Bezugs einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III und dem Beginn des Verletztengeldes einen Monat nicht überschreitet (vgl. Bsp. 26).
Bsp. 26: Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung
Versicherungspflichtige Beschäftigung bis zum 4. April 2016
Arbeitsunfähigkeit seit dem/Feststellung am 11. April 2016
Verletztengeld vom 11. April – 24. Mai 2016
Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 11. April – 24. Mai 2016
4.4.1.1 Zahlung des Verletztengeldes
Das Verletztengeld muss tatsächlich gezahlt werden. Soweit der Anspruch auf die Entgeltersatzleistung vollständig ruht oder versagt wird, sind keine Beiträge zu entrichten; das Gleiche gilt im Falle des Entzugs oder Wegfalls des Anspruchs auf Verletztengeld. Ist das Verletztengeld zu Unrecht gewährt worden und wird der bewilligende Verwaltungsakt aufgrund des § 45 SGB X zurückgenommen, sind die Beiträge unter Beachtung von § 27 Abs. 2 SGB IV zu erstatten.
4.4.1.2 Beschäftigung
Die Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Verletztengeld ist davon abhängig, dass der Leistungsbezieher unmittelbar vor dem Beginn des Verletztengeldes in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden hat oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig war (vgl. § 24 Abs. 1 SGB III).
Aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig (vgl. § 26 SGB III) sind
- Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 35 SGB IX Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen sollen, sowie Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
- Personen, die nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes, des § 58b des Soldatengesetzes oder des Zivildienstgesetzes Wehrdienst oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig sind,
- Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (vgl. §§ 43 bis 45, 176, 177 des Strafvollzugsgesetzes) erhalten oder Ausbildungsbeihilfe nur wegen des Vorrangs von Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung nach diesem Buch nicht erhalten,
- Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.
4.4.1.3 Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III
Versicherungspflicht besteht auch, wenn der Bezieher der Entgeltersatzleistung unmittelbar vor deren Beginn eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen hat (vgl. § 136 ff. SGB III).
Unter Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III ist die tatsächliche Zahlung zu verstehen. Soweit Arbeitslosengeld wegen Ruhens des Anspruchs nicht gezahlt wird, liegt kein Bezug dieser Leistungen vor. Das gilt auch, wenn die Bewilligung der Leistung rückwirkend aufgehoben wird. Von einem Leistungsbezug ist jedoch dann auszugehen, wenn die Entscheidung über das Ruhen des Anspruchs oder über die Sperrzeit beseitigt wird und Leistungen rückwirkend gezahlt werden.
Die vorstehenden Ausführungen gelten nicht, wenn das Arbeitslosengeld wegen eines Anspruchs auf Arbeitsentgelt aus einem noch fortbestehenden Beschäftigungsverhältnis (vgl. § 157 Abs. 1 SGB III) oder aufgrund einer Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 157 Abs. 2 SGB III) ruht und in dieser Zeit Arbeitsunfähigkeit mit Bezug einer Entgeltersatzleistung eintritt (vgl. § 157 Abs. 3 SGB III).
4.4.2 Beendigung der Versicherungspflicht
Versicherungspflicht besteht bis zu dem Zeitpunkt,
- zu dem infolge der Zubilligung einer Vollrente wegen Alters rückwirkend der Anspruch auf Verletztengeld wegfällt (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VII),
- zu dem der Monat endet, in dem das Lebensjahr für den Anspruch auf Regelaltersrente im Sinne des SGB VI vollendet wird (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III),
- zu dem sowohl die Agentur für Arbeit die Minderung der Leistungsfähigkeit als auch der Rentenversicherungsträger volle Erwerbsminderung festgestellt haben (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III),
- zu dem eine der Rente wegen voller Erwerbsminderung vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers zuerkannt ist (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 3 SGB III),
- zu dem eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist (vgl. § 28 Abs. 2 SGB III).
Fällt der Anspruch auf Verletztengeld infolge Zubilligung einer Vollrente wegen Alters rückwirkend weg (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VII), wird ebenfalls die Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III nachträglich beseitigt. Versicherungsfreiheit besteht auch für Bezieher von Entgeltersatzleistungen, die das Lebensalter für den Anspruch auf Regelaltersgrenze erreicht haben. Die Versicherungsfreiheit beginnt mit Ablauf des Monats, in dem das Lebensjahr für den Anspruch auf Regelaltersrente im Sinne des SGB VI vollendet wird (vgl. § 28 Nr. 1 SGB III). Für die nach § 28 Nr. 1 SGB III versicherungsfreien Bezieher von Entgeltersatzleistungen hat der Leistungsträger keinen Beitragsanteil zu zahlen, weil es eine dem § 346 Abs. 3 Satz 1 SGB III (Beitragsanteil des Arbeitgebers) analoge Vorschrift für die in § 347 Nr. 4 SGB III genannten Leistungsträger nicht gibt.
Bei rückwirkender Zubilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder wegen Erwerbsunfähigkeit aus der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung oder einer vergleichbaren ausländischen Rente tritt vom Rentenbeginn an Versicherungsfreiheit nach § 28 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB III ein, und zwar auch dann, wenn dem Versicherten noch ein Spitzbetrag der Entgeltersatzleistung verbleibt. Für die Zeit zwischen dem Eintritt der Erwerbsminderung und dem (späteren) Rentenbeginn besteht dagegen Versicherungspflicht. Das bedeutet, dass die in dieser Zeit entrichteten Beiträge nicht erstattet werden können, wenn die Erwerbsminderung nach dem Rentenbeginn rückwirkend festgestellt worden ist.
Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III sind Bezieher von Verletztengeld beitragsfrei, die wegen einer Minderung ihrer Leistungsfähigkeit dauernd der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen, wenn die Agentur für Arbeit diese Leistungsminderung und der zuständige Rentenversicherungsträger volle Erwerbsminderung festgestellt haben. Die Beitragsfreiheit tritt allerdings erst mit dem Tage ein, an dem sowohl von der Agentur für Arbeit als auch vom zuständigen Rentenversicherungsträger die diesbezüglichen Feststellungen vorliegen. Maßgebend ist das Datum des letzten Feststellungsbescheides.
Die gezahlten Beiträge sind bei der Bundesagentur für Arbeit (im Wege der Verrechnung) zurückzufordern und, soweit sie vom Versicherten getragen wurden, diesem zu erstatten.
4.4.3 Beitragspflichtige Einnahmen
4.4.3.1 Bemessungsgrundlage
Die Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Bezieher von Verletztengeld werden aus 80% des der Entgeltersatzleistung zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts (Regelentgelts) berechnet (vgl. § 345 Nr. 5 SGB III). Sofern sich das Verletztengeld nicht nach dem Regelentgelt sondern einer Entgeltersatzleistung richtet, sind für die Beitragsberechnung 80% des der Entgeltersatzleistung (z. B. Arbeitslosengeld) zu Grunde liegenden Arbeitsentgelts maßgebend. Berücksichtigt wird das durch sieben geteilte wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem das Arbeitslosengeld berechnet wurde. Das Regelentgelt wird bis zur Höhe der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.
Eine Anpassung des Verletztengeldes (vgl. § 50 SGB IX) zieht eine Anpassung der Bemessungsgrundlage für die Beitragsberechnung nach sich. Dazu ist das Regelentgelt ohne Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze mit dem maßgebenden Anpassungsfaktor zu multiplizieren. Es ist ggf. anschließend auf die zum Anpassungszeitpunkt maßgebende Beitragsbemessungsgrenze zu begrenzen.
4.4.3.2 Bezug von Arbeitsentgelt
Bei gleichzeitigem Bezug von Verletztengeld und beitragspflichtigem Arbeitsentgelt ist die Bemessungsgrundlage für das Verletztengeld um 80% des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts zu kürzen (vgl. § 345 Nr. 5 SGB III).
4.4.4 Beitragssatz
Für die Berechnung der Beiträge ist der gesetzlich geregelte Beitragssatz maßgebend (vgl. § 341 Abs. 1, 2 SGB III). Es gilt der Beitragssatz, der für den Zahlungszeitraum des Verletztengeldes gilt. Ändert sich der Beitragssatz im Laufe eines Zahlungszeitraums, ist für die Beitragsberechnung eine entsprechende Aufteilung dieses Zeitraums erforderlich.
4.4.5 Tragung der Beiträge
Bei Beziehern von Verletztengeld haben die Leistungsbezieher und die Leistungsträger die Beiträge je zur Hälfte zu tragen, soweit sie auf die Leistungen entfallen (vgl. § 347 Nr. 5 SGB III). Die Beiträge, die auf die darüber hinausgehende Bemessungsgrundlage entfallen, sind vom Unfallversicherungsträger allein zu tragen.
Wenn Verletztengeld in Höhe der Leistungen nach dem SGB III gezahlt wird, haben die Leistungsträger die Arbeitslosenversicherungsbeiträge allein zu tragen (vgl. § 347 Nr. 5 Buchstabe b SGB III). Die Leistungsträger tragen die Beiträge auch dann allein, wenn dem Verletztengeld ein monatliches Arbeitsentgelt zu Grunde liegt, das die jeweils maßgebende Geringverdienergrenze von 450 € nicht übersteigt (vgl. § 347 Nr. 5 Buchstabe c SGB III).
5 Zahlung des Verletztengeldes
Das Verletztengeld wird für Kalendertage gezahlt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 6 SGB V). Wenn es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen ist, dann wird dieser mit 30 Tagen berücksichtigt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 7 SGB V). Das gilt auch, wenn sich Verletztengeld an eine andere Entgeltersatzleistung anschließt (vgl. § 45 Abs. 8 SGB IX).
6 Anpassung des Verletztengeldes
Der Zahlbetrag des Verletztengeldes wird jeweils nach dem Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraums angepasst (vgl. § 50 Abs. 1 SGB IX; vgl. Bsp. 27). Eine Anpassung unterbleibt, wenn der Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 nicht überschreitet (vgl. § 50 Abs. 3 SGB IX).
Bsp. 27: Zeitpunkt der Anpassung
Bemessungszeitraum Juli 2015
Beginn der Arbeitsunfähigkeit 8. August 2015
Beginn der Verletztengeldzahlung 19. September 2015
1. Anpassungszeitpunkt 1. August 2016
Bei Personen, deren Verletztengeld ausschließlich aus Arbeitseinkommen berechnet wird (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), ist die Leistung aus dem 360. Teil des im Kalenderjahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Maßnahmen der Heilbehandlung erzielten Arbeitseinkommens zu ermitteln. Daraus ist abzuleiten, dass sich der Zeitpunkt der Erhöhung bei diesem Personenkreis nach dem letzten Kalendertag des der Arbeitsunfähigkeit vorangegangenen Kalenderjahres richtet.
Das Verletztengeld wird entsprechend der Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst. Das angepasste Verletztengeld darf 80 % des zum Anpassungszeitpunkt maßgeblichen Höchstregelentgelts nicht überschreiten. Die Beitragsanteile des Versicherten zur Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sind nach der Anpassung vom neuen Zahlbetrag zu berechnen (vgl. Bsp. 18).
Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Unterhaltsgeld erhalten Verletztengeld in Höhe der Leistung, die zuletzt bezogen wurde (vgl. § 47 Abs. 2 SGB VII i. V. m. § 47b Abs. 1 Satz 1 SGB V). Eine Anpassung ist nicht vorgesehen.
Ist der Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als
- Unternehmer,
- mitarbeitender Ehegatte oder Lebenspartner oder
- als gleichgestellte Person
eingetreten (vgl. 3.8), richtet sich der Anpassungszeitpunkt nach dem letzten Kalendertag vor der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Bsp. 28).
Bsp. 28: Zeitpunkt der Anpassung
Ein versicherter Unternehmer erleidet am 22. Mai 2015 einen Arbeitsunfall und ist vom selben Tag an bis auf weiteres arbeitsunfähig. Er erhält Verletztengeld, das am 23. Mai 2016 anzupassen ist.
Für die Berechnung der Anpassung wird derjenige Verletztengeldbetrag zugrunde gelegt, auf den am Tage der Anpassung ein Anspruch besteht. Sollte am Tag der Verletztengeldanpassung nicht der volle Verletztengeldbetrag zur Auszahlung kommen (z.B. aufgrund einer Anrechnung eines während der Arbeitsunfähigkeit weitergezahlten Teilentgelts), so ist für die Berechnung der Anpassung der ungekürzte Verletztengeldbetrag heranzuziehen. Von dem neu errechneten Verletztengeldbetrag ist dann wieder die Kürzung bzw. Anrechnung vorzunehmen.
7 Anrechnung von Einkommen
7.1 Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen
Auf das Verletztengeld sind gleichzeitig erzieltes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt (vgl. § 14 SGB IV) oder Arbeitseinkommen (vgl. § 15 SGB IV) mit dem jeweiligen Netto-Betrag anzurechnen (vgl. § 52 Nr. 1 SGB VII). Dieser ergibt sich beim Arbeitsentgelt, indem vom Brutto-Arbeitsentgelt die gesetzlichen Abzüge abgezogen werden. Vom Arbeitseinkommen wird für die Anrechnung ein Betrag in Höhe von 20% des Brutto-Arbeitseinkommens abgezogen.
Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist nicht auf das Verletztengeld anzurechnen. Dabei handelt es sich um Zuwendungen, die zwar dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, aber nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden (vgl. § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
Ein Teil-Arbeitsentgelt (Zuschüsse des Arbeitgebers zum Verletztengeld) wird auf das Verletztengeld angerechnet. Für die Anrechenbarkeit ist zu prüfen, ob das Teil-Arbeitsentgelt ganz oder teilweise beitragspflichtig ist (vgl. § 23c SGB IV). Ein Teil-Arbeitsentgelt oder Zuschuss des Arbeitgebers zum Verletztengeld ist beitragspflichtig, soweit die Einnahmen zusammen mit dem Verletztengeld das Nettoarbeitsentgelt übersteigen. Auf das Netto-Verletztengeld wird der Nettobetrag des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts angerechnet. Arbeitgeberleistungen gelten auf jeden Fall nicht als Arbeitsentgelt, wenn sie zusammen mit dem Verletztengeld das Nettoarbeitsentgelt um nicht mehr als 50 € im Monat übersteigen (vgl. § 23c Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
7.2 Anrechenbare Sozialleistungen
Wird während des Bezugs von Verletztengeld eine andere Sozialleistung bezogen (Mutterschaftsgeld, Versorgungskrankengeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II), ist diese auf das Verletztengeld anzurechnen (vgl. § 52 Nr. 2 SGB VII). Dies gilt auch, wenn Ansprüche auf Leistungen nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen einer Sperrzeit ruhen.
8 Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern
Krankenkassen und Unfallversicherungsträger sind verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng zusammenzuarbeiten (vgl. § 86 SGB X). Eine spezialgesetzliche Regelung gilt für Krankenkassen und Unfallversicherungsträger in ihrer Funktion als Rehabilitationsträger (vgl. § 12 Abs. 1 SGB IX).
8.1 Auskunftspflicht der Krankenkassen
Aufgrund der Auskunftspflicht (vgl. § 188 SGB VII) werden die Träger der Unfallversicherung in die Lage versetzt, über den Kausalzusammenhang zwischen einem Versicherungsfall und einer Erkrankung des Versicherten sowie über die Höhe der durch den Versicherungsfall bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit zu entscheiden.
Dazu kann ein Träger der Unfallversicherung von einer Krankenkasse Auskunft über die Behandlung, den Zustand sowie über Erkrankungen und frühere Erkrankungen des Versicherten verlangen (vgl. § 188 Satz 1 SGB VII). Die Auskunftspflicht ist dadurch beschränkt, dass die Informationen für die Feststellung des Versicherungsfalls erforderlich sein müssen. Die auskunftspflichtige Krankenkasse gibt nur über die ihr vorliegenden Daten eine Auskunft. Die Krankenkasse ist nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet.
Das Auskunftsverlangen des Unfallversicherungsträgers ist auf solche Erkrankungen oder auf solche Bereiche von Erkrankungen zu beschränken, die mit dem Versicherungsfall in einem ursächlichen Zusammenhang stehen können (vgl. § 188 Satz 2 SGB VII).
8.2 Beauftragung einer Krankenkasse
Unfallversicherungsträger können Krankenkassen beauftragen, ihnen obliegende Aufgaben wahrzunehmen (vgl. § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 189 SGB VII). Dazu sind zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern entsprechende Verwaltungsvereinbarungen getroffen worden:
- Generalauftrag Verletztengeld
- Einzelauftrag
- Beiträge
- Erstattungsverzicht
- Pflegeunfälle
8.2.1 Ausführung des Auftrags
Die Krankenkasse führt die Auftragsgeschäfte auf der Grundlage der entsprechenden Verwaltungsvereinbarung ggf. in Verbindung mit einem konkreten Auftrag im Einzelfall aus (vgl. § 89 SGB X). Die dabei durch die Krankenkasse zu erlassenden Verwaltungsakte ergehen im Namen des Unfallversicherungsträgers.
8.2.2 Anträge und Widerspruch beim Auftrag
Der Sozialleistungsberechtigte kann Anträge sowohl beim Unfallversicherungsträger als auch bei der Krankenkasse stellen (vgl. § 90 SGB X). Widersprüche sind an die Krankenkasse zu richten bzw. an diese weiterzuleiten. Die Krankenkasse führt das Abhilfeverfahren durch. Wenn die Krankenkasse dem Widerspruch in vollem Umfang stattgibt, ist das Widerspruchsverfahren/Abhilfeverfahren damit beendet; dem Widerspruch wurde in vollem Umfang abgeholfen. Wenn die Krankenkasse dem Widerspruch nicht stattgibt oder ihm nur teilweise abhilft, ist der Widerspruch an den Unfallversicherungsträger weiterzuleiten. Dieser führt das Widerspruchsverfahren durch und erlässt den Widerspruchsbescheid.
8.2.3 Erstattung von Aufwendungen
Die Krankenkasse ist aufgrund des Auftragsverhältnisses erstattungsberechtigt (vgl. § 91 SGB X). Zu erstatten sind das Verletztengeld und die im Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrags entstehenden Kosten. Eine Erstattungspflicht besteht nicht, wenn die Krankenkasse Sozialleistungen zu Unrecht erbracht hat und sie daran ein Verschulden trifft. Der Verschuldensbegriff ist zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt worden.
8.2.4 Verwaltungsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Zahlung von Verletztengeld
8.2.4.1 Generalauftrag Verletztengeld
Die Krankenkasse übernimmt die Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes nach den §§ 45 bis 52 SGB VII im Auftrag des Unfallversicherungsträgers für Verletzte, soweit diese als
- versicherungspflichtige oder freiwillig versicherte Arbeitnehmer, soweit das Regelentgelt aus Arbeitsentgelt zu berechnen ist, oder
- Bezieher von Leistungen nach dem SGB III
Mitglieder der Krankenkasse sind. Dies gilt nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall, den der Versicherte in einer neben seiner Beschäftigung als Arbeitnehmer bzw. neben dem Bezug von Leistungen nach dem SGB III ausgeübten und unfallversicherten Tätigkeit als nicht-landwirtschaftlicher Unternehmer erlitten hat, oder auf einer Berufskrankheit beruht.
Die Krankenkasse übernimmt außerdem die Berechnung und Auszahlung des Kinderpflege-Verletztengeldes nach § 45 Abs. 4 SGB VII , wenn der anspruchsberechtigte Elternteil und das verletzte Kind bei ihr versichert sind und der anspruchsberechtigte Elternteil zu dem bei der Krankenkasse versicherten Personenkreis der Arbeitnehmer oder der Leistungsbezieher nach dem SGB III gehört.
Die Krankenkasse stellt die Verletztengeldzahlung
- spätestens mit dem Tag des Eingangs einer Mitteilung des Rentenversicherungsträgers über die Zuerkennung einer der in § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Leistungen ein; der Unfallversicherungsträger teilt der Krankenkasse unverzüglich mit, ob und ggf. bis wann die Krankenkasse Verletztengeld weiterzahlen soll;
- mit Ablauf der 78. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit, bei zu diesem Zeitpunkt andauernder stationärer Behandlung mit Ablauf dieser Behandlung ein; über die Einstellung der Verletztengeldzahlung werden betroffene Verletzte rechtzeitig vom Unfallversicherungsträger informiert;
- mit Ablauf des Anspruchs nach § 45 Abs. 4 SGB VII
ein.
Wird der Verletzte innerhalb von 2 Monaten nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wegen der Folgen desselben Arbeitsunfalls erneut arbeitsunfähig, zahlt die Krankenkasse nur so lange Verletztengeld, wie unter Anrechnung der Dauer der vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit an 78 Wochen fehlen, es sei denn, der Unfallversicherungsträger gibt der Krankenkasse eine anders lautende Mitteilung. Über die Einstellung der Verletztengeldzahlung werden betroffene Verletzte rechtzeitig vom Unfallversicherungsträger informiert.
Die von der Krankenkasse vorgenommene Berechnung des Verletztengeldes einschließlich der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Grundlagen für die Zahlung wird von dem Unfallversicherungsträger im Verhältnis zur Krankenkasse als bindend anerkannt. Dies gilt nicht, wenn Verletztengeld infolge Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Krankenkasse zu Unrecht gezahlt worden ist.
Zur Abgeltung der der Krankenkasse durch die Auftragstätigkeit entstandenen Verwaltungskosten und Zinsverluste wird vom Unfallversicherungsträger ein Grundbetrag je Arbeitsunfähigkeitsfall zzgl. 2% der Auftragsleistungen als Entschädigung gezahlt. Bei der Berechnung wird das Verletztengeld in voller Höhe – ohne Abzug der ggf. vom Verletzten zu tragenden Anteile der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder zur BA – berücksichtigt. Die Krankenkasse verzichtet gegenüber dem Unfallversicherungsträger auf die Zahlung eines Vorschusses.
Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht nicht, wenn die Krankenkasse das Verletztengeld vorsätzlich oder grob fahrlässig zu Unrecht erbracht hat.
Der Grundbetrag beträgt – auf- oder abgerundet auf volle Euro – 2,25% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Es ist der Grundbetrag anzusetzen, der im Zeitpunkt der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit bzw. der Freistellung nach § 45 Abs. 4 SGB VII gilt.
Bei einem Krankenkassenwechsel während des Leistungsbezugs haben die beteiligten Krankenkassen jeweils Anspruch auf den halben Grundbetrag. Die bisher zuständige Krankenkasse benennt mit ihrer letzten Abrechnung ihrer Leistungen dem Unfallversicherungsträger die aufnehmende Krankenkasse, sofern ihr diese bekannt ist.
8.2.4.2 Einzelauftrag
In Fällen, die nicht von der Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes nach § 189 SGB VII i.V.m. §§ 88 ff. SGB X (VV Generalauftrag Verletztengeld) erfasst sind, kann der Unfallversicherungsträger die Krankenkassen beauftragen, die ihm obliegenden Geldleistungen an den Versicherten auszuzahlen.
Ist ein freiwillig krankenversicherter Unternehmer infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig, informiert der Unfallversicherungsträger die Krankenkasse unverzüglich, ob dem Verletzten Geldleistungen aus der Unfallversicherung zustehen und ob er diese selbst auszahlen oder einen Zahlungsauftrag nach Maßgabe dieser Verwaltungsvereinbarung erteilen will. Ist die Beauftragung der Krankenkasse beabsichtigt, ist der Auftrag unverzüglich zu erteilen.
Ein Auftrag zur Zahlung von Geldleistungen kann grundsätzlich nur unter Angabe des Leistungsbetrags und des diesem zu Grunde liegenden Bemessungsentgelts erfolgen. Besteht wegen des Bezugs von Geldleistungen aus der Unfallversicherung Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und/oder Arbeitslosenversicherung, muss der Auftrag außerdem die für die ordnungsgemäße Berechnung und Abführung der Beiträge sowie die für die in diesem Zusammenhang erforderlichen Meldungen notwendigen Angaben enthalten. Einzelheiten ergeben sich aus der Verwaltungsvereinbarung über die Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Abführung der Beiträge für die Bezieher von Verletzten- oder Übergangsgeld aus der Unfallversicherung nach § 189 SGB VII i. V. m. §§ 88 ff. SGB X (VV Beiträge).
Abweichendes kann im Einzelfall zwischen den jeweils betroffenen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern vereinbart werden.
Besteht nach Angaben des Unfallversicherungsträgers wegen des Bezugs von Geldleistungen aus der Unfallversicherung Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und/oder Arbeitslosenversicherung und hat der Verletzte Beitragsanteile zu tragen, zahlt die Krankenkasse den um die Beitragsanteile des Verletzten verminderten Leistungsbetrag aus. Wie hinsichtlich der einbehaltenen Beitragsanteile weiter zu verfahren ist, ergibt sich aus der VV Beiträge.
Zur Abgeltung der der Krankenkasse durch die auftragsweise Zahlung von Geldleistungen entstandenen Verwaltungskosten und Zinsverluste wird von dem Unfallversicherungsträger ein Grundbetrag je Auftrag zzgl. 2% der Auftragsleistungen als Entschädigung gezahlt. Bei der Berechnung werden die Auftragsleistungen in voller Höhe – ohne Abzug der ggf. vom Verletzten zu tragenden Anteile der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und/oder zur Bundesagentur für Arbeit – berücksichtigt.
Der als Entschädigung zu leistende Grundbetrag wird
- wenn der Krankenkasse der Leistungsbetrag angegeben wird, in Höhe von 50 v.H.,
- wenn der Krankenkasse der Leistungsbetrag nicht angegeben wird, in voller Höhe
des Betrags gezahlt, der nach der VV Generalauftrag Verletztengeld in der jeweils geltenden Fassung berechnet werden kann. Es ist der Grundbetrag anzusetzen, der am letzten Tag, für den Geldleistungen aufgrund des Auftrags gezahlt werden, gilt.
Bei einem Krankenkassenwechsel während des Leistungsbezugs haben die beteiligten Krankenkassen jeweils Anspruch auf den halben Grundbetrag. Die bisher zuständige Krankenkasse benennt mit ihrer letzten Abrechnung ihrer Leistungen dem Unfallversicherungsträger die aufnehmende Krankenkasse, sofern ihr diese bekannt ist.
8.2.4.3 Beiträge
Die Krankenkasse übernimmt im Auftrag des Unfallversicherungsträger in Fällen, in denen sie aufgrund der Verwaltungsvereinbarung über die generelle Beauftragung der Krankenkassen durch die Unfallversicherungsträger zur Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes nach § 189 SGB VII i.V.m. §§ 88 ff. SGB X (VV Generalauftrag Verletztengeld) Verletztengeld auszahlt,
- die Feststellung der Beitragspflicht zur Krankenversicherung (vgl. § 235 Abs. 2 SGB V, § 48 Abs. 2 KVLG 1989 ) und die Berechnung und Anforderung der vom Unfallversicherungsträger zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge,
- die Feststellung der Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 57 Abs. 1 oder § 57 Abs. 4 Satz 4 SGB XI i. V. m. § 235 Abs. 2 SGB V bzw. § 48 Abs. 2 oder § 46 KVLG 1989 ) und die Berechnung, Anforderung und Abführung der vom Unfallversicherungsträger zu entrichtenden Pflegeversicherungsbeiträge,
- die Feststellung der Voraussetzungen für die Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 55 Abs. 3 SGB XI) und die Berechnung und Abführung des vom Verletzten zu entrichtenden Beitragszuschlags,
- die Feststellung der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung (vgl. §§ 3 Satz 1 Nr. 3, 166 Abs. 1 Nr. 2, 170 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 SGB VI ) und/oder Arbeitslosenversicherung (vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ) und die Berechnung und Abführung der vom Unfallversicherungsträger bzw. vom Verletzten zu entrichtenden Beiträge zur Rentenversicherung und/oder zur Bundesagentur für Arbeit sowie die Erstattung der erforderlichen Meldungen
oder
aufgrund eines Einzelauftrags nach Maßgabe der Verwaltungsvereinbarung über das Verfahren und die Entschädigung bei Einzelaufträgen der Unfallversicherungsträger nach § 189 SGB VII i. V. m. §§ 88 ff. SGB X (VV Einzelauftrag) Verletztengeld oder Übergangsgeld auszahlt,
- die Feststellung der Beitragspflicht zur Krankenversicherung (vgl. § 235 Abs. 2 SGB V, § 48 Abs. 2 KVLG 1989) und die Berechnung und Anforderung der vom Unfallversicherungsträger zu entrichtenden Krankenversicherungsbeiträge,
- die Feststellung der Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 57 Abs. 1 oder § 57 Abs. 4 Satz 4 SGB XI i. V. m. § 235 Abs. 2 SGB V bzw. § 48 Abs. 2 oder § 46 KVLG 1989 ) und die Berechnung, Anforderung und Abführung der vom Unfallversicherungsträger zu entrichtenden Pflegeversicherungsbeiträge,
- die Feststellung der Voraussetzungen für die Zahlung des Beitragszuschlags für Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung (vgl. § 55 Abs. 3 SGB XI) und die Berechnung und Abführung des vom Verletzten zu entrichtenden Beitragszuschlags,
- die Berechnung und Abführung der vom Unfallversicherungsträger bzw. vom Verletzten zu entrichtenden Beiträge zur Rentenversicherung (vgl. §§ 3 Satz 1 Nr. 3, 166 Abs. 1 Nr. 2, 170 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 SGB VI ) und/oder zur Bundesagentur für Arbeit (vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III ) sowie die Erstattung der erforderlichen Meldungen.
Die von der Krankenkasse vorgenommene Berechnung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung, zur Rentenversicherung und/oder zur Bundesagentur für Arbeit einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen für die Beitragspflicht wird von dem Unfallversicherungsträger im Verhältnis zur Krankenkasse als bindend anerkannt. Dies gilt nicht, wenn Beiträge infolge Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Krankenkasse zu Unrecht entrichtet worden sind.
Zur Abgeltung der der Krankenkasse durch die Auftragstätigkeiten entstandenen Verwaltungskosten wird von dem Unfallversicherungsträger je ein Grundbetrag für die Berechung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und für die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung je Fall als Entschädigung gezahlt. Der als Entschädigung zu leistende Grundbetrag wird in Höhe von 50% des nach der VV Generalauftrag Verletztengeld jeweils geltenden Grundbetrags gezahlt. Es ist der Grundbetrag anzusetzen, der im Zeitpunkt des Endes der Beitragspflicht gilt.
Bei einem Krankenkassenwechsel während des Leistungsbezugs haben die beteiligten Krankenkassen Anspruch auf jeweils den halben Grundbetrag. Die zunächst zuständige Krankenkasse benennt mit ihrer letzten Abrechnung ihrer Leistungen dem Unfallversicherungsträger die aufnehmende Krankenkasse, sofern ihr diese bekannt ist.
Der Krankenkasse werden zur Abgeltung der entstandenen Zinsverluste neben dem Grundbetrag 2% der von ihr für die vom Unfallversicherungsträger zu tragenden Beiträge zur Rentenversicherung und/oder Arbeitslosenversicherung verauslagten Beträge gezahlt.
9 Erstattungsansprüche zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern
Neben der Erstattung von Aufwendungen aus einem Auftragsverhältnis (vgl. § 91 SGB X) finden sich Anspruchsgrundlagen für einen Erstattungsanspruch in §§ 102 ff. SGB X. Die Vorschriften bilden die Grundlage für einen selbstständigen, von einem Sozialleistungsanspruch losgelösten eigenständigen („originären“) Anspruch öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger. Er dient dazu, Leistungsvorgänge wirtschaftlich rückgängig zu machen, um den erstattungsberechtigten Träger so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht geleistet hätte. Der Erstattungsanspruch betrifft somit Leistungen, die ein Träger entweder ohne Rechtsgrund oder aber mit Rechtsgrund erbracht hat, der Rechtsgrund für die Leistungen aber nachträglich entfallen ist.
Für die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern sind die Vorschriften über den Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers (vgl. § 102 SGB X) und den Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers (vgl. § 105 SGB X) bedeutsam.
9.1 Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers
Der vorläufig leistende Leistungsträger erhält eine Erstattung seiner Leistungen, wenn er aufgrund gesetzlicher Vorschriften (vgl. § 43 SGB I) vorläufig geleistet hat (vgl. § 102 Abs. 1 SGB X). Der Umfang richtet sich nach den für den vorläufig leistenden Leistungsträger geltenden Vorschriften (vgl. § 102 Abs. 2 SGB X) und geht damit u. U. über die eigentliche Leistung des Erstattungspflichtigen Leistungsträgers hinaus.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist, dass die Krankenkasse oder der Unfallversicherungsträger in Kenntnis der eigenen Zuständigkeit aufgrund einer gesetzlichen Vorleistungsregelung geleistet hat. Eine nachträgliche Umdeutung einer irrtümlichen Leistungsgewährung ist damit ausgeschlossen. Sachverhalte, in denen sich nachträglich die Zuständigkeit eines anderen Trägers herausstellt, begründen deshalb keinen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X.
9.2 Anspruch des unzuständigen Leistungsträgers
Ein unzuständiger Leistungsträger, der irrtümlich geleistet hat, erhält eine Erstattung nach § 105 SGB X. Der Erstattungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der unzuständige Leistungsträger mutwillig die Zuständigkeitsregelungen missachtet hat. Der Erstattungsanspruch ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
- Die Leistung wurde in der Annahme der eigenen Zuständigkeit und in der Absicht erbracht, endgültig und nicht vorläufig i. S. des § 105 Abs. 1 SGB X (z. B. wegen ungeklärter Zuständigkeit nach § 43 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB I) zu leisten.
- Die Leistung wurde ohne Kenntnis der Verpflichtung des zuständigen Leistungsträgers erbracht. Erstattungsfähig sind gleichartige und gleichzeitige Leistungen, wobei sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger geltenden Vorschriften richtet.
Der Erstattungsanspruch ist ausgeschlossen,
- wenn der zuständige Leistungsträger bereits selbst (mit befreiender Wirkung) geleistet hat,
- der Erstattungsanspruch gegen Treu und Glauben verstößt oder
- die Voraussetzungen des § 102 SGB X gegeben sind.
9.3 Rangfolge mehrerer Erstattungsberechtigter
Treffen mehrere Erstattungsansprüche zusammen, ist die sich aus § 106 SGB X ergebende Rangfolge zu beachten.
9.4 Erfüllungsfiktion
Der Anspruch des Berechtigten auf eine Sozialleistung gilt im Rahmen des Erstattungsanspruchs als erfüllt (vgl. § 107 Abs. 1 SGB X). Nach dieser Vorschrift gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Diese Erfüllungsfiktion tritt gegenüber dem Inhaber eines Anspruchs gegen einen Sozialleistungsträger demnach ein, wenn diesem im Hinblick auf die betreffende Sozialleistung gegen einen anderen Leistungsträger ein Erstattungsanspruch i. S. der §§ 102 bis 105 SGB X zusteht. Dadurch wird eine Verknüpfung zwischen den Ansprüchen des Berechtigten gegen einen Sozialleistungsträger und dem davon an sich unabhängigen Anspruch des vorleistenden Trägers auf Erstattung gegen den eigentlich verpflichteten Leistungsträger in der Weise hergestellt, dass der Anspruch des Berechtigten als erloschen gilt und damit Doppelleistungen aus öffentlichen Kassen vermieden werden.
9.5 Pauschalierung
Erstattungsansprüche sollen kostengünstig abgewickelt werden und können pauschaliert abgegolten werden (vgl. § 110 SGB X). Dazu ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Leistungsträgern erforderlich. Beträgt der Erstattungsanspruch im Einzelfall weniger als 50 € (Bagatellgrenze), dann ist eine Erstattung ausgeschlossen. Einzelfall ist der gesamte Versicherungsfall.
9.6 Ausschlussfrist
9.6.1 § 111 Satz 1 SGB X
Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse ist innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Tages geltend zu machen, für den die Leistung erbracht wurde (vgl. § 111 Satz 1 SGB X; vgl. Bsp. 30) . Adressat ist der erstattungspflichtige Unfallversicherungsträger.
Es handelt sich um eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist. Die Frist wird nach § 26 Abs. 1, 3 SGB X; §§ 187, 188 BGB berechnet.
Bsp. 30: Verlauf der Ausschlussfrist
Eine Krankenkasse zahlt aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 2. Februar bis zum 21. Mai 2016 Krankengeld. Krankengeld für diesen Zeitraum wird letztmalig am 23. Mai 2016 ausgezahlt. Es stellt sich nachträglich heraus, dass ein Arbeitsunfall die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit war. Die Krankenkasse hat einen Anspruch auf Erstattung gegen den Unfallversicherungsträger nach § 105 SGB X. Der Anspruch ist innerhalb der Ausschlussfrist geltend zu machen. Diese verläuft bis zum 21. Mai 2017. Da der 21. Mai 2017 ein Sonntag ist verlängert sich die Frist auf den nächstfolgenden Werktag (22. Mai 2017).
Anmerkung: Für den Verlauf der Ausschlussfrist ist es unerheblich, an welchen Zeitpunkten das Krankengeld ausgezahlt wurde.
Der Unfallversicherungsträger beruft sich rechtsmissbräuchlich auf die Ausschlussfrist, wenn er die Krankenkasse absichtlich davon abgehalten hat, den Erstattungsanspruch rechtzeitig geltend zu machen. Das gilt auch, wenn der Unfallversicherungsträger die Pflicht zu enger Zusammenarbeit verletzt hat (vgl. §§ 86 ff. SGB X) .
Die Pflicht zu enger Zusammenarbeit kann im Einzelfall verletzt sein, wenn absichtlich verhindert wird, den Erstattungsanspruch zu realisieren. Sie kann aber auch dann verletzt sein, wenn die Ursache auf einer offensichtlich mangelhaften Organisation von Arbeitsabläufen beim Unfallversicherungsträger beruht.
Beruft sich der Unfallversicherungsträger unter diesen Voraussetzungen auf die Ausschlussfrist, kann die Krankenkasse dem unzulässige Rechtsausübung unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) entgegen halten.
9.6.2 § 111 Satz 2 SGB X
Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem die erstattungsberechtigte Krankenkasse von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Unfallversicherungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (vgl. § 111 Satz 2 SGB V; vgl. Bsp. 31) .
Der Verlauf der Ausschlussfrist richtet sich nach diesem Zeitpunkt,
- wenn der Unfallversicherungsträger tatsächlich über seine Leistungspflicht entschieden hat und
- die Entscheidung der Krankenkasse nach dem Ende des Leistungszeitraums bekannt geworden ist.
Bsp. 31: Nachträgliche Feststellung von Verletztengeld
Ein versicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer erleidet einen Unfall und ist wegen der Folgen in der Zeit vom 30. Juli bis zum 25. September 2016 arbeitsunfähig krank. Er erhält von seiner Krankenkasse für die Zeit vom 10. bis zum 25. September 2016 Krankengeld.
Der zuständige Unfallversicherungsträger stellt am 14. Oktober 2016 fest, dass die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsunfall ist. Gleichzeitig wird ein Anspruch auf Verletztengeld festgestellt. Die Krankenkasse erlangt davon am 17. Oktober 2016 Kenntnis.
Die Ausschlussfrist richtet sich nach § 111 Satz 2 SGB X. Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse ist bis zum 17. Oktober 2017 beim zuständigen Unfallversicherungsträger anzumelden.
9.6.3 Berechnung der Frist
Der Lauf der Frist wird durch ein Ereignis ausgelöst. Deswegen endet die Frist nach zwölf Monaten mit dem Tag, der der Zahl nach dem Ereignistag entspricht (vgl. § 26 Abs. 1 SGB X, §§ 187 bis 193 BGB; vgl. Bsp. 32). Die Frist verlängert sich auf den nächstfolgenden Werktag, wenn ihr Ende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Bsp. 32: Ausschlussfrist
Eine Krankenkasse erfährt am 20. Mai 2016 von ihrer Berechtigung, einen Erstattungsanspruch geltend zu machen. Die Ausschlussfrist endet deswegen am 20. Mai 2017. Da dieser Tag ein Samstag ist, verlängert sich die Frist auf den nächstfolgenden Werktag (23. Mai 2017).
9.6.4 Geltendmachung des Erstattungsanspruchs
Der Erstattungsanspruch wird geltend gemacht, indem er behauptet und vorgebracht wird . Es ist nicht erforderlich, die Forderung gerichtlich geltend zu machen oder alle Einzelheiten darzulegen. Dabei muss der Wille erkennbar sein, rechtssichernd tätig zu werden. Eine „vorsorgliche“ Anmeldung reicht dazu nicht aus.
Der Unfallversicherungsträger muss bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die erhobene Forderung ausgeschlossen ist. Dies kann er ohne Kenntnis des Forderungsbetrages feststellen, wenn die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruches maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistungen erbracht wurden, hinreichend konkret mitgeteilt sind.
Der Erstattungsanspruch kann bereits geltend gemacht werden, bevor die Ausschlussfrist begonnen hat. Dazu genügen allgemeine Angaben, die sich auf die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhandenen Kenntnisse über Art und Umfang künftiger Leistungen beschränken.
9.6.5 Wirkung der Ausschlussfrist
Die Frist nach § 111 SGB X ist als materielle Ausschlussfrist konzipiert, die nach ihrem Zweck und der ihr zugrunde liegenden Interessenabwägung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässt. Die Verfallswirkung des Fristablaufs tritt unabhängig davon ein, ob der Erstattungsberechtigte ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Aus dem gleichen Grund ist es dem Erstattungsberechtigten regelmäßig verwehrt, dem Erstattungspflichtigen unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten; abgesehen davon gilt, dass der Ablauf der Ausschlussfrist von den Gerichten von Amts wegen und nicht nur (wie bei der Verjährung) auf Einrede hin zu beachten ist.. Die analoge Anwendung dieser Grundsätze käme allenfalls dann in Betracht, wenn der Erstattungsberechtigte absichtlich davon abgehalten wird, den Anspruch rechtzeitig geltend zu machen.
9.7 Verjährung
Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Warum werden bei der Berechnung der Altersrente die Krankheitstage wegen einer Berufserkrankung wie eine normale Erkrankung nur mit 70 Prozent berechnet.