Fällige Geldleistungen wie Krankengeld oder Übergangsgeld werden verzinst, wenn die Leistungen verspätet ausgezahlt werden. Die Zinspflicht gleicht die Nachteile aus, die bei verspätetet gezahlten existenzsichernden Sozialleistungen entstehen.
Voraussetzungen
Geldleistung
Fällige Geldleistungen werden mit 4 % verzinst (§ 44 Abs. 1 SGB I). Der Begriff umfasst alle laufenden oder einmaligen Sozialleistungen, die in Geld ausgezahlt werden (§ 11 Satz 1 SGB I). Dazu gehören auch Leistungen, die aufgrund einer Ermessensentscheidung anstelle einer Sachleistung in Geld erbracht werden (z. B. Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII), sowie Ansprüche auf Kostenerstattung (§ 13 SGB V).
Fälligkeit
Ansprüche auf Geldleistungen entstehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs. 1 SGB I). Bei Ermessensleistungen kommt es darauf an, wann die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben wird (§ 40 Abs. 2 SGB I). Dann wird die Geldleistung auch fällig (§ 41 SGB I). Dabei sind abweichende spezialgesetzliche Vorschriften zu beachten.
Beispiel
Leistung | Fälligkeit | Sachverhalt | Rechtsgrundlage |
Krankengeld (kalendertäglicher Anspruch) |
|
Ein Versicherter ist seit dem 24.7.2011 arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit wird am 25.7.2011 festgestellt. Der Anspruch wird erstmals am 26.7.2011 fällig. | § 46 Satz 1 Nr. 1, 2 SGB V |
Verletztengeld (kalendertäglicher Anspruch) | Beginn der Arbeitsunfähigkeit | Ein Versicherter erleidet einen Arbeitsunfall und ist seit dem 24.7.2011 arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit wird am 25.7.2011 festgestellt. Der Anspruch ist erstmals am 24.7.2011 fällig. | § 46 Abs. 1 SGB VII |
Unfallrente (monatlicher Anspruch) | Ende des Monats, für den die Rente beanspruch wird | Ein Versicherter bezieht eine unbefristete Unfallrente. Die Leistung für den Monat August 2011 ist am 31.8.2011 fällig. | § 96 Abs. 1 Satz 1 SGB VII |
Rente | Ende des Monats, für den die Rente beanspruch wird | Ein Versicherter bezieht eine Regelaltersrente. Die Leistung für den Monat Juli 2011 ist am 31.7.2011 fällig. | § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI |
Kostenerstattung | Zeitpunkt, zu dem die Kosten entstanden sind | Ein Versicherter begleicht am 25.7.2011 die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung. Er hat einen Anspruch auf Kostenerstattung, der am 25.7.2011 fällig ist. | § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V |
Dauer
Beginn
Leistungen aufgrund eines Antrags
Geldleistungen werden verzinst, nachdem ihre Fälligkeit eingetreten und ein Kalendermonat abgelaufen ist (§ 44 Abs. 1 SGB I). Davon abweichend beginnt die Verzinsung frühestens nach 6 Kalendermonaten nach dem Ende des Monats, in dem der Leistungsantrag gestellt wird (§ 44 Abs. 2 SGB I).
Es ist sowohl festzustellen, wann der Kalendermonat nach dem Eintritt der Fälligkeit, als auch, wann die Frist von 6 Kalendermonaten nach dem Leistungsantrag abgelaufen ist. Vom späteren Zeitpunkt an ist die Geldleistung zu verzinsen. Der Leistungsantrag kann nicht nur beim zuständigen Leistungsträger, sondern auch bei jedem anderen inländischen Leistungsträger oder einer amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB I) . Ein Leistungsantrag bei einem ausländischen Versicherungsträger ist nicht ausreichend.
Der Leistungsantrag ist vollständig zu stellen. Das ist spätestens dann der Fall, wenn verwendete Antragsvordrucke vollständig ausgefüllt und die erforderlichen Unterlagen eingereicht sind .
Leistungen von Amts wegen
Leistungen, die ohne einen Leistungsantrag zugebilligt werden, werden ausgehend von der Bekanntgabe der Entscheidung verzinst (§ 44 Abs. 2 SGB I; z. B. Leistungen der Unfallversicherung, § 19 Satz 2 SGB IV). Die Verzinsung beginnt, wenn ein Kalendermonat abgelaufen ist, nachdem die Entscheidung bekannt gegeben wurde.
Wenn dennoch ein Leistungsantrag gestellt wird, werden die Geldleistungen erst nach 6 Kalendermonaten nach dem Antrag verzinst.
Ende
Geldleistungen werden bis zum Ende des Kalendermonats vor der Zahlung verzinst (§ 44 Abs. 1 SGB I).
Höhe
Fällige Geldleistungen werden mit 4 % verzinst (§ 44 Abs. 1 SGB I). Berücksichtigt werden nur volle Euro-Beträge (§ 44 Abs. 3 Satz 1 SGB I). Der Zinsmonat wird mit 30 Tagen berücksichtigt (§ 44 Abs. 3 Satz 2 SGB I).
Fällige Geldleistungen fließen während des Zinszeitraums in die Verzinsung ein, wenn seit der Fälligkeit ein Kalendermonat vergangen ist.
Beispiel
Es besteht ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 1.5.2010 bis auf Weiteres in Höhe von 50,33 EUR (Auszahlungsbetrag) kalendertäglich. Der Leistungsantrag wird am 5.4.2010 gestellt. Das fällige Krankengeld wird erstmals am 19.1.2011 ausgezahlt. Fälliges Krankengeld ist deshalb für die Zeit vom 1.11. bis zum 31.12.2010 zu verzinsen. Der Zinsanspruch kann folgendermaßen berechnet werden.
Leistungszeitraum | Fälliges Krankengeld – EUR | Zu verzinsender Betrag – EUR | Dauer der Verzinsung | Zinstage | Zinsanspruch – EUR |
1.5.-1.10.2010 |
7599,83 |
7599,00 | 1.11.-31.12.2010 | 60 |
50,66 |
2.10.-1.11.2010 |
1459,57 |
1459,00 | 1.-31.12.2010 | 30 |
4,86 |
55,52 |
Entscheidung
Der Zinsanspruch ist vom Leistungsträger von Amts wegen zu berücksichtigen. Eines Antrags bedarf es nicht.
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