Krankengeld – Wer Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hat einen Anspruch

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  • Beitrag zuletzt geändert am:2. April 2021
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477552_web_R_B_by_Chris Beck_pixelio.deAnspruch auf Krankengeld haben nur Versicherte einer Krankenkasse (vgl. § 44 Abs. 1 SGB V). Der Anspruch ist unabhängig von der Art des Versicherungsverhältnisses (Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung). Damit besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder die stationäre Behandlung während der Versicherung eintreten.

Beispiel

    • Ein Arbeitnehmer nimmt am 1. April 2012 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Er erkrankt am 5. Mai 2012 und begibt sich in ärztliche Behandlung. Die Krankheit verursacht vom 20. Mai 2012 an Arbeitsunfähigkeit. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld sind vom 20. Mai 2012 an erfüllt.
    • Ein Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) tritt am 1.4.2013 sein Dienstverhältnis an. Er gilt als Arbeitnehmer und ist bei einer Krankenkasse versichert. Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit hat er einen Anspruch auf Krankengeld.

Arbeitsunfähigkeit vor dem Beginn des Versicherungsverhältnisses

Es ist allerdings auch denkbar, dass die Arbeitsunfähigkeit vor dem Beginn des Versicherungsverhältnisses eintritt. In diesem Fall sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld frühestens mit dem Beginn des Versicherungsverhältnisses erfüllt.

Beispiel

Sachverhalt: Die versicherungspflichtige Beschäftigung eines Arbeitnehmers sowie dessen Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse enden mit dem 31. Januar 2012. Aufgrund eines Arbeitsvertrages soll am 1. März 2012 eine neue versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werden. Dazu kommt es nicht, weil der Arbeitnehmer am 10. Februar 2012 auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig krank wird. Der neue Arbeitgeber leistet deswegen vom 29. März bis zum 9. Mai 2012 Entgeltfortzahlung (vgl. § 3 Abs. 1, 3 EFZG). 

Versicherungsverlauf: Der Arbeitnehmer steht aufgrund der versicherungspflichtigen Beschäftigung bis zum 31. Januar 2012 in einem Versicherungsverhältnis (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). An dieses schließt sich wegen des fehlenden anderweitigen Versicherungsschutzes die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V an. Zur erneuten Versicherungspflicht als Arbeitnehmer (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) kommt es mit dem Beginn der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber vom 29. März 2012 an. 

Anspruch auf Krankengeld: Beim Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 10. Februar 2012 ist der Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen, weil der Versicherte nicht abhängig beschäftigt ist (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld sind erst mit dem erneuten Eintritt von Versicherungspflicht vom 29. März 2012 an erfüllt. Allerdings ruht der Anspruch auf Krankengeld für die Dauer der Entgeltfortzahlung.

Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses

Nur im Ausnahmefall kann eine Arbeitsunfähigkeit, die nach der Beendigung des Versicherungsverhältnisses eingetreten ist, zu einem Anspruch auf Krankengeld führen. Versicherungspflichtige haben nach beendeter Mitgliedschaft einen Anspruch auf Leistungen für längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft (vgl. § 19 Abs. 2 SGB V). Der nachgehende Leistungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eintritt (vgl. § 5 Abs. 8a Satz 4 SGB V).

Ausschluss des Anspruchs

Bestimmte Versicherte sind vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen (vgl. § 44 Abs. 2 SGB V):

  • Personen, die Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V)Bezieher von Arbeitslosengeld II sind (rückwirkend zum 1. Januar 2005 an) vom Anspruch auf Krankengeld ausgeschlossen (Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht -Verwaltungsvereinfachungsgesetz- vom 21. März 2005, BGBL 2005 Teil I, S. 818). Der Ausschluss des Anspruchs betrifft nicht das Arbeitsentgelt oder das Arbeitslosengeld, das in sog. „Aufstockungsfällen“ neben dem Arbeitslosengeld II bezogen wird.
  • Personen, die in Einrichtung der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 SGB V)
  • Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärung der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, die keinen Anspruch auf Übergangsgeld haben (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V)
  • Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V)
  • Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit verrichten (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V)
  • zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte und den Praktikanten gleichgestellte Auszubildende des Zweiten Bildungswegs (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V)
  • Personen, die versicherungspflichtig sind weil sie keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V)Der Anspruch auf Krankengeld ist nicht ausgeschlossen, wenn eine mehr als geringfügige abhängige Beschäftigung ausgeübt wird. Diese Fallgestaltung war bis zum 31.12.2008 bei einem „höherverdienenden“ Arbeitnehmer denkbar, der aufgrund seiner Beschäftigung versicherungsfrei in der Krankenversicherung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) und nicht freiwillig oder privat krankenversichert ist. Die Variante ist seit dem 1.1.2009 ausgeschlossen, weil höherverdienende Arbeitnehmer ohne einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall versicherungsfrei sind (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V), auch wenn sie die Voraussetzungen für Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfüllen.
  • Familienversicherte (vgl. § 10 SGB V)Die Familienversicherung ist auch einem „nachgehenden“ Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorrangig und schließt einen Krankengeldanspruch aus (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V in der ab 1. Januar 2004 wirksamen Fassung). Damit ist auch die bisherige entgegenstehende Rechtsprechung hinfällig (vgl. BSG, Urteil vom 7.5.2002, B 1 KR 24/01 R).
  • hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige (ab 1. Januar 2009)
  • Versicherte, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht für mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts haben (ab 1. Januar 2009; Personen in einer unständigen Beschäftigung – vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III – sowie Versicherte, deren Beschäftigungsverhältnis im Voraus auf weniger als 10 Wochen befristet ist)Heimarbeiter, die keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung sondern nach § 10 EFZG einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags zum Arbeitsentgelt haben, sind vom Ausschluss des Anspruchs auf Krankengeld ausgenommen (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V).

Rentenbezieher

Die Bezieher bestimmter Renten haben vom Beginn der Rentenleistung an keinen Anspruch auf Krankengeld (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Anspruch ist ausgeschlossen bei Bezug von

  • Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit oder Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • Ruhegehalt, das nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gezahlt wird,
  • Vorruhestandsgeld nach § 5 Abs. 3 SGB V,
  • Leistungen, die ihrer Art nach der Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit, der Vollrente wegen Alters oder dem Ruhegehalt vergleichbar sind, wenn sie von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer staatlichen Stelle im Ausland gezahlt werden,
  • Leistungen, die ihrer Art nach der Rente wegen voller Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit, der Vollrente wegen Alters oder dem Ruhegehalt vergleichbar sind, wenn sie nach den ausschließlich für das in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiets („Neue“ Bundesländer) geltenden Bestimmungen gezahlt werden.

Der Anspruch auf Krankengeld ist trotz der vom Arbeitseinkommen entrichteten Beiträge ausgeschlossen, wenn eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird. Der vom Gesetzgeber mit dieser Regelung bezweckte vollständige Ausschluss des Anspruchs auf Krankengeld neben einer Rentenleistung im Sinne von § 50 Abs. 1 SGB V und damit der Ausschluss einer Doppelversorgung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 30. Mai 2006, B 1 KR 14/05 R). Der Anspruch ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn wegen eines anrechenbaren Hinzuverdienstes die Rente tatsächlich nicht ausgezahlt wird (BSG, Urteil vom 28.9.2010, B 1 KR 31/09 R).

Vom Anspruch auf Krankengeld sind vom 1. Januar 2009 an auch Versicherte ausgeschlossen, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 SGB V genannten Leistungen entspricht (vgl. § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V i. d. F. Art. 2 Nr. 6a GKV-WSG).

Wahlrechte

Vom 1. Januar 2009 an bietet die Krankenkasse hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen und versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB V), die bei Arbeitsunfähigkeit nicht für mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts haben, Wahltarife an, die den Anspruch auf Krankengeld nach § 46 Satz 1 SGB V oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen (vgl. § 53 Abs. 6 SGB V). Dafür ist eine der Leistungserweiterung entsprechende Prämienzahlung des Mitglieds vorzusehen.

Alternativ haben diese Personenkreise (vom 1. August 2009 an) die Möglichkeit, eine Wahlerklärung abzugeben, nach der die Mitgliedschaft den gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Der gesetzliche Anspruch entsteht für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige von der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit an (vgl. § 46 Satz 2 SGB V). Für versicherungspflichtige Arbeitnehmer ruht der Anspruch auf Krankengeld für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 7 SGB V). Der gesetzliche Anspruch kann durch einen Wahltarif ergänzt werden.

Dem Gesetzestext ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige, deren Versicherungsverhältnis auf § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V beruht, ebenfalls die Wahlerklärung zum gesetzlichen Krankengeld abgeben können. In diesem Zusammenhang ist § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V als vorrangige Vorschrift anzusehen. Danach kann auch dieser Personenkreis über eine Wahlerklärung den gesetzlichen Anspruch auf Krankengeld erlangen.

Künstler

Für Künstler entsteht der Anspruch auf Krankengeld erst von der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit an (vgl. § 46 Satz 2 SGB V). Das gilt auch dann, wenn sich im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit eine weitere (neue) Arbeitsunfähigkeit unmittelbar anschließt sowie bei Wiederholungserkrankungen. Auch in Fällen der stationären Behandlung beginnt der Anspruch auf Krankengeld erst mit dem Beginn der 7. Woche. Allerdings hat die Krankenkasse in ihrer Satzung für diese Versicherten Wahltarife anzubieten, die einen früheren Termin für den Beginn des Anspruchs auf Krankengeld festsetzen (spätestens mit dem Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit; vgl. § 53 Abs. 6 SGB V). Wird der Tarif durch das Mitglied gewählt, entsteht der Anspruch zu dem entsprechenden Zeitpunkt.

Arbeitsunfall oder Berufskrankheit

Der Anspruch auf Krankengeld ist ausgeschlossen, wenn die Arbeitsunfähigkeit die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist (vgl. § 11 Abs. 5 SGB V). Der Ausschluss ist nicht nur auf die Höhe des Verletztengeldes beschränkt. Vielmehr besteht auch kein Anspruch auf Krankengeld, das über den Anspruch auf Verletztengeld hinaus geht (Krankengeld-Spitzbetrag; BSG, Urteil vom Urteil vom 25.6.2002, B 1 KR 13/01 R unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung und einem Hinweis auf die verfassungskonforme Rechtsauslegung).

Verlust von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen

Ein Versicherungsverhältnis ist immer dann mit Anspruch auf Krankengeld ausgestattet, wenn der Anspruch gesetzlich nicht ausgeschlossen ist. Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach kann nur dann Krankengeld beansprucht werden, wenn durch die Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen entgeht, von dem zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit Beiträge zur Krankenversicherung berechnet wurden (BSG, Urteil vom 26.6.2007, B 1 KR 2/07 R). Wenn diese Einkünfte nicht oder nicht als positive Einkünfte im Sinne des Steuerrechts erzielt werden, ist der Anspruch auf Krankengeld unabhängig von einer Wahlentscheidung für das Krankengeld ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 7.12.2004, B 1 KR 17/04 R).

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