Die Amtsdauer der Mitglieder im Verwaltungsrat der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie Ersatzkassen beträgt sechs Jahre; sie umfasst die gesamte Zeit zwischen den allgemeinen Wahlen. Beginn und Ende hängen jeweils von den konstituierenden Sitzungen der neu gewählten Organe ab. Ein vorzeitiger Verlust der Mitgliedschaft ist nur aufgrund der in § 59 Abs. 1 SGB IV genannten Tatbestände vorgesehen.
Verlust der Mitgliedschaft
Mitgliedschaft in einem anderen Selbstverwaltungsorgan
Personen können nicht bei demselben Versicherungsträger Mitglieder des Vorstands und des Verwaltungsrats sein (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB IV). Die Mitgliedschaft in den Selbstverwaltungsorganen mehrerer Krankenkassen ist ebenfalls ausgeschlossen (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 2 SGB IV; Inkompatibilitätsprinzip). Wird die Mitgliedschaft in einem weiteren Selbstverwaltungsorgan erworben, endet die zuvor erworbene Mitgliedschaft (vgl. § 59 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).
Amtsentbindung
Die Amtsentbindung ist durchzuführen, wenn die im Gesetz genannten Tatbestände vorliegen (vgl. § 59 Abs. 2 SGB IV). Zuständig ist der Verwaltungsrat (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 3 SGB IV). Im Gegensatz zur Amtsenthebung handelt es sich um eine „ehrenhafte“ Entlassung aus der Organmitgliedschaft.
Das Gesetz nennt zunächst den „wichtigen Grund“ als Tatbestand, der zu einer Amtsentbindung führt. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auf der Tatbestandsseite des Rechtssatzes zu einem Auslegungsermessen des Verwaltungsrats führt. Der Ermessensspielraum betrifft nicht die Rechtsfolgenseite, weshalb die Rechtsfolge „Amtsentbindung“ herbeizuführen ist, wenn der Tatbestand gegeben ist.
Der wichtige Grund kann in der Person oder außerhalb der Person des Organmitglieds gegeben sein. In der Person des Organmitglieds liegende Gründe können mangelnde Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung sowie gesundheitliche, familiäre oder berufliche Gründe sein. Darüber hinaus ist ein schuldhafter Verstoß gegen Amtspflichten als „wichtiger Grund“ für eine Amtsentbindung anzusehen, wenn Art, Ausmaß und Folge des Verstoßes für eine Amtsenthebung nicht ausreichen.
Außerhalb der Person des Organmitglieds sind u. a. Vereinigung, Auflösung oder Schließung von Krankenkassen wichtige Gründe für eine Amtsentbindung.
Wird erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt, dass die Wählbarkeitsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Wahl nicht vorgelegen haben, ist der Verwaltungsrat gezwungen, die Organmitgliedschaft durch Amtsentbindung zu beenden. Fallen die Wählbarkeitsvoraussetzungen nachträglich weg, ist ein weiterer Tatbestand für eine Amtsentbindung gegeben. Das könnte der Fall sein, wenn die Arbeitgebereigenschaft wegfällt oder das Versicherungsverhältnis beendet wird.
Amtsenthebung
Im Gegensatz zur Amtsentbindung erfolgt die Amtsenthebung nur im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen Amtspflichten in grober Weise und wird als unehrenhafte Entlassung aus der Organmitgliedschaft zu betrachten sein (vgl. § 59 Abs. 3 SGB IV). Zuständig ist der Verwaltungsrat (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 3 SGB IV).
Das Bundessozialgericht ist der Auffassung, die Amtspflichten von Mitgliedern der Selbstverwaltungsorgane ergäben sich einerseits aus dem gesetzlichen Auftrag der Versicherungsträger (vgl. §§ 1 – 4 SGB V) und andererseits aus der Rechtsstellung als Organmitglied einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft (vgl. §§ 29 ff SGB IV). Dabei haben die Mitglieder von Selbstverwaltungsorganen im wohlverstandenen Interesse der Krankenkasse zu handeln und jegliches Handeln zu unterlassen, welches die Krankenkasse schädigen könnte.
Zu den Amtspflichten zählen insbesondere die
- Wahrung des Sozialgeheimnisses (vgl. § 35 SGB I) und der sonstigen Schweigepflicht und
- Vermeiden einer Schädigung des Versicherungsträgers durch Handeln oder Unterlassen sowie mangelhafte Organtätigkeit ohne sachlichen Grund.
Der Verstoß gegen Amtspflichten muss in grober Weise erfolgen und somit besonders schwerwiegend sein, insbesondere in seinen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen dem Versicherungsträger und Dritten oder hinsichtlich des Vermögens des Versicherungsträgers. Auf den Grad des Verschuldens kommt es dabei nicht an. Eine absichtliche Amtspflichtverletzung ist ebenfalls nicht Voraussetzung für eine Amtsenthebung. Ausreichend ist vielmehr eine objektiv grobe Amtspflichtverletzung, die subjektiv vorwerfbar -schuldhaft- ist.
Zeitpunkt der Beendigung der Organeigenschaft
Unanfechtbarkeit des Beschlusses
Die Organmitgliedschaft endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit eines Beschlusses über die Amtsentbindung oder die Amtsenthebung (vgl. § 59 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV). Sollte sich im Einzelfall die Notwendigkeit ergeben, die Ausübung der Organmitgliedschaft mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, bietet sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses über eine Amtsenthebung an (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Ein Widerspruch gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 86a Abs. 1 Satz 1 i. v. m. Abs. 2 Nr. 5 SGG). Im Wege vorläufigen Rechtsschutzes kann durch das zuständige Sozialgericht allerdings auf Antragdie aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise angeordnet werden (vgl. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung lässt nicht die materielle Wirkung des zu vollziehenden Beschlusses eintreten. Sie hat vielmehr zur Folge, dass das betroffene Organmitglied an der Ausübung seines Amtes gehindert ist.
Der Verwaltungsrat als zuständiges Organ für die Amtsentbindung oder Amtsenthebung hat darüber einen Beschluss zu fassen (vgl. § 59 Abs. 4 SGB IV). Mit der Beschlussfassung tritt allerdings noch keine Wirkung im Verhältnis zum Organmitglied ein. Dazu bedarf es vielmehr des Erlasses eines Verwaltungsakts (vgl. § 31 SGB X) sowie des Eintritts von Unanfechtbarkeit dieser Maßnahme. Der Verwaltungsakt ist vom gesamten Verwaltungsrat zu erlassen, welches durch entsprechende Unterschriften kenntlich wird (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB IV), oder von den dazu befugten Vorsitzenden (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Vertreten die Vorsitzenden des Verwaltungsrats den Versicherungsträger im Zusammenhang mit einer Amtsentbindung oder Amtsenthebung, so bedarf es dazu einer entsprechenden Satzungsbestimmung.
Verwaltungsakt
Der Verwaltungsrat, dem über § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB IV bereits Behördeneigenschaft zuwächst, erlässt den Verwaltungsakt als sachlich und örtlich zuständige Behörde im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X, was für den Erlass eines rechtmäßigen Verwaltungsakts unerlässlich ist.
Anhörung
Bevor der Verwaltungsakt allerdings erlassen werden kann, ist dem Organmitglied Gelegenheit zur Äußerung zu gegeben (vgl. § 24 Abs. 1 SGB X), da die beabsichtigte Maßnahme einen Eingriff in die Rechte des Organmitglieds darstellt. Eine unterlassene und nicht rechtswirksam nachgeholte Anhörung führt zur Fehlerhaftigkeit sowie Aufhebbarkeit des Verwaltungsakts (vgl. § 42 SGB X). Die unterlassene Anhörung kann bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X).
Formfreiheit
Für die Maßnahme gilt der Grundsatz der Formfreiheit (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt ist allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit stets schriftlich zu erlassen. Dazu ist er mit einer Begründung (vgl. § 35 Abs. 1 SGB X) sowie einer Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. § 36 SGB X) zu versehen und dem Organmitglied bekannt zu geben (vgl. § 37 SGB X). Er wird im Zeitpunkt der Bekanntgabe wirksam (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Damit erlangt der Verwaltungsakt materielle Bestandskraft. Die formelle Bestandskraft und damit die Unanfechtbarkeit treten erst zu einem späteren Zeitpunkt ein und setzen voraus, dass ein Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel nicht mehr mit Erfolg eingelegt werden kann. Das ist frühestens nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist (vgl. § 84 Abs. 1 SGG) der Fall. Werden die gegebenen Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel ausgeschöpft, tritt Unanfechtbarkeit erst mit Eintritt der Rechtskraft eines Gerichtsurteils ein. Erst zu diesem Zeitpunkt endet die Organmitgliedschaft.
Sofortige Vollziehung
Hat der Verwaltungsrat eine Amtsenthebung durchgeführt, kann er die sofortige Vollziehung des Beschlusses anordnen (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 SGB IV). Dieses kann mit dem Verwaltungsakt über die Amtsenthebung ausgesprochen werden. Es ist allerdings zweckmäßig, die Anordnung des Verwaltungsrats als eigenständigen Verwaltungsakt zu erlassen. Mit der Anordnung verliert das Organmitglied nicht seinen Status. Es ist allerdings gehindert, sein Amt weiterhin auszuüben. Damit ist das Organmitglied u. a. nicht stimmberechtigt bei der Beschlussfassung im Verwaltungsrat.